AW: Mae
Fortsetzung:
Sie zog blitzschnell ein glänzendes Schwert aus ihrem Mantel und setzte es Mae an den Hals. Mae atmete heftig, sie zitterte vor unterdrückter Wut. Diese Ratte. Irgendwie musste sie sich endlich aus diesem Bann befreien! Es konnte doch nicht sein, dass sie diese Mörderin, dieses Aas gewähren ließ! Und ihr Geist stimmte zu. Loki schrie auf und zuckte zurück. Eine leichte, messerscharfe Klinge hatte sich komplett durch ihre Hand gebohrt. Sie ragte aus der Öffnung von Maes Mantel. Mae zog sie heraus und wischte sie mit verächtlicher Miene an ihrem Hosenbein sauber. Nebenbei betrachtete sie kühl die lange Narbe am Arm der Gegnerin. Diese drehte flink den Arm und legte den anderen schützend darum. Das Mädchen lachte bitter:
„Vorsicht, Hexenfalle. Man sollte schauen, wo man hingreift.“
Mae öffnete ihre Jacke und Bheyhok stellte seine Klingen aus. Mae trat schnell auf ihre Gegnerin zu, zwei der Klingen schossen aus ihrem Gurt und bohrten sich der Feuerhexe in die Schultern. Loki warf den Kopf nach hinten und schrie vor Wut.
„Du willst also nicht?! Du willst mit mir keine Verbindung eingehen?! Mit mir?! Du Bitch, du Schlampe!!! Hats dir das Agentenhäschen eher angetan, he? Du naive Kröte!! Denkst, die Zuschauerseite ist die lohnendere? Wie beschränkt kann man sein?! Was könnten wir für einen Spaß haben!! Schau mal her, Liiieeebes, was ne Mordsgaudi!!“
Der Helicopter über ihnen explodierte zeitgleich mit der Wagenfront, hinter der sich die Polizei versteckte. Ein Ring aus Feuer legte sich um eine Gruppe Schaulustiger, die, als sie bemerkten, dass sie eingekesselt waren, wild in Todesangst brüllten. Die Luft war angefüllt mit Gestank, beißendem Rauch und einer übergroßen Hitze. Wallende Feuerberge fraßen sich durch Metall und Kunststoff, durch trockenes Gras und durch zuckende Leiber. Mae grub die Fingernägel in ihre Handballen, in ihrem Kopf tobten die Gedanken und waren kaum zu ordnen. Ihr Geist brüllte sie an: Tu was! Mach was!! Ich bin bei dir! Und ihre Augen starrten stumpfsinnig auf dieses Massaker, ohne eine einzige ordentliche Reaktion ihres Körpers.
„Ist das nicht wundervoll, meine Süße? Schau mich an! Schau meine Heldentaten an! Schau die Leute an, wie sie mich angaffen, wie sie mir unterliegen! Was ein Spiel, welch Amüsement! Und du willst das nicht?! Warte…warte, Liebes, vielleicht kann ich dir die Entscheidung leichter machen?“
Und eine Stichflamme, einem Schwert gleich, schoss aus ihrer Hand, die Böschung hinauf, auf Alexa Springs zu. Mae schrie und schlug die Hände vors Gesicht. Kurz später berührte das zitternde junge Mädchen etwas am Knöchel…und als sie hinschaute, blickten die vor Entsetzen und Unglauben aufgerissenen Augen Alexas starr zu ihr empor. Der schwelende Stumpf des Halses blutete nicht einmal.
Gescheitert
„NEEEEEEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIN!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“
Während des Schreis, der aus ihr herausquoll, erbrach sich Mae auf den Rasen. Loki lachte laut und vergnügt, hob Alexas Kopf auf und hielt ihn sich vor das Gesicht.
„Schau, nun sehe ich so aus wie sie… Hallooooo, Maeschatz! Schau mich an, Liebling! Lieber mit einer Agentenschlampe unterwegs, ja? Dann ist doch nun alles in Ordnung!“
Die Feuerhexe konnte ihr Gelächter kaum mehr stoppen, wie irre stand sie in Feuer und Rauch um sich herum und lachte, dass ihr der Kopf aus den kraftlosen Händen fiel. Immer noch kichernd und prustend kickte sie ihn davon. Dieser Moment der Unachtsamkeit reichte Mae. Mit einem lauten Gebrüll und aufgestelltem Brustgurt rannte sie gegen diese Bedrohung an. Der Tod der verehrten…ja…Freundin konnte man inzwischen sagen, war ein solcher Schock, der die junge Frau aus ihrer Erstarrung gelöst hatte. Da war nur noch Hass. Hass und der absolute Wille dieser Bastardin möglichst weh zu tun und sie anschließend in die ewigen Jagdgründe zu verschicken, koste es, was es wolle.
Die Klingen schossen aus der mittleren Region des Bheyhok in die Oberarme der roten Frau und drehten sich dann einmal im Uhrzeigersinn. Loki kreischte wild, Blut rann über ihre Arme, sie rannte nun ihrerseits gegen Mae an, packte die Telekinesin in den Haaren und stieß ihr die Klinge ihres Kurzschwertes direkt unter das rechte Schlüsselbein. Es spritzte und Mae spuckte gurgelnd etwas Blut. Und dann spürte sie, neben dem furchtbaren Schmerz, die Hitze. Der Stahl, der immer noch in ihr steckte, glühte, versenkte ihr die Haut, das Fleisch, und Loki sah ihr lächelnd ins Gesicht:
„Du willst dich allen Ernstes gegen mich stellen, du Nichts? Schau mich an!! Schau mir in die Augen!! Los! Du wirst sterben müssen…leider…und es wird nicht schön…aber du wolltest es so…“
„Lieber sterben als mit dir eine Verbindung eingehen!“
Mae riss sich die Klinge aus dem Leib und griff nach der Hexe um sie zu Boden gehen zu lassen, doch diese war schneller, sprang Mae in die Arme, klammerte ihre Beine rechts und links um das Mädchen und presste ihr blitzschnell die Lippen auf den atemlos geöffneten Mund. Mae krampfte zusammen, packte die Kehle der Feindin und drückte zu. Fest zu. Loki hatte keine andere Wahl als loszulassen und Mae spuckte und erbrach Rauch. Sie keuchte, es klang wie die letzten Züge einer Erstickenden, aber die Finger pressten sich immer noch um den Hals der Hexe. Das so erbittert kämpfende Menschenmädchen merkte, dass sie kaum eine Chance gegen die Feuerfrau hatte. Die Pyromanin hatte kein Limit, was den Tod anging. Mae ließ sich fallen und riss ihre Gegnerin mit sich. Loki krachte mit dem Rücken auf den harten Boden und stöhnte vor Schmerz, aber das Funkeln in ihren roten Augen war immer noch gleißend wie eh und je und sie fixierte Mae voller Hass, obwohl ihre Augäpfel fast aus den Höhlen traten. Sie wurde immer noch mit aller verfügbaren Kraft gewürgt. Doch dann ruckte Loki mit aller Gewalt und wollte sich blitzschnell auf ihre Kontrahentin drehen, aber Mae ließ einfach nicht los und so musste die Andere in dieser Hinsicht kapitulieren. Sie verhielt sich einen Moment lang ruhig.
Dann raste ein Schmerz durch Maes Bein, als würde es ihr bei lebendigem Leib amputiert. Mit einem markerschütternden Schrei ließ sie Loki los und wollte ihr Bein anwinkeln um es zu untersuchen, aber das war nicht möglich. Aus ihrem Schenkel ragte ein kurzer Dolch, der so tief in ihr Fleisch gerammt war, dass es am Boden festhaftete. Mae war fast ohnmächtig vor Schmerz in ihrem Bein, als plötzlich ihr Mantel entflammte. Sie versuchte sich panisch von ihrer Beinfessel zu befreien, aber das Messer steckte unglaublich fest im Boden. Mae schlug um sich, schon merkte sie, wie die Flammen an ihrer Haut fraßen. Sie warf sich hin und her und es gelang ihr, das Messer in ihrem Schenkel aus dem Erdreich zu ziehen, welches durch ihr Gebahren die Wunde nur noch mehr aufriss, doch das war ihr egal. Sie riss sich den brennenden Mantel vom Leib, biss stöhnend die Zähne zusammen, als kleine Fetzen Haut von den Unterarmen an dem rauen Stoff hängen blieb und blickte sich dann hektisch suchend nach ihrer Todfeindin um. Diese stand in sicherem Abstand und lächelte sie an. Die Klingen des Bheyhok steckten immer noch in ihrem Schulter- und Oberarmfleisch und Loki machte keine Anstalten sie heraus zu ziehen. Sie blickte auf Mae herab, die stark blutete, schwere Verbrennungen hatte und im Gesicht schon weiß wie eine Kalkwand war:
„Du hast verloren, Liebchen…der Tod zeichnet dir gerade seine Unterschrift aufs Gesicht… Schau mich an…Los! Schau mir ins Gesicht…gib mir deinen Blick…Schau, wie die Leute schon wieder glotzen…die werde ich gleich vernichten…und es wird mir ein Vergnügen sein…Du wirst hier sterben…schön langsam und schmerzhaft…schau, wie blutleer du schon bist…das wird nicht mehr lange dauern…schade Liebchen…“
Und Loki trat langsam auf Mae zu und trat ihr mit aller Macht in die Rippen. Mae fühlte ihren Brustkorb bersten und spürte, dass sie kaum noch Luft bekam. Ihr wurde schwarz vor Schmerzen, doch sie hielt dem Blick von der Hexe stand. Die drehte sich um und ging ein paar Schritte von ihr weg. Die Hände in den Hüften, sah sie grinsend Mae beim Sterben zu. Doch die Todgeweihte bäumte ihren Geist ein letztes Mal auf und die komplette Motorhaube eines ausgebrannten Ford Cimax flog pfeifend auf Loki zu. Diese bemerkte das riesige Geschoss im letzten Moment und sprang zur Seite, allerdings war sie nicht schnell genug, so dass ihr rechter Fuß unter dem schweren Metall vergraben wurde. Die Feuerhexe kreischte und sprengte mit einer Handbewegung die Last von ihrem Fuß. Dadurch verbrannte sie selbst ein Stück ihres eigenen Beinfleisches. Drohend hinkte sie auf Mae zu, auf ihrem rechten Knöchel laufend, da der Fuß wohl mehrfach gebrochen zu sein schien und dementsprechend zur Seite abstand. Mae lag im Gras. Ihr Atem ging langsamer und langsamer. Sie gab auf. Sie schaute Loki mit stumpfem Blick an, Blut rann ihr aus Mund, Augen und Ohren. Ihre Kleider waren ebenfalls blutdurchtränkt und ihre Arme ließen einen Blick auf ihre Ellen frei.
Die rote Frau wischte zart das Blut aus Maes Gesicht und sagte leise:
„Denk an mich, wenn du den Lebensatem aushauchst, mein Schatz…und denk daran, was du hättest haben können…“
Es explodierte eine Rauchwolke vor der Sterbenden - Loki war verschwunden.
Und Mae lag da und ließ immer mehr von sich zurück. Immer mehr…
Heimkehr
„SHIT!!!!! Wir verlieren sie! Verdammt noch mal, ich wusste, dass es falsch war, diese hohe Dosis zu setzen! Ihre Lebenszeichen werden immer schwächer! Verflucht!! Mae!! Komm, mein Mädchen!! Mach mit! Hilf uns mal ein bisschen! FUCK!! Sauerstoff! Bereithalten zur Re-Ani! MAE!“
Von weitem, wie durch eine Dunstglocke, hörte Mae verzweifelte und hektische Stimmen. Sie schien auf einer Trage oder etwas Vergleichbarem zu liegen – wie kam sie dahin…? Sie spürte, wie ihr Körper angehoben und gesenkt, wie ihr eine Haube auf Mund und Nase gedrückt wurde. Das Gas, was sie durchströmte, gab ihrem schwachen Körper wieder etwas Lebenskraft und sie schlug ermattet die Augen auf. Gleißendes Licht ließ sie diese sofort wieder schließen und leise stöhnen.
„Wir haben sie! Großer Gott, wir haben sie…“
Mae ließ die Augen geschlossen. Sie wollte sie nicht öffnen. Sie wollte nichts mehr sehen, nicht mehr zusehen. Zu schlimm war das, was geschehen war. Sie wollte nicht sehen, wie Alexas Leichnam abtransportiert wurde, sie wollte nicht mit ansehen, wie sich das Feuer ausbreitete, wie die verkohlten Körper auf Lastwagen gehievt wurden. Sie wollte nur da liegen und einfach nur noch abtreten. Nichts gab es mehr, das ein Leben lohnen würde. Nichts… ihre beste Freundin war tot. Dem jungen Mädchen rann eine Träne aus dem geschlossenen Augenwinkel. Und Kirby…der hatte in dem Hubschrauber gesessen…sie hatte seine Stimme erkannt.
Eine Hand streichelte ihr Haar, fuhr ihr zart über die schweißnasse Stirn und strich ihr über die Wange.
„Mae…komm…komm zurück…“
Alexa!
Mae riss die Augen auf und versuchte sich hochzustemmen, was aber wegen einiger Schläuche und schnell sie niederdrückenden Händen nicht möglich war. Sie sah sich hektisch um und erblickte Alexa, die sie besorgt anschaute:
„Nein…das…Alexa?!“
„Hey…“
Die Angesprochene blickte ihr sanft ins Gesicht. Mae atmete schnell und stoßweise. Die Tränen schossen ihr aus den Augen.
„Das ist doch unmöglich!! Was geht hier vor?! Was…nein…“
Das verzweifelte und verwirrte Mädchen wollte schleunigst aufstehen, doch wurde sie wieder von mehreren Händen davon abgehalten. Das war zu viel. Mae explodierte förmlich. Sie schrie und schlug mit den Armen, riss sich die Schläuche ab, ohne wirklich zu realisieren, was passierte und wo sie eigentlich war. Einer der Beteiligten flog in hohem Bogen rückwärts, durch eine unsichtbare Faust hart getroffen. Die herumwütende junge Frau kämpfte gegen einen unsichtbaren Feind. Sie kämpfte gegen ihre Erinnerungen, gegen die komplett irritierenden neuen Eindrücke und gegen die Ohnmacht, die sie umfing.
„Kleines! Hör auf!!“
Mae erstarrte keuchend und riss die Augen nun endgültig auf um zu erkennen, was sie nicht erkennen wollte. Was hatte das nur alles zu bedeuten?
„Hey…komm zu dir…“
Alexa Springs hielt das schweißnasse und zitternde Mädchen in ihren Armen, streichelte ihren Rücken und drückte sie fest an sich. In Mae löste sich die Verkrampfung und sie begann hysterisch zu weinen. Die Tränen durchnässten die Bluse der Agentin, verzweifelt bohrten sich Finger in ihre Oberarme und ein schlanker Körper presste sich eng an sie. Alexa blickte Kirby sorgenvoll an:
„Sie ist total fertig. So ein Mist, wie konnte ich das nur genehmigen!!“
„Aber Springs, sie wollte es so. Sie war damit einverstanden.“
„Aber sie wusste doch gar nicht, was da passieren kann! Ich schon!“
Alexa wiegte das schluchzende Mädchen hin und her:
„Shhhht….es ist gut…es ist alles in Ordnung…ich bin hier…Wir sind hier…dir passiert nichts…“
Die beiden saßen so eng umschlungen bestimmt eine Stunde auf dem Bett, bis Mae sich endgültig beruhigt hatte. Alexa hielt sie etwas von sich weg und betrachtete das Mädchen liebevoll:
„Möchtest du mir erzählen, was dir passiert ist? Was du gesehen hast?“
Mae ließ den Blick nicht von dem Gesicht der Agentin und schüttelte leicht den Kopf:
„Nein, bitte…ich möchte zuerst wissen, was hier passiert ist. Ich…ich erzähle dann…“
„Nungut…du bist eingeschlafen, lächelnd…warum auch immer..“
Ein warmer Glanz trat in Maes Augen, sie wusste, warum.
„Und dann war erstmal alles in bester Ordnung bis ungefähr zwei Uhr morgens. Da fingst du plötzlich laut an zu schreien. Du hast dich herumgewälzt, du hast geweint, mal warst du ruhig, mal hast du um dich geschlagen und getreten. Nachdem wir merkten, dass du dich aus der Halluzination nicht befreien kannst, haben wir dir ein Aufwachmittel gespritzt, aber das hat nicht angeschlagen. Ich kann mir das nicht erklären. Und dann wurdest du immer schwächer…du hast gewimmert, es war furchtbar…“
Alexa wandte den Kopf zur Seite, damit ihre Gesprächspartnerin nicht sehen konnte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Zu groß waren die Vorwürfe, die sie sich machte. Sie hatte das Mädel doch sehr lieb gewonnen und war furchtbar in Sorge gewesen, dass sie mit der Dosiserhöhung ihr Todesurteil unterschrieben haben könnte.
Mae war völlig verstört. Das Ganze war nur eine…Halluzination…ein Traum gewesen? Das war doch nicht möglich…das war zu real gewesen! Und sie erzählte ihrer Freundin alles. Bis auf ein Detail. Alexa sollte nicht wissen, dass sie in ihrem Traum zu Tode gekommen war.
Alexa war baff. Mae konnte Inferno bis aufs i-Tüpfelchen charakterisieren und beschreiben. Man sah der Agentin an, dass ihr das mehr als unheimlich war und sie umarmte Mae.
„Ich kann mir darauf keinen Reim machen. Ich dachte eher, dass du auf diese Weise vielleicht mit ihr einen gedanklichen Kontakt aufbauen kannst…aber solch ein Traum, das ist schon seltsam. Zumal so etwas in der Richtung zwar schon passiert ist, aber nicht auf diese Weise…“
„Apropos schon mal passiert…“
Mae schaute Alexa mitten ins Gesicht:
„Was verschweigt ihr mir im Bezug auf meine ungeklärte Vergangenheit? Da muss etwas sein. Irgendetwas war da, ihr wisst es auch und ihr sagt es mir nicht! Warum?“
Alexa wich ihrem Blick aus. In dem Moment kam Kirby in das Zimmer und rief seine Kollegin nach draußen.
„Später…ich komme bald zurück.“
Sichtlich erleichtert, um eine sofortige Antwort gekommen zu sein, verließ die Agentin den Raum und ließ Mae zurück, die grübelnd ihre Knie umschlang. Die Haare fielen ihr ins Gesicht und kitzelten ihre Nase. Sie wischte sie energisch zurück.
Was war das gewesen? Wie konnte es ein Traum sein? Träume spiegelten Geschehenes wider. Eine Halluzination? Wie konnte sie denn dann Loki so genau beschreiben und charakterisieren? Loki…dieses skrupellose Weibsbild, die einfach, ohne mit der Wimper zu zucken, mehrere Menschen umbrachte, die es genoss, die Aufmerksamkeit des „gemeinen Volkes“ zu besitzen, die absolut brutal ihren Willen durchsetze, aber trotzdem ihr gegenüber manchmal fast zärtlich war… Mae brummte der Schädel und ihr Mund war trocken. Sie stand auf und holte sich etwas Wasser. Während sie trank, dachte sie weiter nach. Warum hatte sie sie nicht getötet…warum war da solch eine seltsame Bindung zwischen ihnen spürbar gewesen? Loki hätte nur einen Finger rühren müssen und von ihr wäre nichts weiter als ein Häufchen Asche geblieben. Doch sie hatte es nicht getan. Sie hatte Mae sogar am Schluss nicht komplett getötet, insofern man in einer Halluzination von Tod sprechen konnte. Und dann war da noch etwas, das sie sich nicht erklären konnte. Warum hatte die Feuerhexe dauernd darauf bestanden, dass sie ihr in die Augen blickte? Wollte sie fixiert werden? Wollte sie sehen, dass Mae sie wertschätzte und dass die Erkenntnis über die Macht sich widerspiegelte? Was war es? Auf jeden Fall war sich Mae sicher, dass es keine Halluzination war. Was war es dann? Eine Erfahrung? Konnte nicht sein. Sie kannte Alexa erst ein paar Wochen. Aber was dann…? Sie konnte es sich nicht schlüssig erklären.
Inferno
Die beiden diskutierenden Agenten stoppten ihre heftige Auseinandersetzung abrupt, als Mae die Küche betrat und starrten sie an. Alexa fasste sich als erstes:
„Kind…du solltest nicht herumlaufen. Du bist noch schwach auf den Beinen.“
Sie griff Mae unter den Arm und half ihr sich zu setzen. Das Mädchen blickte die beiden Streitenden an und sagte ruhig:
„Ihr lügt mich an.“
Ihre beiden Gegenüber zuckten zusammen und tauschten Blicke aus. Kirby sah sie an:
„Was…meinst du bitte?“
„Dass ihr mir nicht die Wahrheit sagt.“
Mae schaute Alexa und ihrem Kollegen nacheinander mitten ins Gesicht. Sie bekam lediglich unstete Blicke zurück und brach nach einer Weile das ungemütliche Schweigen:
„Ich möchte von euch wissen, was damals passierte, als ich fünfzehn oder siebzehn war. Ich möchte wissen, warum ich mich nicht mehr erinnere und ich möchte verstehen, warum ihr mir über das Zusammentreffen mit euch nicht reinen Wein eingeschenkt habt. Denn hier stinkt etwas gewaltig.“
Kirby setzte sich zu Mae an den Küchentisch und starrte nachdenklich durch sie hindurch, auch Alexa setzte sich neben sie und strich ihr über den Arm. Mae entzog ihn ihr.
„Ich dachte, wir seien Freunde. Aber Freunde lügen nicht. Wie soll ich mich schützen, wenn ich nicht weiß, was damals war? Also sagt es mir! Ich habe ein Recht drauf!“
Alexa atmete tief durch und blickte Kirby flehend an, doch der schüttelte den Kopf.
„Nein, Springs…ich denke, sie sollte es wissen. Es steht ihr zu. Es sind ihre Jahre, die ihr fehlen.“
Die Agentin zog eine Grimasse, als habe sie starke Zahnschmerzen und wandte sich Mae zu, die sie kampfeslustig und fordernd anschaute:
„Nunja…ich…wir…wir haben nicht alles gesagt, was wir wissen… Ich habe dir nicht alles gesagt, was wir wissen.“, sagte sie, als Kirby sie vorwurfsvoll anblickte.
„Mae…wir haben bei Akteneinsicht festgestellt, dass wir dich schon einmal getroffen haben. Doch daran denken wir nicht gerne. Die ACS hat damals einen riesigen Fehler gemacht, es sind uns Umstände durch die Lappen gegangen…wir…“
Sie stockte und sah auf einmal sehr hilflos aus. Mae nahm ihre Hand und blickte sie bittend an:
„Ich flehe dich an…erzähl’s mir!“
„Ach…es tut mir so leid. Ja, ich habe gelogen, ich dachte, es sei besser, wenn du es nicht weißt.
Inferno, Loki, wie du sie nennst, hat sich dir schon einmal angenähert. Sie hat vor ein paar Jahren unsere Stadt verwüstet, so wie sie es davor auch schon einmal tat…sie kommt immer wieder hierher. Und leider haben wir erst jetzt festgestellt, dass mit der Hauptgrund für ihre jetzige Rückkehr du bist. Damals, nach dem harten Kampf gegen sie und dem Verlust einer ganzen Einheit, war die Lawsonklinik natürlich Mittelpunkt des Geschehens, weil Inferno dort auf dich traf. Sie scheint von telekinetischen Schwingungen angezogen zu werden. Wir wissen nicht, ob sie dazu nicht fähig ist, oder ob es sie einfach fasziniert, Menschen zu finden, die es auch beherrschen, jedenfalls fand sie damals die Klinik und sie fand dich. Die ACS, die vom FBI zu Hilfe gerufen worden war, kümmerte sich um Inferno und das FBI um die Kinder. Du scheinst irgendwie durchgerutscht zu sein…jedenfalls warst du verschollen, eine lange Zeit…Niemand hat sich je vor dem Geheimdienst und der ACS so versteckt gehalten, wie du das getan hast, und wir suchten dich händeringend, da wir davon ausgehen mussten, dass Inferno sich dir irgendwann wieder nähern würde. Einmal hatten wir dich fast. Zwei unserer Agenten waren schon in deiner Nähe, doch haben sie den Fehler gemacht, vor dem Zugriff noch mal Essen zu gehen, statt dich gleich zu holen. Danach warst du wieder weg. Ich wollte dich nicht beunruhigen und momentan möchte ich dir auch noch verbieten, in deine Akte zu sehen. Du wirst es später dürfen, aber erst, wenn dies alles vorbei ist...bitte.“
Alexa hatte Tränen in den Augen. Mae saß da und starrte die Agentin an, ihr Gesicht war wächsern und sie verkrampfte die Finger ineinander.
„Ihr…ihr habt mich angelogen…Ihr habt gewusst, warum ich weglaufen konnte…du hast so getan, als sei dir alles ein Rätsel! Und…“
Mae schlug sich die Hände vor den Mund, jetzt, da sie erkannte:
„Ihr wart ….DIE…“
Die beiden Agenten schauten sich betroffen an.
„Ihr wart DIE!! Ihr habt mich jahrelang in Angst und Schrecken und auf der Flucht gehalten! Ich dachte, es seien die Leute von der Klinik, die mich wiederholen wollten! Ich bin vor euch geflüchtet, ich habe gehungert, ich habe gestohlen!! Ich war jahrelang nicht ich selbst…“
Das Mädchen zitterte wie Espenlaub, als sie tonlos weiter sprach:
„Ihr habt mich nur benutzt, richtig? Ihr habt mich benutzt um Loki wieder zu holen… Ihr habt mich gesucht um sie zu studieren und zu vernichten…ich bin euch gar nicht wichtig…“
„NEIN!! Um Gottes Willen, nein!“
Alexa nahm das zitternde Mädchen in die Arme.
„Inferno ist seit einiger Zeit wieder hier. Die Schäden, die sie anrichtet, werden jedes Mal größer und die Verluste in den eigenen Reihen auch. Wir behielten sie im Auge und sie tat das, was wir erhofften, sie führte uns direkt zu dir. Mae, sie war schon in Queens! Wir haben dich nur glücklicherweise schneller geschnappt. Dass du durch Kirby Zutritt zu ihr erhieltest, war für uns unglaublich! Sicherlich, wir beteten, dass es dir gelänge mit ihr irgendwie Kontakt aufzunehmen, um sie wieder hierher zu locken - Leider scheint es nicht wirklich ein Kontakt gewesen zu sein, sondern eher eine Halluzination, wobei diese erstaunlich echt zu sein schien - aber glaube uns: nie haben wir dich benutzen wollen. Das, was wir von dir erbaten war ehrlich und ohne Lügengeschichten an dich gerichtet gewesen. Wir haben ja nicht die Unwahrheit erzählt, wir…“
„Ihr habt nur mal schnell ein paar wichtige Details weggelassen! Zum Beispiel, dass sie mich sucht! Zum Beispiel, aus welchem Grund die Klinik aufflog! Zum Beispiel, dass ihr mich verfolgt habt! Jahrelang!“
Mae schluchzte nun laut und riss sich heftig los. Alexas Kaffeebecher stürzte um und der Inhalt floss über die karierte Tischdecke.
Alexa fluchte laut und trat vor verzweifeltem Zorn an das Tischbein. Allerdings galt das nicht dem Kaffee, sondern Mae, die unter lautem Türenschlagen den Raum verlassen hatte.