• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Kritik an den Memoiren von Helmut Kohl

Miriam

New Member
Registriert
26. Juni 2005
Beiträge
9.722
Vorweg dies:

Auch wenn die Memoiren von Helmut Kohl ein Buch sind, denke ich, dass wir darüber hier, bei Politik diskutieren sollten. Denn es geht keineswegs um die schriftstellerischen Qualitäten des Autors, sondern um etwas ganz anderen: um Geschichtsfälschung, falls die Anschuldigungen stimmen sollten.

Ich habe die Memoiren nicht gelesen, aber wohl einige Stellungnahmen und Kritiken dazu.
Im Mittelpunkt dieser Kritiken steht hauptsächlich die Darstellung der Wiedervereinigung, bei der Kohl einfach die Rolle Frankreichs (Mitterand) und Englands (Thatcher), nicht richtig wiedergibt. Denn sie werden als Gegner der Wiedervereinigung geschildert, und George Bush Sen. als einziger Unterstützer dieses wichtigen Ereignisses.

Der renommierte Historiker Tilo Schabert sagt: "Das grenzt an bewusste Geschichtsfälschung".

Und weiter Tilo Schabert:
"Ich bin mir über die Motive von Helmut Kohl nicht klar. Und man kann nur spekulieren - ob es falsche Wahrnehmungen waren oder Wahrnehmungslücken und auch ein gewisses Unverständnis von Personen. Ich würde sagen, er hat die Person von Mitterand schlichtweg nicht verstanden."

Nochmals Tilo Schabert:
"Es ist sehr bedauerlich, dass er in diesem Buch mit keinem Wort die Gespräche erwähnt 1982 und 1985 vor allem, bei denen François Mitterand ihn ausdrücklich aufgefordert hat, auf die deutsche Wiedervereinigung hinzuarbeiten, denn sie käme noch innerhalb dieses Jahrhunderts. Kohl war derjenige, der meinte: 'Nein, die wird Generationen dauern."

Dieser letzte Satz von Helmut Kohl lässt einem überhaupt sprachlos. Hat er die geschichtlichen Gegebenheiten verkannt, und leugnet er jetzt mit seiner Darstellung die Klarheit mit der Francois Mitterand die Ereignisse voraussah?

Ausserdem sehr bedenklich: dieser zweite Teil der Memoiren sind auch eine Abrechnung mit seinen innerparteilichen Gegnern: Richard von Weizsäcker, Norbert Blühm, Heiner Geißler.

http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/85751/index.html

und im Spiegel-Online

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,382435,00.html
 
Werbung:
Miriam schrieb:
Ich habe die Memoiren nicht gelesen, aber wohl einige Stellungnahmen und Kritiken dazu
- und ich werde diese Memoiren auch nicht lesen. Es scheint sich da wohl eher um eine Art reaktionärer bzw. revisionistischer "Fanlektüre" zu handeln???

Was mir jedoch bei der Debatte um dieses Buch auch sauer aufstösst, ist, daß mit keinem Wort die Rolle Michail Gorbatschows bei der deutschen Wiedervereinigung erwähnt wird. Dessen Unterstützung des Vereinigungsprozesses war es, die mir damals wesentlich erschien. Tja, so verschieden können wohl die Wahrnehmungen historischer Prozesse sein...
 
Hallo Gaius,

genau den Gedanken hatte ich auch: wieso wird hier Gorbatschow vergessen? Zurecht wird die Rolle von Mitterand erwähnt, aber derjenige, dem wir am meisten zu verdanken haben, bleibt Gorbatschow.

Ob so viele die Memoiren lesen werden, wage ich zu bezweifeln. Es wurden ja nur 100.000 Exemplare erstmal gedruckt, und wenn nun doch nachgelegt wird, dann ist es wahrscheinlich eher wegen der Fälschungen auf die von kompetenter Seite hingewiesen wurde. An und für sich, ist das schon ein Phänomen, wenn man etwas vom Verlagswesen kennt, und weiss, dass da erstmal lektoriert wird - und sicherlich wird in diesem Falle, nicht nur ein Lektor so ein Manuskript durchforsten.

M.E. handelt es sich aber hier nichteinmal um eine Fangemeinschaft. Aber als Tatsache, dass Geschichte so anders wiedergegeben werden kann, durchaus interessant.
 
Hallo Miriam,

ich kenne mich im Verlagswesen nicht so gut aus, vermute aber, daß bei Memoiren eine sehr subjektive Sichtweise durchgeht. Fatalerweise aber ist der Autor in diesem Falle selbst promovierter Historiker... :dontknow:

Dennoch ist die von französischer Seite geäußerte Befürchtung, Kohls Darstellung könnte sich im deutschen Geschichtsbewußtsein durchsetzen, sicherlich unbegründet. Nur ein paar ganz hartgesottene werden ihm Glauben schenken, ansonsten dürfte das Buch getrost im deutschen Kuriositätenkabinett abzulegen sein.
 
Kohl wird seinen Platz in der Geschichte behalten

Liebe Miriam,
bei aller Wertschätzung: Ich vermag Deine Position nicht zu teilen. Nun kenne ich (leider) die Memoiren von Kohl auch (noch) nicht; aber mich hat die Thematik der Wiedervereinigung teis auch professionell jahrelang beschäftigt.
Danach unterliegt es kaum einem vernünftigen Zweifel: Maggy wollte diese Vereinigung nicht; Mitterand zeigte einen Attentismus und Gorbatschow war für wenige Monate noch stark genug, sie im Kreml aus finanziellen Gründen durchzusetzen, aber schon zu schwach, um sie auf Wunsch Maggys noch verhindern zu können.
Schließlich bitte ich noch zu beachten: Es ist ein großer Unterschied, ob man ein Ergebnis wünscht oder es prognostiziert. Aus der Skepsis gegenüber den Chancen der Reunierung kann man nicht folgern, dass sie unerwünscht war. Ich selbst habe nicht mehr an sie geglaubt, aber der Tag des Mauerfalls war einer der glücklichsten meines Lebens.
 
Hallo Ziesemann,

ich wartete schon seit gestern auf deine Erwiderung. Warum? Weil ich weiss, dass du ein aufmerksamer Beobachter der politischen Ereignisse bist, und auf deinen Standpunkt war ich neugierig. Das heisst noch nicht umbedingt, diesen Standpunkt auch zu teilen. Aber mich interessieren sehr oft andere Positionen als die eigene.

Erst einmal etwas Grundsätzliches: von einem Punkt begleitet, erhielt ich gestern die Kritik - anonym abgegeben - dass ich hier im Forum manchmal zitiere. Was ist daran verwerflich? Ich übernehme manchmal Texte die eine Problematik enthalten, die mir diskussionswürdig erscheint. Und denke, dass das durchaus legitim ist. Der/diejenige die mir dies vorwirft hat wohl eins übersehn: wenn ich so etwas tue, folgt sicherlich auch eine Diskussion, in deren Verlauf ich meinen Standpunkt kund tue.

Nun zum Alt-altbundeskanzler Helmut Kohl und seinen Memoiren. Natürlich hat er seine grossen Verdienste gehabt aber man sollte auch die Schattenseiten nicht ausser Acht lassen. Zum Beispiel die Spendenaffäre, bei der weiterhin seine Rolle mindestens fragwürdig ist und bei der bewusst vermieden wird, dass wir, "das Volk" Einsicht bekommen.

@Ziesemann, du schilderst die Rolle von England und Frankreich ganz anders als in den Kritiken wiedergegeben. Und schon das ist einer Diskussion würdig. Ich wäre nicht ernst zu nehmen, wenn ich nun versuchen würde mit historischen Fakten deinen Standpunkt zu widerlegen.

Was aber hat mich wirklich aufgebracht bei den Memoiren? Dass er mit manchen CDU-Politikern abrechnet. Und ausgerechnet mit denen, die ich sehr schätze: Richard von Weizsäcker und Heiner Geißler - und auch bei Blühm frage ich mich, ob er dies verdient hat.

Auf weitere Standpunkte in dieser Diskussion bin ich gespannt.
 
Also mich gehen zwar eure Kanzlergeschichten als Österreicher nix an, trotzdem habe ich interessiert dem Wahlkampf zugeschaut.

Wo liegt eigentlich euer Problem liebe Deutschen Freunde, das eine Frau nun Kanzlerin ist ??? Die Briten hatten mit Maggy auch Anfangs auch keine Freude und auch sie war umstritten. Trotzdem hatte sie mit ihrer Härte und ihrem politischen Feingefühl allen bewiesen das sie´s kann.

Gebt der Merkel doch die Chance wie ihr sie seinerzeit Schröder gegeben habt !

Schlechter als Schröder kann sie es meiner Meinung eh nicht machen. Schröder war ein Blender und Medienkanzler und viele sind darauf reingefallen, selbst dann noch als er sich nach dem Verlust der Wahl als peinlicher Sieger gab.

Jeder hat eine Chance verdient und das Frau Merkel sehr zielstrebig ist hat sie, denke ich ausreichend bewiesen !
Oder ist euer Problem, das sie zum Makel eine Frau zu sein, auch noch aus dem Osten kommt ?

Grenzen und Mauern sind im Kopf liebe Freunde !
 
Hallo Fatboy,

könnte es sein, dass du dich im Thread vertan hast?
Das Thema "Bundeskanzlerin" ist eine Etage höcher . Nach dem Inhalt deines Beitrages, habe ich dies so interpretiert...
 
Miriam schrieb:
Erst einmal etwas Grundsätzliches: von einem Punkt begleitet, erhielt ich gestern die Kritik - anonym abgegeben - dass ich hier im Forum manchmal zitiere. Was ist daran verwerflich? Ich übernehme manchmal Texte die eine Problematik enthalten, die mir diskussionswürdig erscheint. Und denke, dass das durchaus legitim ist. Der/diejenige die mir dies vorwirft hat wohl eins übersehn: wenn ich so etwas tue, folgt sicherlich auch eine Diskussion, in deren Verlauf ich meinen Standpunkt kund tue.

Nun zum Alt-altbundeskanzler Helmut Kohl und seinen Memoiren. Natürlich hat er seine grossen Verdienste gehabt aber man sollte auch die Schattenseiten nicht ausser Acht lassen. Zum Beispiel die Spendenaffäre, bei der weiterhin seine Rolle mindestens fragwürdig ist und bei der bewusst vermieden wird, dass wir, "das Volk" Einsicht bekommen.

Was aber hat mich wirklich aufgebracht bei den Memoiren? Dass er mit manchen CDU-Politikern abrechnet. Und ausgerechnet mit denen, die ich sehr schätze: Richard von Weizsäcker und Heiner Geißler - und auch bei Blühm frage ich mich, ob er dies verdient hat.
.

Liebe Miriam,
die Kritik an Zitaten vermag ich überhaupt nicht nachzuvollziehen. Und Anonymes soll man sofort auch gedanklich dahin werfen, wohin es gehört: In den Müll.
Ich gebe Dir gegenüber der Kritik an Kohl eines zu bedenken: Stell Dir vor, 1989 hätte der Kanzler Lafontaine geheißen, jener Egomane, dem "Paris näher liegt als Leipzig" und, fügte er hinzu, damit ihn keiner missverstehen sollte: "...das meine ich nicht nur geographisch". Als seine Berater ihn drängten, im Wahlkampf 1990 doch wenigstens einmal zu sagen, dass auch er sich über die Wiedervereinigung freue, antwortete er: "Aber ich freue mich nicht." Die Quittung bekam er im Dezember 1990 mit einer großen Wahlniederlage der SPD.
OK, die Spendenaffäre. Aber Bismarck schuf das Deutsche Reich 1871, weil er den wegen seiner verschwenderischen Bauten ewig in Geldnöten steckenden bayerischen König Ludwig II mit Milionnenbeträgen aus einem "Reptilienfonds" bestach, damit dieser König zustimmte. - Höre ich deswegen Kritik an Bismarck?
Abrechnung mit ehemaligen Weggefährten? Sie haben es ihm auch teilweise nicht leicht gemacht, gerade auch solche, die ihre politische Karriere ihm zu verdanken haben. Alles was der auch von mir geschätzte v. Weizsäcker, zweifellos der intellektuellste aller unserer Staatsoberhäupter, wurde, verdankte er Vorschlag und Einfluss von Helmut Kohl.
Lass mich schweigen von Norbert Blüm. - Der faselte doch noch 1998 rum "De Rende is sischer", als wegen des Geburtenkolapses für bereits für jedermann erkennbar war, dass sie genau dies eben nicht mehr war, nicht mehr sein konnte.
 
Werbung:
Warum müssen seine Memoiren wahr und vollständig sein?

Wenn jemand seine Memoiren schreibt, schreibt er/sie aus subjektiver Sicht.
Es wird doch kein Anspruch auf geschichtliche Wahrhaftigkeit erhoben.

Warum soll also Helmut Kohl nicht aus seiner persönlichen Sicht berichten?
Schreibt er irgendwo, das es so war und nicht anders?
Es ist seine Sicht der Dinge.

Natürlich ist es auch unser Recht, an seiner Darstellung zu zweifeln.
 
Zurück
Oben