Mit Grüßen
Katharina
Krieg und Frieda
Das Ganze ist ein Intellektuellenficktrick, sonst nichts.
Tick, Trick und Track, skandiert der Chor der geistlosen Männer. Mickeymousehefte rascheln. Vielleicht ist auch der eine oder der andere Playboy dabei, wer weiß.
Richards Gesicht wird streng. Wir wollen doch nicht platt werden. Wie mit der flachen Hand geschlagen kommt das über den Tisch geflogen. Weil du auch immer alles so vereinfachen musst!
Und Frieda: Du willst doch nur deinem Wahrscheinlichkeitsgesetz auf die Sprünge helfen.
Hoppe, Hoppe Reiter, singt im Hintergrund der Chor der geistlosen Männer, Richard stapelt fünf politische Theorien aufeinander und schiebt sie zur Seite, damit der Kellner Platz für das Tablett hat. Eine Melange, ein Glas Wasser für Richard, ein Campari Soda für Frieda.
Frieda öffnet ihre Tasche, ein riesiges, unförmiges Ding, kramt herum und zieht schließlich eine kleinere Tasche hervor.
Babuschka, Babuschka, Babuschka, singt der Chor der geistlosen Männer. Schon mal in Weiberrockhöhlen gevögelt?
Mit einem Ratschen, das so endgültig klingt, so kompromisslos, dass Richard die Milch fast sauer wird, zieht sie den Reißverschluss auf.
Warum sieht sie ihn so triumphierend an? Sicherheitshalber greift Richard nach einer politischen Theorie und hält sie sich vor die Brust. Man kann nie wissen, was Frieda so einfällt.
Der Krieg in Nahost, fängt er an, verliert aber sofort wieder den Faden, den roten. Wegen des Lippenstifts, den Frieda aus dem Täschchen gezogen hat.
Rot wie Blut, sagt sie. Von Dior, ist scheißteuer.
Man muss schon was tun, sagt sie und zieht den Lippenstift über ihre Lippen, die rot, die blutrot werden. Ohne zu tropfen. Klebeblutrot. Und sie hat nicht einmal einen Spiegel gebraucht.
Kussecht!, stellt sie fest und das ist eine Kriegserklärung, Richard greift nach der zweiten politischen Theorie. Das heißt, er will nach ihr greifen, aber da bleibt ihm die Hand in der Luft stehen. Was ist denn das? Hat Frieda ihm tatsächlich ihren Fuß zwischen die Beine geschoben?
Frieda!, leise, scharf sein Ton.
Ist was?
Ja, ein spitzer Schuh da unten und die politische Theorie da oben. Scheiße, verdammte Scheiße. Richards Blut weiß nicht, wo es zuerst hinsteigen soll. Nicht nach unten, fleht Richard sein Blut an. Aber was versteht schon so ein Männerblut.
Ein Klacken, Frieda hat den Schuh abgestreift, jetzt wühlt sich eine gierige Schlange zwischen seine Beine.
Ich hab dir doch gesagt, dass das nichts wird mit uns beiden, sagt der Richardmund, der Richardschwanz spricht eine andere Sprache, Frieda sagt: Wie kommst du denn jetzt darauf? Ich dachte, wir wollten Persönliches von Politischem trennen? Seidiges Rascheln unter dem Tisch, der Friedafuß steckt wieder im Friedaschuh und der Richardschwanz ist allein.
Richard legt sich eine politische Theorie auf den Schoß, damit er sich da unten nicht ganz so einsam fühlt. Frieda greift in ihr Taschenmonster und zaubert einen riesigen Notizblock hervor.
Lass uns endlich arbeiten, sagt sie und schraubt die Kappe ihrer Füllfeder auf. Richtet ihren Blick erwartungsvoll auf Richard.
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide! Das ist der Chor der geistreichen Männer. Man trägt sportive Designerhosen und Designersakkos, die Krawatten sind schmal und dezent gemustert. Das Ganze mäßig bewegt in Form und Farbe.
Gib der Liebe eine Chance!, intoniert der Chor der Geistlosen, hält aber nicht durch, verfällt immer wieder in dreckiges Lachen und wird deshalb des Platzes verwiesen. So nicht, meine Herren. Der Haufen schiebt ab in Richtung Klo.
Richard schiebt seinen Kaffee an die Seite und breitet seine politischen Theorien auf dem Tisch aus. Er tut so, als ob er in ihnen herumblättern würde. Er sucht etwas. Frieda schaut teilnahmslos in der Luft herum, dann hebt sie sich den Notizblock an den Mund und presst ihre Lippen auf das Papier.
Da schaust du, was!, sagt sie.
So kann man nicht arbeiten!, Richard ist strenger, als es die Polizei erlaubt, Frieda macht ein Schmollmündchen. Aber hallo!
Das ewig Weibliche zieht uns hinan, der Chor der geistreichen Männer wird von Friedas Schmollmund angezogen, als ob er ein Wurmloch wäre. Wenn der Chor der geistreichen Männer nicht aufpasst, wird er schwuppdiwupp eingesaugt werden und auf ewig im Friedaschen Wurmloch verschwunden sein. Ein paar Krawatten sind schon in den Sog geraten, sie flattern sehnsüchtig in ihre Richtung. Eine fällt in Richards Kaffeetasse und spritzt, erneut in die Höhe gerissen, wie blöd in der Gegend herum.
Das ist eine Sauerei, rügt Frieda im Lehrerton. Pass doch ein bisschen auf!
Richard reißt das Kussmundblatt vom Notizblock. Energisch, energisch, energisch. Das mögen die Frauen, das mag auch Richard. Er hat sich ermannt und ehe Frieda es sich versieht, hat er ihr die Füllfeder aus der Hand genommen.
Zack, Zack, Zack, ein Stichwort nach dem anderen wird aufs Papier geworfen. Der Kussmundzettel liegt achtlos auf der Seite, ein Kussmundzettel ist nichts, ist absolut gar nichts gegen einen Stichwortzettel. Frieda ist fasziniert, weil Richard so eine Energie hat. Der Chor der geistreichen Männer intoniert – ausnahmsweise – einen Schlager (So ein Mann, so ein Mann, zieht mich unwahrscheinlich an...), Frieda wiegt ihren Oberkörper im Takt, was Richard jedoch aus dem Konzept bringt.
Lass das, so kann man nicht arbeiten.
Frieda greift ein letztes Mal in die Babuschka. Okay, okay, sie hat ohnehin noch einen Kugelschreiber im Bauch. Aber was ist es, das da zum Vorschein kommt? Ein Kondom ist es, das da zum Vorschein kommt, als sie die Hand aus der Tasche herauszieht. Als ob Kondom und Kugelschreiber irgendeine Ähnlichkeit hätten!
Das ist Absicht! Absicht, Absicht, Absicht, der Chor der geistreichen Männer hat sich hinter Richard aufgestellt. Frieda macht TsTsTs, Was hat denn ein Kondom am Kaffeehaustisch zu suchen?, präzisiert sie und schwupps, ist es auch schon wieder weg. Verschwunden in ihrer Tasche. Richard ist noch da. Ist immer noch da, aber seine Konzentration ist nicht mehr da. Auch sie, im Bauch der Babuschka. Frieda schaut unschuldig, als ob sie kein Wässerchen trüben könnte. Auch nicht das Miniaturwässerchen, das Richard jetzt in sich hineintrinkt.
Er schaut auf die Uhr.
Herr, es ist Zeit, sekundiert ihm der Chor der geistreichen Männer.
Frieda schlägt die Augen nieder. Klimper, klimper, klimper, das sind ihre Lider.
Die geistlosen Männer des Chores der geistlosen Männer grölen im Hintergrund. Gleich neben der Tür zum Klo haben sie sich niedergelassen und trinken ein Achtel nach dem anderen. Als ob hier ein Heuriger wäre. Die geistreichen Männer der Chores der geistreichen Männer kriegen Kopfweh. Sie müssen gehen, was zu viel ist, ist zuviel.
Richard sagt nicht: Ich hab noch einen Termin, Frieda sagt nicht. Jetzt zier dich doch nicht so, weil Richard und Frieda ein Richard-Und-Frieda-Pärchen werden müssen. So steht es in Friedas Tagebuch geschrieben. Unter A wie Angriff ist die beste Verteidigung.
Katharina
Krieg und Frieda
Das Ganze ist ein Intellektuellenficktrick, sonst nichts.
Tick, Trick und Track, skandiert der Chor der geistlosen Männer. Mickeymousehefte rascheln. Vielleicht ist auch der eine oder der andere Playboy dabei, wer weiß.
Richards Gesicht wird streng. Wir wollen doch nicht platt werden. Wie mit der flachen Hand geschlagen kommt das über den Tisch geflogen. Weil du auch immer alles so vereinfachen musst!
Und Frieda: Du willst doch nur deinem Wahrscheinlichkeitsgesetz auf die Sprünge helfen.
Hoppe, Hoppe Reiter, singt im Hintergrund der Chor der geistlosen Männer, Richard stapelt fünf politische Theorien aufeinander und schiebt sie zur Seite, damit der Kellner Platz für das Tablett hat. Eine Melange, ein Glas Wasser für Richard, ein Campari Soda für Frieda.
Frieda öffnet ihre Tasche, ein riesiges, unförmiges Ding, kramt herum und zieht schließlich eine kleinere Tasche hervor.
Babuschka, Babuschka, Babuschka, singt der Chor der geistlosen Männer. Schon mal in Weiberrockhöhlen gevögelt?
Mit einem Ratschen, das so endgültig klingt, so kompromisslos, dass Richard die Milch fast sauer wird, zieht sie den Reißverschluss auf.
Warum sieht sie ihn so triumphierend an? Sicherheitshalber greift Richard nach einer politischen Theorie und hält sie sich vor die Brust. Man kann nie wissen, was Frieda so einfällt.
Der Krieg in Nahost, fängt er an, verliert aber sofort wieder den Faden, den roten. Wegen des Lippenstifts, den Frieda aus dem Täschchen gezogen hat.
Rot wie Blut, sagt sie. Von Dior, ist scheißteuer.
Man muss schon was tun, sagt sie und zieht den Lippenstift über ihre Lippen, die rot, die blutrot werden. Ohne zu tropfen. Klebeblutrot. Und sie hat nicht einmal einen Spiegel gebraucht.
Kussecht!, stellt sie fest und das ist eine Kriegserklärung, Richard greift nach der zweiten politischen Theorie. Das heißt, er will nach ihr greifen, aber da bleibt ihm die Hand in der Luft stehen. Was ist denn das? Hat Frieda ihm tatsächlich ihren Fuß zwischen die Beine geschoben?
Frieda!, leise, scharf sein Ton.
Ist was?
Ja, ein spitzer Schuh da unten und die politische Theorie da oben. Scheiße, verdammte Scheiße. Richards Blut weiß nicht, wo es zuerst hinsteigen soll. Nicht nach unten, fleht Richard sein Blut an. Aber was versteht schon so ein Männerblut.
Ein Klacken, Frieda hat den Schuh abgestreift, jetzt wühlt sich eine gierige Schlange zwischen seine Beine.
Ich hab dir doch gesagt, dass das nichts wird mit uns beiden, sagt der Richardmund, der Richardschwanz spricht eine andere Sprache, Frieda sagt: Wie kommst du denn jetzt darauf? Ich dachte, wir wollten Persönliches von Politischem trennen? Seidiges Rascheln unter dem Tisch, der Friedafuß steckt wieder im Friedaschuh und der Richardschwanz ist allein.
Richard legt sich eine politische Theorie auf den Schoß, damit er sich da unten nicht ganz so einsam fühlt. Frieda greift in ihr Taschenmonster und zaubert einen riesigen Notizblock hervor.
Lass uns endlich arbeiten, sagt sie und schraubt die Kappe ihrer Füllfeder auf. Richtet ihren Blick erwartungsvoll auf Richard.
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide! Das ist der Chor der geistreichen Männer. Man trägt sportive Designerhosen und Designersakkos, die Krawatten sind schmal und dezent gemustert. Das Ganze mäßig bewegt in Form und Farbe.
Gib der Liebe eine Chance!, intoniert der Chor der Geistlosen, hält aber nicht durch, verfällt immer wieder in dreckiges Lachen und wird deshalb des Platzes verwiesen. So nicht, meine Herren. Der Haufen schiebt ab in Richtung Klo.
Richard schiebt seinen Kaffee an die Seite und breitet seine politischen Theorien auf dem Tisch aus. Er tut so, als ob er in ihnen herumblättern würde. Er sucht etwas. Frieda schaut teilnahmslos in der Luft herum, dann hebt sie sich den Notizblock an den Mund und presst ihre Lippen auf das Papier.
Da schaust du, was!, sagt sie.
So kann man nicht arbeiten!, Richard ist strenger, als es die Polizei erlaubt, Frieda macht ein Schmollmündchen. Aber hallo!
Das ewig Weibliche zieht uns hinan, der Chor der geistreichen Männer wird von Friedas Schmollmund angezogen, als ob er ein Wurmloch wäre. Wenn der Chor der geistreichen Männer nicht aufpasst, wird er schwuppdiwupp eingesaugt werden und auf ewig im Friedaschen Wurmloch verschwunden sein. Ein paar Krawatten sind schon in den Sog geraten, sie flattern sehnsüchtig in ihre Richtung. Eine fällt in Richards Kaffeetasse und spritzt, erneut in die Höhe gerissen, wie blöd in der Gegend herum.
Das ist eine Sauerei, rügt Frieda im Lehrerton. Pass doch ein bisschen auf!
Richard reißt das Kussmundblatt vom Notizblock. Energisch, energisch, energisch. Das mögen die Frauen, das mag auch Richard. Er hat sich ermannt und ehe Frieda es sich versieht, hat er ihr die Füllfeder aus der Hand genommen.
Zack, Zack, Zack, ein Stichwort nach dem anderen wird aufs Papier geworfen. Der Kussmundzettel liegt achtlos auf der Seite, ein Kussmundzettel ist nichts, ist absolut gar nichts gegen einen Stichwortzettel. Frieda ist fasziniert, weil Richard so eine Energie hat. Der Chor der geistreichen Männer intoniert – ausnahmsweise – einen Schlager (So ein Mann, so ein Mann, zieht mich unwahrscheinlich an...), Frieda wiegt ihren Oberkörper im Takt, was Richard jedoch aus dem Konzept bringt.
Lass das, so kann man nicht arbeiten.
Frieda greift ein letztes Mal in die Babuschka. Okay, okay, sie hat ohnehin noch einen Kugelschreiber im Bauch. Aber was ist es, das da zum Vorschein kommt? Ein Kondom ist es, das da zum Vorschein kommt, als sie die Hand aus der Tasche herauszieht. Als ob Kondom und Kugelschreiber irgendeine Ähnlichkeit hätten!
Das ist Absicht! Absicht, Absicht, Absicht, der Chor der geistreichen Männer hat sich hinter Richard aufgestellt. Frieda macht TsTsTs, Was hat denn ein Kondom am Kaffeehaustisch zu suchen?, präzisiert sie und schwupps, ist es auch schon wieder weg. Verschwunden in ihrer Tasche. Richard ist noch da. Ist immer noch da, aber seine Konzentration ist nicht mehr da. Auch sie, im Bauch der Babuschka. Frieda schaut unschuldig, als ob sie kein Wässerchen trüben könnte. Auch nicht das Miniaturwässerchen, das Richard jetzt in sich hineintrinkt.
Er schaut auf die Uhr.
Herr, es ist Zeit, sekundiert ihm der Chor der geistreichen Männer.
Frieda schlägt die Augen nieder. Klimper, klimper, klimper, das sind ihre Lider.
Die geistlosen Männer des Chores der geistlosen Männer grölen im Hintergrund. Gleich neben der Tür zum Klo haben sie sich niedergelassen und trinken ein Achtel nach dem anderen. Als ob hier ein Heuriger wäre. Die geistreichen Männer der Chores der geistreichen Männer kriegen Kopfweh. Sie müssen gehen, was zu viel ist, ist zuviel.
Richard sagt nicht: Ich hab noch einen Termin, Frieda sagt nicht. Jetzt zier dich doch nicht so, weil Richard und Frieda ein Richard-Und-Frieda-Pärchen werden müssen. So steht es in Friedas Tagebuch geschrieben. Unter A wie Angriff ist die beste Verteidigung.