Antw. an claus, miriam und suche
Ab 1965 habe ich regelmäßig jedes Jahr - manchmal mehrmals - die DDR besucht. 1983 entdeckte ich die nachfolgende Parole in einer öffentlichen Herrentoilette in Plauen (Sachsen)
und direkt davor saß ein ziemlich griesgrämiger Wärter. Wie viel schwarzen Humor muss gehabt haben, wer das Riesenplakat ausgerechnet dort plazierte. Ich kenne ihn nicht, aber ich bin mir sicher: Ein Kommunist war der nicht.
Auch ich finde den Beitrag suches (# 22) – altersmild formuliert – nicht gerade gelungen; er könnte, das hat Claus erkannt, geradezu der Verharmlosung des Kommunismus und seiner Vertreter dienen. Wenn es schlimmer denn nicht war... , Aber man sollte suche immerhin attestieren, dass sie beim Thema "Kommunismus" geblieben ist, während andere in diesem Zusammenhang etwas vom Neoliberalismus redeten, der überhaupt erst in den 50er Jahren Wirkung entfaltete.
Man mag dem suchenden Beitrag vorwerfen, dass er persönlich, zu persönlich gehalten ist; aber ich habe schon mehrmals erlebt, dass in diesem Forum sehr Privates, gewissermaßen Privatissimes, detailliert ausgebreitet wurden. Gemessen daran ist suches posting bescheiden-zurückhaltend.
Und wenn ich mich belustigen wollte über Kabarettreifes, lieber Claus, könnte ich täglich hier vielfach fündig werden.
Miriam, auf Deinen Sachbeitrag, also einen Beitrag zur Sache, war ich neugierig, aber ich habe in # 23 trotz angestrengten Suchens einen solchen nicht entdecken können; statt dessen beschäftigt er sich ausschließlich mit suche.
(Sollten da gar alte Rechnungen beglichen werden? Aber nicht doch bitte.)
Doch nun zurück ad rem.
Mit etwas gutem Willen kann man in # 22 sehr wohl etwas entdecken, was für kommunistisches Denken (aber nicht nur dort, gewiss, gewiss, bevor sich Protest erhebt!) charakteristisch ist: Das dialektische Denken in Freund/Feind-Kategorien. Schon wieder etwas Kabarett, aber genau auf dieser Schiene lief hochoffiziell jahrzehntelang die Propagandamaschine des SED-Politbüros: Ein Gewehr in der Hand eines Soldaten der NATO, besonders bei einem US-Soldier, ist eine Angriffswaffe des kapitalistischen Imperialismus und bundesdeutschen Revanchismus gegen die friedliebende Sowjetunion und ihrer Brudervölker; dagegen ist das Gewehr eines NVA-Soldaten ein Abwehrmittel zur Verteidigung der sozialistischen Errungenschaften des Arbeiter- und Bauernstaates, des „ersten demokratischen Staates auf deutschem Boden“.
Auf dem Höhepunkt der Nachrüstungsdebatte (1982) organisierte die SED in der DDR Demonstrationszüge gegen die Pershing II, die in der BRD stationiert waren. Und so marschierten denn die tapferen Protestler u.U. ein paar hundert Meter vorbei an unbehelligten Stützpunkten der sowjetischen, atomar bestückten SS-20, um auf einem Marktplatz in Schneeberg (Sachsen) den Anti-NATO-Parolen zu lauschen.
Claus wird jetzt böse werden; aber sorry, nachdem die Diskussion so gelaufen ist, muss es sein. Natürlich hat Karl Marx Gulag nicht gewollt, so wenig wie einer der geistigen Wegbereiter des NS, Carl Schmitt (bitte nicht mit Carlo Schmid verwechseln) die Vernichtung der Juden wünschte; aber, dieser „gnadenlose Egozentriker“ Marx klassifizierte seine Kritiker hemmungslos ab als verbohrt-dumm oder abgrundtief bösartig – meistens waren sie bei ihm gleich beides. Er konnte sich gar nicht vorstellen, dass man intelligent sein und trotzdem seine Lehre für falsch erachten kann. Marx schreibt: „Die Waffe der Kritik kann die Kritik der Waffen nicht ersetzen“ (im Kontext: Anwendung von Gewalt zum Sturz der bürgerlichen Gesellschaft). Wer so formuliert, zieht den Talar des Gelehrten aus und den Kampfanzug des Agitators an.
Keine Frage, Claus, dass ich mit diesem Zitat der geistigen Größe Marx nicht gerecht werde, kann das in diesem Rahmen auch nicht. Schließen möchte ich mit einer Anekdote: Otto Wels (1873-1939) wandte sich um 1900 an seinen SPD-Parteivorsitzenden, den Genossen August Bebel (1840-1913), und klagte „Ich habe ‚Das Kapital’ schon im ersten Band nicht verstanden. „Gräme Dich nicht“, lautete die Antwort, „ich habe auch nicht weitergelesen.“
Auch bei einem ernsten Thema kann Heiterkeit aufkommen – doch bitte nicht auf Kosten der Teilnehmer.
Beste Grüße an (in alphabetischer Reihenfolge) claus, miriam und suche.
Ziesemann