AW: ich bin kein einzelfall!
Hallo Kathi,
genau das ist der Punkt: das "System" hat eine unangenehme, systemimmanente Eigenart: es hält sich per se für "richtig". Fehler ausgeschlossen.
Wenn ich gefragt werde, wie ich mir ein anderes (Schul-)system vorstellen könnte, versuche ich als erstes, eben *diesen* Fehler nicht nachzumachen. Als einzelner könnte ich daher keinen vollständigen Entwurf eines "besseren" Systems abgeben. Das wäre mit gleicher Münze anmaßend.
Aber das Schulsystem ist in gewisser Weise auch nur der Spiegel der Gesellschaft an sich. Konkret: der Spiegel des in den Köpfen verankerten Leistungsdenkens. Es gilt überall in Europa der Grundsatz: du mußt BESSER sein (als die anderen). Dieser Gedanke wird nicht als das entlarvt, was er eigentlich ist: krank. Etwa so krank wie die Verankerung des Prinzips des "stetigen Wachstums" der Wirtschaft im Grundgesetz. Einmal unverrückbar als Paradigma verankert wird es einfach nicht mehr hinterfragt - und generiert sozusagen aus dem geistigen Hinterhalt als Folge ständig neues Leid, das dann generationsweise perpetuiert wird. Zeigt man als einzelner mit dem Finger auf dieses Problem, rotten sich sofort alle umstehenden Systemgläubigen zu einer Angriffsformation zusammen, denn ihr Weltbild ist (gefühlt) bedroht.
Kinder haben einen sehr natürlichen Instinkt für alles was "falsch" läuft. Unbewußt suchen sie nach einem Ausweg, können aber - mangels bewußter Strategien und mangels Macht - häufig nur Lösungen praktizieren, die in der realen Welt neue Probleme schaffen. Das Kind, das den Schulstreß als unmenschlich überzogene Leistungsanforderung identifiziert und damit völlig im Recht ist, kann ja schlecht einfach wochenlang zuhause bleiben. Also wird es wohl krank werden. Oder verhaltensauffällig. Und schon kommt irgend so ein Trottel von schlauem Lehrer auf die Idee, dem Kind müsse "geholfen" werden... die Eltern sollen womöglich noch zum Vollstrecker des barbarischen Leistungsdenkens gemacht werden.
Aber: das Kind ist nicht das Problem. Die Eltern sind nicht das Problem. Nicht einmal der unaufmerksame Lehrer ist das Problem. Sondern diese gefährliche Eigendynamik auf der ganzen Welt, daß diese Sucht nach immer mehr an Besitz die Seelen der Menschen vergiftet. Es wird überall verglichen und konkurriert. Auf die einen vergleichenden und konkurrierenden Menschen reagieren die anderen wieder mit Vergleichen und Konkurrenz. Daraus resultiert der dumme Irrglaube: "ich muß mich mehr anstrengen" (wieso?). Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben (warum?). Und, besonders schlimm: mein Kind soll es besser haben... (wozu?)
Ich behaupte: alle Probleme der menschlichen Zivilisation beruhen auf dem Wahn nach Anpassung. Anstatt Mißstände anzuprangern, zu analysieren und Utopien schrittweise in die Wirklichkeit umzusetzen, meinen die allermeisten: jo mei, des is halt so. Da mußt dich halt anpassen. Mußt schauen, wie du dich da durchwurschelst... und es finden sich Milliarden Affen auf dieser Welt, die schon so verblödet sind, daß sie dich auch noch dazu auffordern: jetzt rebellier' doch nicht, des bringt doch nix...
Tatkraft wird zu pubertierender Rebellion umgedeutet. Wahrheitsliebe zu Naivität.
Auf diese Weise können die Machtmenschen weiterhin diesen Planeten und ihre Bewohner ausbeuten und zerstören.
Vielleicht dazu passend ein Zitat aus "Die Matrix": "ihr Menschen seid eine Krankheit..."
Der Rote Baron