AW: Klavierkompositionen von Friedrich Nietzsche
Nietzsche hat einige seiner Kompositionen Hans von Bülow, damals der bekanntestes Wagnerdirigent, dem Wagner die dafür Liszttochter Cosima ausspannte, vorgelegt. und eine vernichtende Beurteilung erfahren.
Dazu:
"Das Urteil Hans von Bülows über die Musik Nietzsches
Nietzsche war natülich im Hause Wagner der Name Hans von Bülow nicht unbekannt geblieben - und so sandte er ihm seine "Geburt der Tragödie" zu (1872). Nach einem Besuch in Basel - Wagner bereitete sich bereits auf die Abreise nach Bayreuth vor - sah man sich in München wieder, wo Hans von Bülow auf Geheiß Ludwig II. und gegen den Willen Wagners Tristan und Isolde dirigierte.
Für "den erhabensten Kunsteindruck meines Lebens" dankend, nahm Nietzsche dies zum Anlaß, Hans von Bülow seine Manfred-Meditation zur Beurteilung vorzulegen. In einem selbstironischen Anschreiben nannte er seine Musik "zweifelhaft", gar "entsetzlich". Diese Selbstqualifizierung Nietzsches hielt Bülow jedoch nicht ab, eine ehrliche Antwort zu geben. Es handele sich um "das Extremste von phantastischer Extravaganz", das "Unerquicklichste und Antimusikalischste", was ihm seit langem zu Gesicht gekommen sei. Ob das Ganze ein Scherz sei, eine musikalische Parodie auf die "Zukunftsmusik"? Habe er mit Bewußtsein allen Regeln der Tonverbindung, der höheren Syntax wie der gewöhnlichen Rechtschreibung, Hohn gesprochen? Sein musikalisches Fieberprodukt sei in der Welt der Musik das gleiche wie ein Verbrechen in der moralischen Welt, die Muse der Musik, Euterpe, sei genotzüchtigt worden. Wenn er ihm einen guten Rat geben solle für den Fall, daß er "die Aberration ins Componiergebiet" wirklich ernst gemeint habe, dann möge er Vokalmusik komponieren, da könne das Wort "auf dem wilden Tonmeere" das Steuer führen. So sei seine Musik noch "entsetzlicher", als er es selbst meine: nämlich in höchstem Maße schädlich für ihn selbst. Immerhin sei in dem "musikalischen Fieberprodukte" bei aller Verirrung ein distinguierter Geist zu spüren, und in gewissem Sinne sei er selbst, mit der Aufführung des Tristan, indirekt daran schuldig, "einen so hohen und erleuchteten Geist wie den Ihrigen, verehrter Herr Professor, in so bedauerliche Klavierkrämpfe gestürzt zu haben." (W. Ross, Der ängstliche Adler, S. 321 f.)
Nietzsche besaß jedenfalls genügend Freimut, den Brief seinen Freunden mitzuteilen, und so schrieb er etwa an Erwin Rohde: "Der Brief Bülows ist für mich unschätzbar in seiner Ehrlichkeit, lies ihn, lache mich aus und glaube mir, daß ich vor mir selbst in einen solchen Schrecken geraten bin, um seitdem kein Klavier anrühren zu können."
Auch dem Kapellmeister Friedrich Hegar (s. Wagner-Seite / Triumphlied) hatte Nietzsche seine Manfred-Meditation 1874 zugeschickt. Zur Rücksendung schrieb ihm dieser: "... ich hoffte immer, dieselbe persönlich zurückbringen und Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen zu können, wie sehr mich vieles interessierte, namentlich die Art und Weise, wie Sie der zu Grunde liegenden Stimmung musikalisch Ausdruck zu geben versuchen. Freilich fehlt dem ganzen, was die Gestaltung der musikalischen Ideen anbetrifft, die Erfüllung gewisser architektonischer Bedingungen so, daß mir die Komposition mehr den Eindruck einer stimmungsvollen Improvisation als eines durchdachten Kunstwerks macht." (Janz I, 580)"
Aus:
http://www.f-nietzsche.de/musik.htm
Gruß Fritz