Betty
(1814-
Paoli
1894)
Kein Gedicht
A vingt-cinq ans le coeurse
brise ou se bronze.
Chamfort.
O wäre mir das heitre Los gefallen,
Das still beglückend andern Frauen fällt,
In schirmender Beschränkung hinzuwallen
Durch eines engen Kreises kleine Welt;
Mein Herz gleich einer Blume zu verschließen
Vor jedem Sturm und jedem Weh der Zeit,
Des Lebens Freuden harmlos zu genießen
In ahnungsloser Unbefangenheit!
Doch anders hat sich mein Geschick gewendet,
Ein Kampfplatz nur war meine Lebensbahn;
Der Kindheit Blütenruh ward mir entwendet
Und hingeopfert einem eitlen Wahn!
In starrem Zwang verflossen jene Tage,
In strenge Regeln ängstlich eingeschult,
Indessen meines jungen Herzens Klage
Um frische Luft und Sonnenlicht gebuhlt.
Ich rang dawider, doch es war vergebens,
Und als ich nun entwachsen jener Zucht,
Das drang die feindlich finstre Macht des Lebens
Wild auf mich ein mit ihrer ganzen Wucht.
Mich schirmte keines Freundes treues Lieben,
Durch meinen Frost drang keines Herzen Glut,
Und in die Fremde ward ich fortgetrieben
Ohn' andre Stütze als den eignen Mut.
Was ich bedurfte, mußt' ich selbst erringen,
Auskämpfen selber jeden herben Streit,
Und drückend lasteten auf meinen Schwingen
Die schweren Fesseln der Notwendigkeit.
Weh jedem, der in seinem Thun und Lassen
Dem inneren Gesetz nicht folgen kann!
Mein Unglück läßt sich in zwei Worte fassen:
Ich war ein Weib und kämpfte wie ein Mann!
Daß ihm am Tag der Schlacht die Wehr nicht fehle,
Erwarb mein Geist sich Schärfe, Kraft und Licht,
Doch blütenlos blieb meine ernste Seele -
Im Waffenkleid pflegt man der Blumen nicht.
Nur einmal wagt' ich, Besseres zu hoffen;
Verheißend lag vor mir ein schönes Glück;
Doch kaum erblüht, sank es, zu Tod getroffen,
Und eine Wunde nur blieb mir zurück.
So glitt fast ungeahnt an mir vorüber
Des Liebefrühlings träum'rische Gestalt,
Und trüber ward mein Sinn und immer trüber,
Mein Herz, gleichwie die Toten, schwer und kalt.
Und wie vom Hauch der herbstlich scharfen Winde
Sich rauh verhärtet manch ein zartes Reis:
So legte sich um mein Gemüt die Rinde
Des Lebensüberdrusses, starr wie Eis.
Und nun, da schon mein bess'res Teil im Grabe,
Da meine Stirn des Zweifels Brandmal trägt,
Nun, da ich es schon fast vergessen habe,
Was einst so stürmisch meine Brust bewegt;
Nun, da im Lebenssande meine Zähren
Versickert längst, da ich mit stolzem Sinn
Nichts mehr vermissend, alles kann entbehren,
Tritt deine Liebe leuchtend zu mir hin!
Suchst du denn Rosen unterm Leichentuche,
Und grünes Laub am blitzzerschellten Stamm?
Zu spät! Der Segen wird an mir zum Fluche -
Mein Schicksal ist ein andrer Bileam!
O warum bist du damals nicht gekommen,
Als ich nach Liebe suchte, nach ihr rief?
Jetzt kann mir dein Erscheinen nicht mehr frommen,
Denn meine Sonne steht schon allzutief! -
Das Weib, das aus den häuslichen Bezirken
Heraustrat in das brausende Gewühl,
Mit eigner Hand zu schaffen und zu wirken,
Gezwungen, zu beherrschen sein Gefühl;
Das, fortgetrieben von den heim'schen Laren,
Auf mühevoller, ruheloser Flucht,
Durch rauhe Wirklichkeit gelernt, erfahren,
Was andre Frau'n zu denken nie versucht;
Das, wie Oedip, mit unheilvollem Munde
Des dunklen Rätsels düstre Lösung fand,
Vor der die Sphinx des Glaubens sich zur Stunde
Verzweifelnd stürzet von dem Felsenrand: -
Das mag wohl ferner mit erschloss'nen Augen
Rasch vorwärts streben auf der Bahn zum Licht,
Zum Forschen, zum Erkennen mag es taugen;
Allein zum Lieben und zum Küssen nicht!
Und darum ist's, daß ich von dir begehre:
Laß mich allein mit meinem Geistesschmerz!
Der Liebe Lust, der Liebe Grameszähre,
Sie füllen nicht mein abgrundtiefes Herz!
Du aber stehst in deiner Jugend Prangen,
Um welche nie ein trüber Schatten floß,
Dein Auge flammt, es blühen deine Wangen -
Drum geh' und suche dir ein bess'res Los!
Und denke nicht, daß ich dein frommes Werben
Hochmüt'gen Sinn's verworfen und verschmäht!
Ich sage dir ja nur, was man im Sterben
Zu allem Glücke sagt: Zu spät! zu spät!
(1814-
Paoli
1894)
Kein Gedicht
A vingt-cinq ans le coeurse
brise ou se bronze.
Chamfort.
O wäre mir das heitre Los gefallen,
Das still beglückend andern Frauen fällt,
In schirmender Beschränkung hinzuwallen
Durch eines engen Kreises kleine Welt;
Mein Herz gleich einer Blume zu verschließen
Vor jedem Sturm und jedem Weh der Zeit,
Des Lebens Freuden harmlos zu genießen
In ahnungsloser Unbefangenheit!
Doch anders hat sich mein Geschick gewendet,
Ein Kampfplatz nur war meine Lebensbahn;
Der Kindheit Blütenruh ward mir entwendet
Und hingeopfert einem eitlen Wahn!
In starrem Zwang verflossen jene Tage,
In strenge Regeln ängstlich eingeschult,
Indessen meines jungen Herzens Klage
Um frische Luft und Sonnenlicht gebuhlt.
Ich rang dawider, doch es war vergebens,
Und als ich nun entwachsen jener Zucht,
Das drang die feindlich finstre Macht des Lebens
Wild auf mich ein mit ihrer ganzen Wucht.
Mich schirmte keines Freundes treues Lieben,
Durch meinen Frost drang keines Herzen Glut,
Und in die Fremde ward ich fortgetrieben
Ohn' andre Stütze als den eignen Mut.
Was ich bedurfte, mußt' ich selbst erringen,
Auskämpfen selber jeden herben Streit,
Und drückend lasteten auf meinen Schwingen
Die schweren Fesseln der Notwendigkeit.
Weh jedem, der in seinem Thun und Lassen
Dem inneren Gesetz nicht folgen kann!
Mein Unglück läßt sich in zwei Worte fassen:
Ich war ein Weib und kämpfte wie ein Mann!
Daß ihm am Tag der Schlacht die Wehr nicht fehle,
Erwarb mein Geist sich Schärfe, Kraft und Licht,
Doch blütenlos blieb meine ernste Seele -
Im Waffenkleid pflegt man der Blumen nicht.
Nur einmal wagt' ich, Besseres zu hoffen;
Verheißend lag vor mir ein schönes Glück;
Doch kaum erblüht, sank es, zu Tod getroffen,
Und eine Wunde nur blieb mir zurück.
So glitt fast ungeahnt an mir vorüber
Des Liebefrühlings träum'rische Gestalt,
Und trüber ward mein Sinn und immer trüber,
Mein Herz, gleichwie die Toten, schwer und kalt.
Und wie vom Hauch der herbstlich scharfen Winde
Sich rauh verhärtet manch ein zartes Reis:
So legte sich um mein Gemüt die Rinde
Des Lebensüberdrusses, starr wie Eis.
Und nun, da schon mein bess'res Teil im Grabe,
Da meine Stirn des Zweifels Brandmal trägt,
Nun, da ich es schon fast vergessen habe,
Was einst so stürmisch meine Brust bewegt;
Nun, da im Lebenssande meine Zähren
Versickert längst, da ich mit stolzem Sinn
Nichts mehr vermissend, alles kann entbehren,
Tritt deine Liebe leuchtend zu mir hin!
Suchst du denn Rosen unterm Leichentuche,
Und grünes Laub am blitzzerschellten Stamm?
Zu spät! Der Segen wird an mir zum Fluche -
Mein Schicksal ist ein andrer Bileam!
O warum bist du damals nicht gekommen,
Als ich nach Liebe suchte, nach ihr rief?
Jetzt kann mir dein Erscheinen nicht mehr frommen,
Denn meine Sonne steht schon allzutief! -
Das Weib, das aus den häuslichen Bezirken
Heraustrat in das brausende Gewühl,
Mit eigner Hand zu schaffen und zu wirken,
Gezwungen, zu beherrschen sein Gefühl;
Das, fortgetrieben von den heim'schen Laren,
Auf mühevoller, ruheloser Flucht,
Durch rauhe Wirklichkeit gelernt, erfahren,
Was andre Frau'n zu denken nie versucht;
Das, wie Oedip, mit unheilvollem Munde
Des dunklen Rätsels düstre Lösung fand,
Vor der die Sphinx des Glaubens sich zur Stunde
Verzweifelnd stürzet von dem Felsenrand: -
Das mag wohl ferner mit erschloss'nen Augen
Rasch vorwärts streben auf der Bahn zum Licht,
Zum Forschen, zum Erkennen mag es taugen;
Allein zum Lieben und zum Küssen nicht!
Und darum ist's, daß ich von dir begehre:
Laß mich allein mit meinem Geistesschmerz!
Der Liebe Lust, der Liebe Grameszähre,
Sie füllen nicht mein abgrundtiefes Herz!
Du aber stehst in deiner Jugend Prangen,
Um welche nie ein trüber Schatten floß,
Dein Auge flammt, es blühen deine Wangen -
Drum geh' und suche dir ein bess'res Los!
Und denke nicht, daß ich dein frommes Werben
Hochmüt'gen Sinn's verworfen und verschmäht!
Ich sage dir ja nur, was man im Sterben
Zu allem Glücke sagt: Zu spät! zu spät!