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Kardinal Meisner und die Kunst

Miriam

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26. Juni 2005
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9.722
Vorweg vielleicht einige Worte zur Ernennung Joachim Kardinal Meisners zum Erzbischof von Köln im Jahre 1989: eigentlich erfolgt eine solche Ernennung anhand eines so genannten Zehnervorschlags den die Domkapitulare der Bischofskongregation unterbreiten.

Auf der Liste der Domkapitulare von Köln (erstellt im Jahr 1987), stand der Name von Joachim Kardinal Meisner nicht. Doch der Vatikan hielt sich nicht an die Namen die im Zehnervorschlag standen, sandte seine so genannte Terna, also einen Dreiervorschlag zurück und siehe da, dieser Vorschlag enthielt den Namen des nicht vorgeschlagenen Kardinals Meisner. Damit war eindeutig die Tendenz des Papstes zu erkennen.
Es folgte ein regelrechter Hickhack, die Kölner wollten diese Prozedur und auch die Person des Vorgeschlagenen nicht so ohne weiteres hinnehmen. Kardinal Meisner wurde letztendlich in Dezember zum Erzbischof von Köln ernannt und in Februar 1989 in sein Amt eingeführt.

In der Folge gab es immer wieder Episoden bei denen man den Eindruck gewannt, Joachim Kardinal Meisner bemüht sich die Vorbehalte der Kölner zu bestätigen.

So auch nun in zwei Meinungsäußerungen zur Kunst: im Fall des wunderbaren Domfensters von Gerhard Richter und, noch viel nachdenklicher stimmend, die Festpredigt zur Einweihung des neuen Diözesanmuseums Kolumba in Köln.
Die Kommentare zum Fenster von Gerhard Richter werde ich in einem weiteren Beitrag schildern.
Also nun erst wegen der Brisanz: die Kultur die ohne Gott entartet. Meisner bezeichnet in der Tat jede nichtreligiöse Kunst und Kultur als "entartet".

Es hieß noch wortwörtlich in dieser Predigt:

"Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte."
Na ja, wenn man ein solches Manuskript verfasst, ist es ratsam mal in den adäquaten Nachschlagwerken und auch Wörterbüchern nachzulesen von wo und in welchem Zusammenhang gewisse Ausdrücke entstanden sind. So auch der Ausdruck "entartete Kunst".

Nein, diesmal geht es ja nicht um rassistische Ideologien wie damals als die Ausstellung "Entartete Kunst" 1937 von den Nazis organisiert wurde. Doch unter "entartet" versteht man natürlich auch "artfremd".
Was in der Folge mit allem Artfremden geschah, scheint der Erzbischof vergessen oder verdrängt zu habe. Würde er sich daran erinnern, käme ihm ein solcher Ausdruck nicht über die Lippen bzw. aufs Papier.
Hat Kardinal Meisner tatsächlich vergessen, dass dieser schändliche Ausdruck von den Nationalsozialisten geprägt wurde? Denn es war ja nicht nur dieser Ausdruck der noch heute viele und auch mich stellvertretend an ein schlimmes Kapitel der deutschen Geschichte erinnert.

Ein weiterer Ausdruck aus dem Satz den ich oben zitiert habe, stimmt auch nachdenklich: "Verlust der Mitte". Es war, so habe ich jetzt nachgelesen, ein Ausdruck der gerne an den gehobeneren Stammtischen der 50er Jahre benutzt wurde, da er eng verbunden war mit dem "Untergang des Abendlandes".

Zur Rede Kardinal Meisners ließen sich viele kritische bis empörte Kommentare vernehmen. Es äußerte sich u.a. Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, NRW-Kulturstaatssekretär (CDU).
Zitat: "Dass Kardinal Meisner sich zu einem solchen Sprachgebrauch hinreißen lässt, ist erschreckend und zeigt, dass er keinerlei Zugang zur Kunst und Kultur hat."

Dann kam die Richtigstellung aus dem Hause des Erzbischofs: natürlich hat man ihn missverstanden – er habe diesen Ausdruck als rein "rhetorisches Mittel" benutzt (???) und wollte dadurch "die Ideologien des 20. Jahrhunderts mit ihren eigenen Begriffen schlagen".
Nun, mir fallen beim lesen solcher Sätze eine Menge "rhetorische Mittel" ein mit denen ich auch zuschlagen könnte. Nicht in Richtung Kunst.

Noch eine Frage sei mir gestattet: was bleibt eigentlich von der Kunst noch übrig wenn sie sich als solche nur nach dem Verständnis des Erzbischofs von Köln definieren sollte?
Aber zum Glück haben heute die kirchlichen Würdenträger nicht darüber zu befinden was Kunst sei und was eigentlich gar nicht dazu gehört.

Grüße

Miriam

 
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AW: Kardinal Meisner und die Kunst

Noch eine Frage sei mir gestattet: was bleibt eigentlich von der Kunst noch übrig wenn sie sich als solche nur nach dem Verständnis des Erzbischofs von Köln definieren sollte?

[/COLOR]

Kann ich Dir sagen:

Eine kunstvolle Talkshow namens "Herman und Meisner"...

Viele Grüße
Zwetsche
 
AW: Kardinal Meisner und die Kunst

"Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte."

soll das Wort 'entartet' aus dem deutschen Sprachschatz gestrichen werden?

oder ist es ein ganz praktisches Wort,
welches halt zu einer gewissen Zeit einen schlimmen Hintergrund hatte?

.................................................

der Kardinal äußert meiner Ansicht nach sein Unverständnis über moderne Kunst,
der man weder Schönheit, noch Menschlichkeit, noch Religiosität ... ansieht
(die Aussage richtet sich sicher nicht gegen Stillleben, Portraits ...)

seine Aussage hat ein intellektuelles Niveau,
welches die Kritiker (Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff) nicht verstanden haben

Kunst ist Gottesdienst (ein WERK tun)
Kunst in nicht die maschinelle Fertigung von Produkten

wenn ich einen Acker bewirtschafte
und Gott nicht mehr achte,
zerstöre ich die Umwelt

erstarrt der Kultus im Ritualismus

bezieht sich übrigens auch auf die orthodoxen Christen
dort ist der Ablauf des Gottesdienstes genau vorgeschrieben
die Teilnehmer glauben nicht sondern überprüfen,
ob alles präzise abgelaufen ist​

...........

Ein weiterer Ausdruck aus dem Satz den ich oben zitiert habe, stimmt auch nachdenklich: "Verlust der Mitte". Es war, so habe ich jetzt nachgelesen, ein Ausdruck der gerne an den gehobeneren Stammtischen der 50er Jahre benutzt wurde, da er eng verbunden war mit dem "Untergang des Abendlandes".

'Verlust der Mitte' kann aber auch bedeuten,
daß es in der Kunst keine Synthese (Verschmelzung) von Subjekt und Objekt mehr gibt

im frühen 20. Jahrhundert war es philosophischer Konsens,
daß das Abendland (die Massengesellschaft) untergeht

Stichwort: die Moderne
 
AW: Kardinal Meisner und die Kunst

Kunst = Kapital

ist Beuys posthum ein Verbrecher?
weil Kapitalisten Verbrecher sind
und es den Kapitalismus zum Zeitpunkt der Aussage bereits gab​
 
AW: Kardinal Meisner und die Kunst

Kunst = Kapital

ist Beuys posthum ein Verbrecher?
weil Kapitalisten Verbrecher sind
und es den Kapitalismus zum Zeitpunkt der Aussage bereits gab​

In einem so kurzen Text so viele kapitale Fehler.
Passt aber zum Thema, letztendlich begeht auch der Erzbischof von Köln, Joachim Meisner, einige kardinale Fehler.
 
AW: Kardinal Meisner und die Kunst

hallo, forianer!

ich weiß nur, dass kunst mich erfreuen muss, um kunst zu sein. was aber die kunst genau ist, kann ich leider nicht sagen. herr meissner kann das anders sehen. ich meine auch, er kann wörter benutzen wie er will. aber er darf sich dann nicht wundern, dass andere leute auch wörter benutzen wie sie wollen, um ihn fertig zu machen. übrigens sehe ich ihn als reaktionärsten kopf der öffentlichen hydra, die dem land den staub gebracht haben!
 
AW: Kardinal Meisner und die Kunst

Zitat aus dem Eingangstext von Miriam:
„Es hieß noch wortwörtlich in dieser Predigt:
"Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte."
Na ja, wenn man ein solches Manuskript verfasst, ist es ratsam mal in den adäquaten Nachschlagwerken und auch Wörterbüchern nachzulesen von wo und in welchem Zusammenhang gewisse Ausdrücke entstanden sind. So auch der Ausdruck "entartete Kunst".“


Was eigentlich hat er gesagt „entartete Kunst“ oder „entartete Kultur“?

„Die Erzdiözese Köln wehrt sich gegen die heftige Kritik an Kardinal Joachim Meisners Formulierung von der "entarteten" Kultur. "Wer dieses einzelne Wort isoliert und NS-Assoziationen unterlegt und damit dem Kardinal vorwirft, dass er dieses Vokabular oder dieses Denken benutzt, dann kann ich dies nur in aller Schärfe zurückweisen", erklärte Generalvikar Dominik Schwaderlapp ...“
(http://www.nachrichten.at/politik/aussenpolitik/592543?PHPSESSID=2ed044f81d8acdec423de3e9bf1dccf1)

So ist auch meine Meinung.

Und weshalb sollte man nicht sagen dürfen, etwas „en-tartet“, wenn wir doch sagen dürfen etwas „artet aus“?
 
AW: Kardinal Meisner und die Kunst

hallo, forianer!

das problem bei meisner, was viele leute mit dem ausspruch wieder bestätigt sehen, ist, dass er dieser ideologie hinter dem ausspruch durchaus zugetan ist. er ist der konservativste kirchenpolitiker in deutschland, den ich kenne. (und ich kenne wenigstens einige)
 
AW: Kardinal Meisner und die Kunst

(...)
Und weshalb sollte man nicht sagen dürfen, etwas „en-tartet“, wenn wir doch sagen dürfen etwas „artet aus“?


"Entartet" ist nichts als ein Urteil, eine vernichtende Kritik!

"Ausarten" ist eine andere Bezeichnung für "Überschäumen", "gewisse Grenzen überschreiten". Aber kein Urteil.

Da ist doch ein riesiger Unterschied, oder?
 
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AW: Kardinal Meisner und die Kunst

Ok, lilith,
die Nazis haben die damals "moderne" und die jüdische Kunst als "entartet" bezeichnet.
(Meisner spricht von Kultur.)

Aber ich sehe das Wort "ent-artet" nicht als terminus technicus.
Es ist doch rein subjektiv, ob jemand etwas als "ent-artet" = 'aus der Art geraten' (z.B. ein "mißratenes" Kind) ansieht. Dadurch wird etwas nicht zur Norm, im künstlerischen Bereich also nicht zur Stilrichtung (gemacht) und hat somit keine Allgemeingültigkeit.

Auch die Tatsache, daß der Kardinal das von Miriam genannte neue Kirchenfenster nicht passend findet ...
Einmal mögen das andere auch so sehen, und andererseits kann uns doch egal sein, welchem Geschmack der nachhängt.
Ich persönlich finde das betreffende Kirchenfenster sehr schön. Aber mit dem Wort "Kunst" würde ich es nicht belohnen.
 
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