Kapitalismus ist ein Verbrechen
Mag es den ExtremistInnen der gemäßigten Sicht auch ein Stirnrunzeln zumuten, Kapitalismus ist ein Verbrechen. Und zwar eines, das aus der Verschränkung vermeintlich freien und gerechten Tausches mit der souveränen Absicherung der im Tausch oder sonstwie halbwegs dem Gesetz entsprechend gewonnenen Eigentumstitel her rührt. Jeder ist frei zu tauschen was sie oder er mag, solange keiner, auch sie oder er selbst nicht, übervorteilt wird.
Doch die meisten haben wenig mehr zu tauschen als ihre Zeit und Fähigkeit zu arbeiten, so sie damit überhaupt auf Interesse stoßen. Viele sind einfach überflüssig, dafür sorgt der Kapitalismus wie von Geisterhand. Im Konkurrenzkampf gilt es, Arbeitskraft immer effizienter einzusetzen, also die Arbeitsleistungen immer weniger Arbeitskräften immer produktiver verwerten zu können. Mag die Ausdehnung des Absatzes dem einzelnen Unternehmen vielleicht ermöglichen, die Zahl der in Lohn genommenen rentabel beizubehalten oder gar anzuheben, führt der Gang der kapitalistischen Dinge doch letztens dazu, dass die Herstellung des gesellschaftlichen Reichtums das Brot immer weniger Menschen ermöglicht. Millionen Hungertote, unzählige subsistensmittelfreier Flüchtlinge in den armen Weltgegenden oder lediglich mit Waffen ausreichend versorgtes Subproletariat in lateinamerikanischen Metropolen - die Überflüssigen werden trotz ihrer steten Dezimierung mittels blutiger oder stummer Gewalt nicht weniger.
Im weltweiten Verhältnis von Kapital und Arbeit sind die großen Verbrechen ganz unterschiedliche: leicht zum Stein des Anstoßes geratet das Verhalten einzelner Beteiligter. Ob korrupte PoltikerInnen, bestechende Manager, bilanzfälschende Agenturchefs oder besonders umweltzerstörende, menschenverachtende oder gegen die Sitten verstoßende Geschäfte reichen dem einfachen Gemüt zur Aufwallung. Den Mechanismen der stummen Gewalt der kapitalistischen Verhältnisse will hingegen nicht so bald einer nachspüren. Die simple Tatsache, dass ausschließlich jene Menschen überleben können, die über Mittel zum Tausch verfügen, um ihre Lebensmittel erhalten zu können, ist ein Verbrechen. Weiters der gerechte Tausch, in dem für die Ware Arbeitskraft (die spezielle Ware, die die einzige Quelle von Wert ist) genau die gesellschaftlich gegebenen Kosten zu ihrer Reproduktion zu entrichten sind, ist die Grundlage dieses Verbrechens namens Kapitalismus. Dabei ist der Unternehmerin und dem Unternehmer gar nichts vorzuwerfen: wären ja schön blöd, würden sie im Schnitt mehr bezahlen als gesellschaftlich (zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft als ihnen weiter zur Verfügung stehende Quelle ihrer Wertverwertung) notwendig!
Schön blöd sind nicht die einzelnen Charaktermasken im Kapitalverhältnis, sondern die dahinter stehenden Leute, wenn sie sich - so wie wir hier - über die Verhältnisse unterhalten und dabei den Nebel des Kapitalverhältnisses aber nicht lüften wollen. Aber was auf der einen Seite (im Privatleben) ein möglichst klug handelnder Bourgeois ist, ist meist auf der anderen (in der Polis, im Forum, auf der Straße, in der Wahlzelle ...) ein ziemlicher Angsthase. Ich hoffe damit niemanden hier beleidigt zu haben!