AW: Kant, Ablehnung der Gottesbeweise
Hallo Zwetsche! 
Stimmt, ich habe versucht, mit Sofies Welt (s. # 4) Franks Frage zu beantworten (wo bleibt er eigentlich?), weil ich annahm, das ginge damit auf schlüssige Weise.
Wie Wilhelm Weischedel schreibt, gibt es "fast ebenso viele verschiedene Kant-Deutungen, wie es Interpreten dieses Philosophen gibt."
Allerdings habe ich hier bei Jostein Gaarder nicht den Eindruck, dass er allzu sehr selber interpretiert oder dass er überhaupt wertet, sondern dass er eher relativ einfach darlegt, was ohnehin als objektiv gesichert gilt.
Kritische Vertreter der Kirche hatten damals wahrscheinlich Probleme damit, dass Kant sich dagegen wehrt, dass Gott beweisbar wäre als ein Schöpfer, der über allem stehen muss. Oder dass Gott damit beweisbar wäre, dass alles einen Grund, eine Ursache haben müsse, und über allem Endlichen auch etwas Unendliches existieren müsse. Gott sei nur eine Idee des Menschen, der außerhalb des Menschen gar nicht existiert?
Zum Glauben des Kant wird dieser beispielsweise auch in "Meyers Enzyklopädisches Lexikon" zitiert: "Ich musste das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen." (10/439). In der philosophischen Diskussion habe allerdings dieser Kompromiss Kants mit der Zeit ziemlich an Bedeutung verloren, ist dort ebenfalls zu lesen.
Interpretationen gibt es bei Philosophen viele, und Kritiken, pro und kontra, noch viel mehr.
Zwei krasse Beispiele noch (auch wenn es dadurch ev. zu lange wird
):
Hegel findet in Kants "Kritik der reinen Vernunft" ein "Reich unendlicher Hirngespinste", einen "Verderb junger Gemüter", eine "Verödung der Seelen".
Aber auch Hegel selbst wird kritisiert, von Schopenhauer sogar ganz schön deftig: "Hegel, ein platter, geistloser, ekelhaft-widerlicher, unwissender Scharlatan, der mit beispielloser Frechheit Aberwitz und Unsinn zusammenschmierte, welche von seinen feilen Anhängern als unsterbliche Weisheit ausposaunt und von Dummköpfen richtig dafür genommen wurden, …
hat den intellektuellen Verderb einer ganzen gelehrten Generation zur Folge gehabt."
In: Wilhelm Weischedel, Die philosophische Hintertreppe
Für Kritiken gibt es vielerlei Gründe: Sachliche Argumente natürlich, sehr oft auch einen persönlichen Hintergrund (Hegel war Schopenhauers Konkurrent an der Uni), und nicht selten haben sie mit der Macht zu tun, die man früher so wie heute nicht verlieren will: Hume etwa bekam keine Professur, weil kirchliche Vertreter das zu verhindern wussten. Tragischer bei Sokrates, der mit seinem unaufhörlichen Fragen/Hinterfragen es genauer wissen wollte und den Machtinhabern zu gefährlich wurde - bis sie ihm den Giftbecher reichten.
lg
Andreas