AW: Kant, Ablehnung der Gottesbeweise
Hallo!
Kurz, stimmt so „im Groben“, Philipp! 
Wenn man ins Detail geht, kann man es vielleicht allgemein verständlicher machen, was ich mal versuchen will.
Kant geht genauer gesagt eigentlich schon auch über die Synthese,
sowohl von Empirikern, die mit Sinneseindrücken die menschliche Erkenntnis begründen (z.B. Locke, Hume),
wie auch von Rationalisten, die meinen, die Welt ist so, wie sie sich unserer Vernunft darstellt (Descartes, Spinoza).
Beide hätten ein bisschen recht, und beide irrten auch ein bisschen, meint Kant. Beide hielten ihre Thesen für zu wichtig, das wäre einseitig.
Kant stimmt Hume zu, dass wir alle unsere Erkenntnisse den Sinneserfahrungen verdanken.
Es gibt aber gewisse Bedingungen in uns selber, das Bewusstsein, die Vernunft eben, die unsere Auffassung der Welt mitbestimmen.
Ein Vergleich: Wenn wir eine Brille mit roten Gläsern aufsetzen, sehen wir die Welt rot. Die Brille legt fest, wie wir die Wirklichkeit sehen. Sie ist eine Voraussetzung dafür, wie wir die Welt sehen.
Bei der Vernunft sind Raum und Zeit solche Voraussetzungen. Egal, was wir sehen, wir sehen es als Phänomene in Raum und Zeit. Hängt nicht davon ab, ob wir in Grönland oder Österreich aufwachsen, sondern Raum- und Zeitgefühl ist dem Menschen angeboren. Wir können im Voraus sagen und müssen es nicht erfahren, dass wir überall die Welt in Raum und Zeit sehen. Ein Hund kann sich durch ein solches fehlendes Bewusstsein nicht vorstellen, dass die runde, gelbe Scheibe hoch oben der Mond ist, auch wenn er mit einer Rakete dorthin fliegen würde.
Für die Frage nach dem unterschiedlichen Gottesbeweis von Kant ist auch das Kausalgesetz wichtig, das besagt, dass alles, was geschieht, eine Ursache haben muss. Hume behauptet, wir erleben den Kausalzusammenhang, ein Naturgesetz, aufgrund unserer Gewohnheit. Wenn die schwarze Billardkugel die weiße in Bewegung setzt, erwarten wir das demnach auch so. Ein Kind aber wäre nicht erstaunt, wenn beide Kugeln ruhig liegen bleiben würden. Wir empfinden es nicht, deshalb können wir Naturgesetze nicht beweisen.
Für Kant dagegen ist das Kausalgesetz ebenso ein Bestandteil der menschlichen Vernunft. Es liegt in uns und nicht in der Natur allgemein.
Wir könnten einen anderen Sinnesapparat, ein anderes Zeitgefühl haben und die Welt dadurch anders erleben. Ebenso könnten wir so beschaffen sein, dass wir nicht nach den Ursachen für die Ereignisse suchen.
Vergleich dazu: Wenn die Katze im Zimmer liegt und ein Ball rollt vorbei, wird die Katze aufspringen und dem Ball nachlaufen. Ein Mensch wird sich in der gleichen Situation spontan umsehen, woher der Ball kommt, er wird nach der Ursache suchen.
Nach Hume können wir Naturgesetze weder empfinden noch beweisen, Kant hingegen glaubte, dass wir sie deshalb beweisen können, weil wir in Wirklichkeit über Gesetze der menschlichen Erkenntnis reden.
Unsterblichkeit? Gott - ja oder nein? Weltraum - endlich oder unendlich?
Da sind uns durch die Brille der Vernunft, die in Zeit und Raum agiert, Grenzen gesetzt, über diese Fragen können wir niemals sicheres Wissen erlangen, meinte Kant.
Bei solchen Fragen läuft die Vernunft im Leerlauf. Es gibt kein Sinnesmaterial, mit dem sie arbeiten könnte und es fehlt an Erfahrungen.
Und doch fragt der Mensch immer wieder nach der Ursache. Aber die Wirklichkeit im Ganzen zu erfragen, da werden genau entgegen gesetzte Standpunkte gleich wahrscheinlich und gleich unwahrscheinlich sein. Die Vernunft kann beides nicht „fassen“. Angenommen, die Welt hätte es schon immer gegeben: Kann es denn sein, dass es gar keinen Anfang gibt? Angenommen, es gab so was wie einen Urknall: Ist die Welt dann aus einem Nichts entstanden?
Schließlich können wir aus unserer Vernunft auch nicht die Existenz Gottes beweisen. Für Descartes war sie deshalb beweisbar, weil wir eine Vorstellung von einem vollkommenen Wesen haben. Aristoteles und Thomas von Aquin sahen sie darin bewiesen, dass alles eine Ursache haben muss.
Kant verwarf beides. Dort, wo unsere Vernunft und unsere Erfahrung nicht hinreichen, lässt er Raum für die Religion, für den religiösen Glauben. Er geht aber noch weiter. Der Glaube an die unbeweisbaren Voraussetzungen der Unsterblichkeit, des Gottwesens und des freien Willens des Menschen (die „praktischen Postulate“) ist ein weiteres Postulat der Moral des Menschen. „Es ist moralisch notwendig, das Dasein Gottes anzunehmen“, sagte er.
Kant glaubte an die absoluten Werte (vgl. Kateg. Imperativ), unveränderlich für alle Zeiten und Menschen gültig. Die Vertreter des Wertrealismus’ hingegen meinen, Werte existieren nur, wenn sie von einem Menschen gesetzt werden. Sie sind historisch wandelbar und kulturabhängig.
Ich meine, dass wäre ein interessanter Aspekt etwa auch bei der Zuwanderung, aber das führt bereits woanders hin.
Ich glaube, Frank, so gesehen führt deine Frage "mit welchem Argument lehnt Kant die Gottesbeweise ab" nicht ev. zum unzulässigen Umkehrschluss, Kant glaube an keinen Gott. Im Gegenteil!
lg
Andreas