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Auf Thema antworten

Hallo liebe Miriam!


 

Ich habe gelernt, zwischen Tatsachen und meinen Gefühlen und Gedanken dazu zu unterscheiden.

Auch meine Signatur drückt das aus.


Auch wenn ich mich aufrege, geschieht das was geschieht. Also rege ich mich nicht auf, ja ich gehe soweit, dass ich gar nicht darüber nachdenke.


Was dich erschreckt, könnte sein, dass das, was ich als Realität bezeichne, noch keinerlei Aussage darüber enthält, nach welchen Werten ich mich orientiere. Nachdem es aber meine subjektiven Werte sind, ist das für das jeweilige Ereignis nicht relevant.


Ich möchte das näher ausführen:

Etwas geschieht, ohne dass ich darin involviert bin. Ich höre davon. Ich sehe mir den Sachverhalt an und merke, dass ich, um zu verstehen was da geschehen ist, nicht genug Informationen habe.

Nach allem, was ich in meinem Leben schon erlebt habe, kann ich den Schluss ziehen, dass jedes Ereignis mehrere Ursachen hat und viele unterschiedliche Erklärungen hervorruft. Wenn ich also nicht direkt betroffen bin, dann ist es für die Betroffenen irrelevant, welche Erklärung ich dafür finde, denn die gilt nur für mich. Es dient lediglich der Formung meines Weltbildes, hat aber keinen unmittelbaren Einfluss auf das Ereignis an sich.


Ich beobachte, dass es so ist, dass es so funktioniert bei mir.

Ich beobachte auch, dass ich bei manchen Ereignissen emotional reagiere, aber ich habe gelernt, meine Emotionen wahrzunehmen und zu spüren, auch auszuleben, aber ich muss nicht handeln, um die Emotion loszuwerden. Denn mein Handeln als Nicht-Involvierte ist nichts anderes als eine Ersatzhandlung, die keinen Einfluss auf das hat, was wirklich geschieht .


Dein Hinweis auf die Realität der KZs bzw die Gräueltaten im 2. Weltkrieg ist da ein gutes Beispiel. Ich versuche keineswegs zu leugnen, dass es das alles gegeben hat und dass es für die Betroffenen grausam und schrecklich war und z.T. noch ist. Du hast Recht, ich bin sehr froh darüber, dass es nicht meine Realität war und ist.


Aber ich bin zutiefst überzeugt davon, dass kein einzelner von den Betroffenen deswegen weniger gelitten haben wird, weil ich zu Hause, jetzt nach 50 Jahren, darüber entsetzt bin. Ich empfinde es fast als Anmaßung, hier als Nicht-Betroffener zu glauben, ich könnte mitfühlen, wie es Betroffenen ergangen ist. Meine Empfindungen dazu sind einfach nicht relevant für die Betroffenen. ICH spiele hier keine Rolle.


Als mein Mann tödlich verunglückte, konnte ich es eine Zeit lang kaum ertragen, von jemandem mit den Worten "ich weiß wie schrecklich dir jetzt zumute ist" getröstet zu werden. Niemand konnte wissen, wie es mir ging. Die Vorstellung, wie das sein könnte, ist noch nicht das Erleben selbst.


Deswegen halte ich es nicht für notwendig, mir zu allem was geschieht Gedanken zu machen. Es gibt natürlich Themen, die mich deswegen interessieren, weil ich meinen Platz in der Welt kennen will und weil ich wissen will, wer ich bin. Aber es liegt mir fern zu glauben, dass ich ein allgemein gültiges Wissen darüber habe, warum die Dinge in der Welt so sind wie sie sind.


Das Thema ist ziemlich komplex, ich könnte noch einiges dazu sagen. Aber erst mal genug!


herzlich

lilith


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