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Auch Nietzsche sprach schon von der Schwätzerei in einem Aphorismus, daher zitiere ich ihn gern mal hier diesbezüglich (Die Fröhliche Wissenschaft , Aphorismus Nr.97):


"Von der Geschwätzigkeit der Schriftsteller- Es gibt eine  Geschwätzigkeit des Zornes, häufig bei Luther, auch bei Schopenhauer. Eine Geschwätzigkeit aus einem zu großen Vorrat von Begriffsformeln wie bei Kant. Eine Geschwätzigkeit aus Lust an immer neuen Wendungen  der selben Sache: man findet sie bei Montaigne. Eine Geschwätzigkeit hämischer Naturen: wer Schriften dieser Zeit liest, wird sich hierbei  zweier Schriftsteller erinnern. Eine Geschwätzigkeit aus Lust an guten Worten und Sprachformen: nicht selten in der Prosa Goethes. Eine Geschwätzigkeit aus innerem Wohlgefallen an Lärm und Wirrwarr der Empfindungen: zum Beispiel bei Carlyle.


Nietzsche gibt hier eine ganze Phänomenologie/Beschreibung unterschiedlicher Typen von Geschwätzigkeit, was ich interessant finde. Denn es gibt dann nicht nur "eine" Geschwätzigkeit, sondern mehrere Formen   Z.B. eine "Geschwätzigkeit des Zornes"  (Schopenhauer), eine "Geschwätzigkeit aus Lust an immer neuen Wendungen der selben Sache" (Montaigne), eine "Geschwätzigkeit aus einem einem zu großen Vorrat von Begriffsformeln" (Kant) ... Eine interessante Differenzierung, nicht wahr?


Was Platon anbetrifft, kenne ich ja wie gesagt nicht alles von ihm im Detail (einige Dialoge kenne ich besser, andere weniger gut). Mir ist nicht bekannt, ob Platon irgendwo die Geschwätzigkeit thematisiert (die erkenntnistheoretische Rolle der Sprache wird eher Kratylos behandelt, wobei ich nicht sicher bin, ob man das so einfach mit der Schwatzhaftigkeit gleichsetzten kann). Ich hatte ja nur hier aus der Apologie des Sokrates zitiert, um zu zeigen , dass der platonische Sokrates für sich in Anspruch gerade nicht zu schwätzen.


Zur Erinnerung aus der Apologie Platons:


"Was wohl euch, ihr Athener, meine Ankläger angetan haben, weiß ich nicht:[17a] ich meines Teils aber hätte ja selbst beinahe über sie meiner selbst vergessen; so überredend haben sie gesprochen. Wiewohl Wahres, dass ich das Wort heraussage, haben sie gar nichts gesagt. Am meisten aber habe ich eins von ihnen bewundert unter dem Vielen, was sie gelogen, dieses, wo sie sagten, ihr müßtet euch wohl hüten, dass ihr nicht von mir getäuscht würdet, als der ich gar gewaltig wäre im Reden.  Denn dass sie sich nicht schämen, sogleich von mir widerlegt zu werden durch die Tat, wenn ich mich nun auch im geringsten nicht gewaltig zeige im Reden, dieses dünkte mich ihr Unverschämtestes zu sein; wofern diese nicht etwa den gewaltig im Reden nennen, der die Wahrheit redet. Denn wenn sie dies meinen, möchte ich mich wohl dazu bekennen, ein Redner zu sein, der sich nicht mit ihnen vergleicht. Diese nämlich, wie ich behaupte, haben gar nichts Wahres geredet; ihr aber sollt von mir die ganze Wahrheit hören. Jedoch, ihr Athener, beim Zeus, keineswegs Reden aus zierlich erlesenen Worten gefällig zusammengeschmückt und aufgeputzt, [c] wie dieser ihre waren, sondern ganz schlicht werdet ihr mich reden hören in ungewählten Worten. Denn ich glaube, was ich sage, ist gerecht, und niemand unter euch erwarte noch sonst etwas! Auch würde es sich ja schlecht ziemen, ihr Männer, in solchem Alter gleich einem Knaben, der Reden ausarbeitet, vor euch hinzutreten. Indes bitte ich euch darum auch noch recht sehr, ihr Athener, und bedinge es mir aus, wenn ihr mich hört mit ähnlichen Reden meine Verteidigung führen, wie ich gewohnt bin, auch auf dem Markt zu reden bei den Wechslertischen, wo die meisten unter euch mich gehört haben, [d] und anderwärts, dass ihr euch nicht verwundert noch mir Getümmel erregt deshalb! Denn so verhält sich die Sache: Jetzt zum erstenmal trete ich vor Gericht, da ich über siebzig Jahr alt bin: ganz ordentlich also bin ich ein Fremdling in der hier üblichen Art zu reden. So wie ihr nun, wenn ich wirklich ein Fremder wäre, mir es nachsehen würdet, dass ich in jener Mundart und Weise redete, worin ich erzogen worden: [18a] eben so erbitte ich mir auch nun dieses Billige, wie mich dünkt, von euch, dass ihr nämlich die Art zu reden überseht - vielleicht ist sie schlechter, vielleicht auch wohl gar besser - und nur dies erwägt und Acht darauf habt, ob das recht ist oder nicht, was ich sage. Denn dies ist des Richters Tüchtigkeit, des Redners aber, die Wahrheit zu reden."


Besonders gefällt mir:


"Jedoch, ihr Athener, beim Zeus, keineswegs Reden aus zierlich erlesenen Worten gefällig zusammengeschmückt und aufgeputzt, [c] wie dieser ihre waren, sondern ganz schlicht werdet ihr mich reden hören in ungewählten Worten. "


Also hier wird ja besonders die Schlichtheit von Sokrates betont. Und dann frage ich mich immer, wenn jemand schlicht spricht, kann der dann Schwätzer sein? Ich würde sagen , eigentlich nicht. 


Das nochmal zu Platon und Nietzsches Beschreibung der Geschwätzigkeit.


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