Nachmittagsphantast
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- Registriert
- 27. Januar 2006
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Insomnia
Ein müder Bewusstseinsstrom ergießt sich durch meinen Körper, saugt die Lebensenergie aus allen Körperteilen, aus meinen Muskeln, Sehnen, Hautpartien, aus allem, über das ich als Mensch definiert bin. Schlaff hänge ich da, bemühe mich um Schadensbegrenzung. Es fällt mir schwer, das Richtige zu tun. Ich wäge ab. Zu meiner Linken hält sich das hartnäckige Schlafbedürfnis bereit, wartend auf mein Kommando, um loszuschlagen. Ihm steht zu meiner Rechten die hart erkämpfte Vernunft gegenüber, die allen Widerständen trotzen möchte, die verhindern will, dass ich in finstere Sitten, in der Schädigung meiner selbst – körperlich wie psychisch – zurückfalle. Das vernunftbetonte Denken ist in einem dichten Nebel versteckt, wartet darauf gefunden zu werden, gefunden von den Fühlern, die ich nach dem letzten Rest Kontrolle ausstrecke, das mir noch geblieben ist. Ich stelle mir vor, alles sei so wie immer. Nichts habe sich verändert. Ich sehne mich nach dem Alltag, nach dem Rhythmus, nach dem Uhrwerk, in dessen Zahnrädern – fest verankert – ich mich drehe, das sich immer weiter dreht, bis die Reserven aufgebraucht sind und der Kreisprozess erlischt. Die Räder stehen still. Atemlosigkeit hat sich breit gemacht. Meine Umwelt hält den Atem an. Nur noch wenige Geräusche dringen durch den Nebel zu mir. Der Großteil von ihnen wird einfach verschluckt, in alle Richtungen gestreut, gebrochen, kommt verzerrt als eine Kakophonie bei mir an, die meinen Ohren schmerzt, die sie am Liebsten dahin zurückverbannen wollen, wo alles seinen Ursprung nahm. Der Versuch wird schon im Keim erstickt. Überhaupt ersticke ich in diesem Nebel. All das Schöne, das Freundliche, das Helle ist in weite Ferne entrückt, hat zu mir Distanz aufgebaut. Ich bin nur ein Objekt im Nebel, unter Millionen winzige Wassertröpfchen begraben, die da über mir, neben mir, ja in mir schweben, die durch meine Nasenflügel dringen, meine Ohren verstopfen, sie unempfänglich machen für die wohlklingenden, die subtilen Zwischentöne, deren ruhig vorgetragener Protest ich dem dissonanten Krachen und Knirschen vorziehe, das mich in Zeiten wie diesen heimsucht. Der Nebel hat mich verändert. Ich bin empfindlicher geworden. Ich nehme wahr, was mir bei klarer Sicht verborgen geblieben wäre, was mir niemals in den Sinn gekommen wäre, ja, das ich niemals gedacht hätte. Das ist auch das Tückische an diesem Nebel. Die Gedankenmaschine produziert einen Querschläger nach dem anderen. Vielfach sind es alte Erinnerungen – die als kleine Pakete in den Ecken des Großhirns vor sich vegetierend – darauf warten, von mir hervorgeholt zu werden. Der Absender steht in Großbuchstaben auf ihre Stirnseite geschrieben, er lauert in der Verdrängung meiner Vergangenheit. Einmal abgefeuert heulen die Gedanken davon, wie wehleidige Seehunde, die geschlagen werden. Sie können nicht entkommen. Der Nebel hält sie fest, einem nach dem anderen, bis sie sich um mich herum stapeln, bis mich der Nebel knebelt, mich die aufgebaute Last zu erdrücken droht. In solchen Momenten wünsche ich mir gefühllos zu sein. Ich wünsche mir blind zu sein, taub. Stumm bin ich ohnehin schon. Jeder Laut, der dann ,unabsichtlich, meinen Stimmbändern entweicht, aus meiner Kehle schlüpft, aus einer Unachtsamkeit heraus, wie wenn ein junges Küken von seiner Mutter unbeaufsichtigt aus dem Nest fällt, wird vom sichtbar gewordenen Wasserdampf absorbiert, der mich benetzt wie eine ätzende Flüssigkeit, die an mir haftet, klebt, sich nicht abstreifen lässt. Der Nebel ist ein humorloser Geselle, er filtert die ironischen Einschübe, die sarkastischen Zwischenrufe, die auflockernden Scherze aus dem, das sich Leben nennt, oder nannte, jedenfalls kannte ich kein anderes. Er schränkt mich darin ein, mich draußen zu bewegen. Vielmehr taumle ich durch die Welt, torkle orientierungslos von einem trostlosen Ort zum Nächsten, stets auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Sie ist mir entflohen, davon geflattert wie ein nach Freiheit süchtiger Vogel aus einem offenen Käfig. Der Schlaf ringt mit mir, er möchte mich niederstrecken. Wenn ich die Augen erst einmal schließe, ist es um mich geschehen, weiß ich. Ich kenne den Nebel. Und der Nebel kennt mich. Er wartet nur auf ein Zeichen von Schwäche von mir, um mich dann wie eine willenlos gewordene Puppe herumkommandieren zu können. Tapfer steure ich dagegen. Was bleibt mir auch anderes übrig. Meine Glieder sind gelähmt. Meine Motivation ist am Tiefpunkt, ganz unten, von steilen Felswänden umschlossen, deren Anblick mich mit Ohnmacht, ja mit Machtlosigkeit und Resignation befallen hat, als seien die mich einhüllenden Wassertröpfchen Millionen von Bakterien, von zerstäubtem Schimmel, von Krankheit und Tod durchsetzt. Sterbenskrank fühle ich mich auch, denn was ist das noch für ein Leben, in Watte gepackt, die Lippen versiegelt, die Ohren offen für das Wehklagen meiner zurückgeschreckten Seele, mit einem Gedächtnis ausgestattet, das sich wie ein Sieb verhält, das die Gedanken an Tod, Trauer, Schmerz, Krankheit, Verlust zu mir durchlässt, die Erinnerung an glückliche Phasen, in denen ich Lebensmut ausstrahlte und meine Mitmenschen durch mein unbekümmert naives, zugleich aber ehrliches Lachen ansteckte, zurückhält. Wellenartig erschüttert mich die zunehmende Müdigkeit, stößt unsanft in meine Flanken, wie Koliken. Der Schmerz alleine ist es, der mich mein Lebendigsein noch mit aller Inbrunst spüren lässt. Ich verinnerliche mir diesen, hebe ihn im Gedanken auf, denn ich fürchte den Kampf zu verlieren. Die Vernunft zieht sich wie ein geschlagener Ritter zurück, tief verwundet, verletzt, überlässt mich nun vollkommen der Dunkelheit, die mich ummantelt.
© Inntranetz
Ein müder Bewusstseinsstrom ergießt sich durch meinen Körper, saugt die Lebensenergie aus allen Körperteilen, aus meinen Muskeln, Sehnen, Hautpartien, aus allem, über das ich als Mensch definiert bin. Schlaff hänge ich da, bemühe mich um Schadensbegrenzung. Es fällt mir schwer, das Richtige zu tun. Ich wäge ab. Zu meiner Linken hält sich das hartnäckige Schlafbedürfnis bereit, wartend auf mein Kommando, um loszuschlagen. Ihm steht zu meiner Rechten die hart erkämpfte Vernunft gegenüber, die allen Widerständen trotzen möchte, die verhindern will, dass ich in finstere Sitten, in der Schädigung meiner selbst – körperlich wie psychisch – zurückfalle. Das vernunftbetonte Denken ist in einem dichten Nebel versteckt, wartet darauf gefunden zu werden, gefunden von den Fühlern, die ich nach dem letzten Rest Kontrolle ausstrecke, das mir noch geblieben ist. Ich stelle mir vor, alles sei so wie immer. Nichts habe sich verändert. Ich sehne mich nach dem Alltag, nach dem Rhythmus, nach dem Uhrwerk, in dessen Zahnrädern – fest verankert – ich mich drehe, das sich immer weiter dreht, bis die Reserven aufgebraucht sind und der Kreisprozess erlischt. Die Räder stehen still. Atemlosigkeit hat sich breit gemacht. Meine Umwelt hält den Atem an. Nur noch wenige Geräusche dringen durch den Nebel zu mir. Der Großteil von ihnen wird einfach verschluckt, in alle Richtungen gestreut, gebrochen, kommt verzerrt als eine Kakophonie bei mir an, die meinen Ohren schmerzt, die sie am Liebsten dahin zurückverbannen wollen, wo alles seinen Ursprung nahm. Der Versuch wird schon im Keim erstickt. Überhaupt ersticke ich in diesem Nebel. All das Schöne, das Freundliche, das Helle ist in weite Ferne entrückt, hat zu mir Distanz aufgebaut. Ich bin nur ein Objekt im Nebel, unter Millionen winzige Wassertröpfchen begraben, die da über mir, neben mir, ja in mir schweben, die durch meine Nasenflügel dringen, meine Ohren verstopfen, sie unempfänglich machen für die wohlklingenden, die subtilen Zwischentöne, deren ruhig vorgetragener Protest ich dem dissonanten Krachen und Knirschen vorziehe, das mich in Zeiten wie diesen heimsucht. Der Nebel hat mich verändert. Ich bin empfindlicher geworden. Ich nehme wahr, was mir bei klarer Sicht verborgen geblieben wäre, was mir niemals in den Sinn gekommen wäre, ja, das ich niemals gedacht hätte. Das ist auch das Tückische an diesem Nebel. Die Gedankenmaschine produziert einen Querschläger nach dem anderen. Vielfach sind es alte Erinnerungen – die als kleine Pakete in den Ecken des Großhirns vor sich vegetierend – darauf warten, von mir hervorgeholt zu werden. Der Absender steht in Großbuchstaben auf ihre Stirnseite geschrieben, er lauert in der Verdrängung meiner Vergangenheit. Einmal abgefeuert heulen die Gedanken davon, wie wehleidige Seehunde, die geschlagen werden. Sie können nicht entkommen. Der Nebel hält sie fest, einem nach dem anderen, bis sie sich um mich herum stapeln, bis mich der Nebel knebelt, mich die aufgebaute Last zu erdrücken droht. In solchen Momenten wünsche ich mir gefühllos zu sein. Ich wünsche mir blind zu sein, taub. Stumm bin ich ohnehin schon. Jeder Laut, der dann ,unabsichtlich, meinen Stimmbändern entweicht, aus meiner Kehle schlüpft, aus einer Unachtsamkeit heraus, wie wenn ein junges Küken von seiner Mutter unbeaufsichtigt aus dem Nest fällt, wird vom sichtbar gewordenen Wasserdampf absorbiert, der mich benetzt wie eine ätzende Flüssigkeit, die an mir haftet, klebt, sich nicht abstreifen lässt. Der Nebel ist ein humorloser Geselle, er filtert die ironischen Einschübe, die sarkastischen Zwischenrufe, die auflockernden Scherze aus dem, das sich Leben nennt, oder nannte, jedenfalls kannte ich kein anderes. Er schränkt mich darin ein, mich draußen zu bewegen. Vielmehr taumle ich durch die Welt, torkle orientierungslos von einem trostlosen Ort zum Nächsten, stets auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Sie ist mir entflohen, davon geflattert wie ein nach Freiheit süchtiger Vogel aus einem offenen Käfig. Der Schlaf ringt mit mir, er möchte mich niederstrecken. Wenn ich die Augen erst einmal schließe, ist es um mich geschehen, weiß ich. Ich kenne den Nebel. Und der Nebel kennt mich. Er wartet nur auf ein Zeichen von Schwäche von mir, um mich dann wie eine willenlos gewordene Puppe herumkommandieren zu können. Tapfer steure ich dagegen. Was bleibt mir auch anderes übrig. Meine Glieder sind gelähmt. Meine Motivation ist am Tiefpunkt, ganz unten, von steilen Felswänden umschlossen, deren Anblick mich mit Ohnmacht, ja mit Machtlosigkeit und Resignation befallen hat, als seien die mich einhüllenden Wassertröpfchen Millionen von Bakterien, von zerstäubtem Schimmel, von Krankheit und Tod durchsetzt. Sterbenskrank fühle ich mich auch, denn was ist das noch für ein Leben, in Watte gepackt, die Lippen versiegelt, die Ohren offen für das Wehklagen meiner zurückgeschreckten Seele, mit einem Gedächtnis ausgestattet, das sich wie ein Sieb verhält, das die Gedanken an Tod, Trauer, Schmerz, Krankheit, Verlust zu mir durchlässt, die Erinnerung an glückliche Phasen, in denen ich Lebensmut ausstrahlte und meine Mitmenschen durch mein unbekümmert naives, zugleich aber ehrliches Lachen ansteckte, zurückhält. Wellenartig erschüttert mich die zunehmende Müdigkeit, stößt unsanft in meine Flanken, wie Koliken. Der Schmerz alleine ist es, der mich mein Lebendigsein noch mit aller Inbrunst spüren lässt. Ich verinnerliche mir diesen, hebe ihn im Gedanken auf, denn ich fürchte den Kampf zu verlieren. Die Vernunft zieht sich wie ein geschlagener Ritter zurück, tief verwundet, verletzt, überlässt mich nun vollkommen der Dunkelheit, die mich ummantelt.
© Inntranetz
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