Während in seiner Heimat Ungarn, Ende der dreissiger Jahre, die Zeichen der politischen Entwiklung immer deutlicher wurden, befand sich Miklós Radnóti für einen längeren Aufenthalt in Paris.
Radnóti wurde sich immer mehr bewusst der europäischen Tragödie die sich anbahnte.
Er verfolgte von Paris aus sorgenvoll die Nachrichten aus dem benachbarten Spanien.
Der Tod seiner Dichterkollegen, so die Ermordung von Garcia Lorca, die Selbstmorde von Attila Jozsef, Jiri Machen und Ernst Toller, wusste er als Signale zu deuten. Seit 1936 wurde der Tod zum Hauptthema seiner Dichtung.
Hauptsächlich die zehn letzten Gedichte, die bei seiner Exhumierung in seiner Manteltasche gefunden wurden (im Heft "Avala"), sind wie eine Zeugenaussage eines bewußt akzeptierten Todes.
Der Journalist Abel Köszegi hat den letzten Monaten im Leben von Miklós Radnóti, eine Art Chronik gewidmet.
Neben dem dichterischen Werk, sollte diese Chronik die Lücken in der Erinnerung der Zeitzeugen, die nur all zu gerne das Geschehene verdrängen wollten, ausfüllen.
"Die Chronik wirft einige Fragen auf, die außerhalb Ungarns erklärungsbedürftig sind. Anders als in Deutschland wandte das Regime in Ungarn andere, man könnte sagen: konservativere Methoden an, um das Judentum auszugrenzen. In Ungarn gab es weder eine Kristallnacht noch eine Wannsee-Konferenz; dafür beraubte eine gewaltige Bürokratie des deklassierten Adels den "Rassengegner" durch Berufsverbote, Arisierung und Enteignungen seiner existenziellen Grundlage und zog die auf diese Weise ausgelieferte Masse in die Kriegshandlungen mit ein. Als eine Form dieser "Integration" diente die Institution des unbewaffneten Arbeitsdienstes, den die Zeitgenossen als "sich bewegende Richtplätze" bezeichnet haben." (Zitat György Dalos - Schriftsteller)
Einer dieser "Richtplätze" war das Lager Bor.
Ursprünglich war dieses Lager, kein Vernichtungslager. Es sollte nur die hier inhaftierten, als Arbeitskräfte im Dienste des Krieges ausnützen.
Als die Sieger vordrangen, wurde das Lager aufgelöst, unorganisiert und kopflos trieben nun die Wachtkräfte die geschwächten und kranken Häflinge in eine sinnlose Flucht.
Dies waren die so genannten "Gewaltmärsche" die zu Todesmärschen wurden.
Die Häftlinge unterschieden sich insofern von den Typus der Juden die nach Deutschland deportiert wurden, als sie zum grössten Teil der ungarischen Armee angehört hatten.
Da sie sich als Ungarn fühlten, dachten sie, dass sie sich in ihrer "Heimat" in grösserer Sicherheit befinden würden, als auf serbischen Gebiet, wo sich ja Bor befand.
Zur Tragik der Person von Miklós Radnóti, sei hier noch erwähnt, daß er sich als gläubigen Christen verstand. Dabei spielte eine grosse Rolle sein Mentor, der katholische Dichter und Theologe Sandor Sik.
Radnóti war für seine sozialistischen Sympathien und für sein linkes Gedankengut bekannt.
Er hat jedoch eine förmliche Konversion zum Katholizismus abgelehnt, da er sich vorstellte, dass diese ihm Vorteile gebracht hätte.
Das Ende hatte ich bereits erwähnt. Radnóti wurde bei Györ, in Abda, also auf ungarischen Boden, von einem der Wachtkräften erschossen.
Dies geschah in November 1944.
(Fortsetzung folgt)