Lieber Bernd,
deine sehr komplexe Antwort auf die Beiträge von Kathi und mir, möchte ich doch etwas vertiefen, denn dein Text enthält eine Fülle von Gedanken die neuer Diskussionsstoff sind.
Das ist es eben - echtsein und da den Halt finden, nicht in irgendwelchen banalen Ausfluchten, so wie du es in einem der Beiträge zurecht kritisch angemerkt hast. Dies bedeutet aber erstmals sich zu kennen (Prozess der sehr schwierig ist) und dann auch so anzunehmen. Ohne den auch sehr banalen "ich bin O.K." zu verwenden, denn auch das gehört für mich in die Kategorie "positiv but primitiv".
Da kann ich dir nicht ganz zustimmen - denn du stells die Gefühlswelt mit dem inneren Kind gleich.
Warum? Wir bauen zwar unsere rationale Welt in Laufe des Lebens erst auf, denn dazu gehören Lernprozesse und Erfahrungen - aber die Gefühlswelt darf nicht dadurch einen zweitrangigen Platz einnehmen, mit Kindheit gleich gestellt werden. Von der Kindheit verabschieden wir uns ja zwangsläufig - geschieht dies auch mit der Gefühlswelt? M.E. ist dies eben ein Aspekt an dem unsere Gesellschaft krankt - natürlich auch das Individuum. Wir können diese beiden Welten nicht gut vereinbaren, erleben diese beiden Welten, die uns doch beide ausmachen, oft als Widerspruch - nimmt uns nicht auch das den Halt?
Weiter sagst du ja auch, dass du dich wieder entscheidest, "mehr auf meinen Körper und dessen Gefühlswelt zu hören..."
Wir werden so geprägt, Bernd, uns durch den Verstand leiten zu lassen, und vergessen (bzw. wissen es gar nicht), dass es auch eine emotionale Intelligenz gibt. Und so geschieht es fast allen die danach suchen, sie müssen ihre lange vernachlässigte emotionale Welt bzw. Intelligenz, neu entdecken.
Du sagst noch in diesem Zusammenhang:
Wenn wir aber von Akzeptanz sprechen (also: uns so anzunehmen wie wir sind) ist dies kein entweder - oder, sondern ein miteinander.
Du fragst, und das scheint mir sehr wichtig,
Ausheilen ist m.E. das falsche Wort, bzw. die falsche Erwartung. Wir können aber lernen damit zu leben, mit Narben oder Wunden die nicht ganz ausheilen, die wieder aufreissen - ich habe gelernt (jetzt, sehr spät!) mich fern zu halten von Menschen die gerne uns wieder bluten sehn, die ihren so genannten Halt (der natürlich keiner ist!) daraus speisen.
Ich hoffe sehr, dass alles was ich hier geschrieben habe auch richtig verstanden wird: denn auch ich taste mich (ewig?) an diese Antworten heran, es bleiben tatsächlich noch viele Fragen offen, werden es wahrscheinlich auch bleiben... Jetzt nochmals zurück zum Sysyphus - den Stein werden wir ewig bergauf rollen, er wird uns wieder entgleiten, wir fangen dann die Arbeit neu an - wissen aber von mal zu mal besser die Tücken des Steines zu überwinden. Oder begreifen noch etwas anderes:
Sysyphos erfährt die "verschwiegene Freude" als rollender Stein, wenn er die Vorstellung, den Gipfel erobern zu können, aufgibt und begreift, daß das Rollen und der Fels sein Schicksal sind und daß dieses Schicksal ihm gehört. Nicht der Gipfel, der Fels ist seine Sache. (Theo Roos über die Sehnsucht nach Licht).
Liebe Grüße
Miriam