AW: Gemeinsame Novembergeschichte
Er nahm Palette, Farbe und Pinsel und begann erst zögernd, dann mit immer sicheren Pinselstrichen die Linde zu malen, so wie er sie in Erinnerung hatte.
Der breite Stamm mit seinen dicken Wurzelsträngen, die in die Erde griffen und seiner breiten, schattenspendenden, dicht belaubten Krone.
Die Linde trug grünes Laub, denn in seiner Erinnerung an sie war immer Sommer gewesen. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie sie im Winter aussehen würde.
Oder im November, wenn ihre Blätter das Gras unter dem Baum in einen bunten Teppich verwandelten.
Nach einer Stunde schaute er sich das Bild noch einmal aus Distanz an.
Und er war nicht zufrieden.
Das war keine Sommerlandschaft. Das Licht stimmte nicht. Und der sommerliche Baum wirkte deplatziert darin, die Harmonie war zerstört worden.
Und dann wusste er plötzlich, was zu tun war.
Er musste die Linde sehen. Er musste ein neues Bild von ihr in seinem Kopf aufzeichnen, um es dann richtig malen zu können.
Er musste ihren Geruch im November erleben. Er musste den Wind in Ihren kahlen Ästen hören, oder die Stille des Nebels, der sich darin verfing.
Er wollte unter diesem Baum im toten Laub liegen.
Und er wollte sich vergewissern, dass es ihn immer noch gab.
Rasch zog er seinen Mantel und die warmen Schuhe an und verliess das Haus.