AW: Gemeinsame Novembergeschichte
Der Maler saß im Gras, neben sich die aufgewühlte Erde, in seinen dreckigen Händen hielt er die verschnürten Briefe, die Dose war ihm aus den Händen gefallen. Das Mäuschen saß darin auf seinen Hinterpfötchen und blickte ihm aufmerksam ins Gesicht.
Er erinnerte sich daran, wie sehr er diesen Baum geliebt hatte, so sehr, dass er ihm sein geheimstes Geheimnis anvertraut hatte. Hier wusste er es gut aufgehoben.
Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf! Der Baum war unsichtbar, weil er ihn in seinem Bild nicht gemalt hatte, obwohl er in Wirklichkeit hier stand. Immer schon. Er hatte ihn aus seinem jetzigen Leben einfach ausgeblendet, als ob es ihn nie gegeben hätte, nur damit er sich nicht erinnern musste. Aber diese kleine Maus hatte ihn hierher geführt und ihm gezeigt, dass es etwas gab, das auch zu seinem Leben gehörte. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte.
Er saß lange da, die Briefe in seiner Hand. Das Mäuschen hatte sich auf sein Knie gesetzt, als ob es ihn durch seine Körperwärme ein wenig trösten könnte.
Er spürte sein wehes Herz, als er die Briefe wieder in die Blechdose legte. Er stellte sie in die flache Grube zurück und schob die Erde langsam wieder darüber. Dabei flossen Tränen über seine Wangen, aber er bemerkte es nicht. Er wischte sie nur ab und zu mit seinem Handrücken ab und verschmierte dabei sein Gesicht mit der Erde, die er an den Händen hatte. Ganz bewusst beerdigte er seinen Schatz, der ihm vor langer Zeit so viel Schmerz bereitet hatte, kniete im Gras vor diesem Grab und weinte.
Die kleine Maus saß neben ihm und beobachtete ihn aufmerksam und ruhig.