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AW: Gedanken zur menschlichen Würde




Die Schönheit des Gedankens ist faßbar, klar begreiflich. Hier zeigt sich natürliche Religiosität, welche dort zuhause ist, wo der Mensch direktes Kettenglied seiner Umwelt ist. Durchaus, so ist zuzustimmen, erkennt man Gedankenzüge, welchen die indianischen Völker folgten. Und doch erscheint der Gedankengang nicht bis zum Ende durchdacht.


Der Mensch als Glied im Ganzen, welches wir Schöpfung oder Leben nennen wollen. Alleine daraus läßt sich aber die menschliche Würde nicht rekrutieren. Denn ist nicht auch der Wurm Teil des Ganzen? Oder ein Baum? Und sicher müßten wir jeden Grashalm in diese Aufzählung mit aufnehmen. Freilich, das Leben zu ehren, ganz im Sinne Albert Schweitzers - „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ -, zeugt von edlem Geist, von Liebe zu jenem, was uns alltäglich begegnen kann, wenn wir nur wollten. Und dem Vorredner ist auch zuzustimmen, daß es wahrlich eine Form der Mystik darstellt, so durch das Leben zu wandeln. Mit Bedacht und Muse dem Alltag zu begegnen, das Leben rundherum nicht als Selbstverständlichkeit zu akzeptieren – dazu ist ein Hang zur Mystik notwendig.


Aber zurück zur Kritik. Bei aller Sympathie der Idee also, bleibt die Frage im Raume stehen, ob es ausreichend sein kann, im Ganzen die menschliche Würde zu erblicken. Eher, so meine ich feststellen zu dürfen, sprechen wir hier von der Würde des Lebens, also von der Allgemeinheit allen Lebens auf Erden. Doch menschliche Würde definiert sich durch das Menschsein. So ist die Würde des Menschen nicht der Gesamtheit der Schöpfung immanent, sondern liegt einzig und alleine im Menschen begründet.


Die Würde des Menschen muß anthropologisch gefestigt werden. „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ Die Gleichheit der Menschen, d.h. ihre Zugehörigkeit zur Spezies Mensch, verleiht ihnen Würde. Der Mensch adelt sich selbst durch seine Gleichheit zum Mitmenschen, durch die Gabe des Vernunftgebrauchs, durch die Nacktheit, die sein Leben bedroht, durch die natürliche Künstlichkeit, die in allen Menschen schlummert. Mit den Worten Feuerbachs: „Das Bewußtsein meiner im Bewußtsein des Anderen, und umgekehrt, ist das Bewußtsein der Gattung. Der Andere macht mir erst mein eigenes Wesen gegenständlich. Er ist mir daher kein gleichgültig Anderer, er ist mein Du, wie umgekehrt ich sein Du bin. Er hat die bestimmte Bedeutung meines Alter Ego.“


Um nochmals meine Anfangsgedanken – der erste Beitrag in diesem Themenkomplex – Geltung zu verleihen: Nicht Taten oder gesellschaftliche Stellungen, nicht Reichtum oder Wissen, nicht Hautfarbe oder Können entscheiden darüber, ob dem Menschen Würde zuzusprechen ist. Die menschliche Würde ist ein Vorschuß. Sobald der Mensch Mensch ist, erhält er, vorab jeglicher Leistung, den Status der Menschenwürde verliehen. Die Menschenwürde ist kein Geschäft verödeter Krämerseelen, wenngleich in dieser Frage ein eklatanter Mißstand auf Erden herrscht. Dies – die Vorab-Würde - ist die Konsequenz, die wir aus den Worten Feuerbachs oder Bubers erhalten.


Diese Stellung, diese Inthronierung des Menschen zu seinen Gunsten, darf freilich nicht fehlinterpretiert werden. Der fehlerhaften Annahme des Mittelalters, wonach der Mensch Zentrum allen Seins sei, er deshalb Anrecht auf Anpassung allen Lebens zu seinem Vorteile hat, ist unzweifelhaft Irrlehre. Die Auswüchse kapitalistischer Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt, haben diese antiquiert-religiöse Weltsicht aufgesaugt und erheben den Vorteil der eigenen Spezies zur Maxime - ebenso wie den Krieg gegen jedes Lebewesen, welches sich nicht Mensch nennen kann. Die Stellung des Menschen, der sich Würde aufgrund seines Menschseins verleiht, darf nur die, des primus inter pares sein.


Verbannen wir aber den Tatbestand des Menschseins aus der Definition des Würdebegriffes, folgen stattdessen des Ausführungen, wonach der Mensch als Teil des Ganzen zu betrachten sei, so stellt sich eine praktische Frage: Wenn in einem brennenden Haus ein Mensch um sein Leben schreit, zudem dessen Hund aus selbigen Motiv jault, die Zeit aber nurmehr ausreicht, eines dieser beiden Lebenwesen zu retten, wer hat Vorrecht? – Können wir noch von Menschenwürde sprechen, wenn wir uns bewußt gegen den Menschen, dafür aber für den Hund entscheiden? – Hier zeichnet sich ab, weshalb das dogmatische Christentum jahrhundertelang Angst vor dem Pantheismus hegte. Denn wird der Mensch Naturwesen ohne Primatsanspruch, so wird es schwierig, die Gottesebenbildlichkeit zu begründen. Und in unserem Falle würde es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, von Menschenwürde zu sprechen.


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