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Frank Zappa und Neil Young oder:

R

Robin

Guest
Zerbrechliche Intellektuelle und ihre wilden Heroen

Betrachtungen über Idole sind immer retrospektiv; steckt man noch mitten in der glühensten Verehrung zu seinem oder seiner Held/Heldin kommt, wenn man die Begeisterung begründen will, nur Gestammel oder Pathos heraus. Erst wenn sich alles ein wenig gesetzt hat, so mit 32 oder 33, wenn sich im Leben zurechtgefunden und davon weniger und gleichzeitig mehr erwartet, wenn man die Aura des Idols auch nicht mehr täglich berührt, sondern eher in Abständen und ein wenig ritualisiert wieder belebt, dann könnte man vernünftig beschreiben und es sogar aufschreiben, was das Idol ausmacht, was man mit dem Idol macht und es mit einem.
Aber auch dann ist noch fraglich, ob das irgendwie verstanden wird oder eher Stirnrunzeln, Genervtheit, gar Abscheu hervorruft. Denn ein Idol zu haben ist zwar weit verbreitet, in seiner Weit-verbreitetheit aber etwas sehr Intimes für jeden Einzelnen und in der Tat tun die meisten gut daran, ihre Verehrungsgefühle für wen auch immer für sich zu behalten oder nur im erlauchten Kreis der Gleichgesinnten herauszuposaunen.
Freilich kann man versuchen, seine Verehrung mit etwas zu verbinden, einer übergeordneten Idee mit ihr zu Gestalt zu verhelfen und sei es nur: Der Idee der Intimität an sich. Die Intimität zu beschreiben heißt immer auch, das Problem der Intimität anzugehen.
Vielleicht ist dies Navid Kermani beim Schreiben seines Buchs „der von Neil Young Getöteten“ nicht von Anfang an bewusst gewesen, denn sein Buch ist, wie die Gitarrensoli von Neil Young und das ganze Spiel seiner Band Crazy Horse eine 168-seitige Improvisation.
Zur Einführung beginnt er mit etwas sehr Intimem, aber mit etwas Intimem ohne Risiko, denn Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist seine Tochter, und bei kleinen, süßen Babys, die zudem noch Schmerzen haben, geht jeder erstmal mit. Hinter dieser Konsensintimität versteckt er sich anfangs und in ihrer Deckung traut er sich, Sätze zu schreiben wie: „Gleich, ob es sich um die Liebe, die Geschichte, die Politik, die Musik, seine eigene, mit der Hippie-Bewegung verwobene Biographie oder seine Kindheit handelt, immer sind es ein ernüchterndes, verhängnisvolles Heute und ein unschuldiges, sagenumwobenes Gestern, das er [Neil Young] in Umkehrung der Hegelschen Dialektik beschwört.“
Doch die Improvisation muss weiter gehen und die Dynamik gestattet es Kermani nicht, die Pose des gebildeten Connaisseurs aufrecht zu halten. Die Einsprengsel von Heidegger und Adorno überzeugen weniger, als die Vertiefung der nun weniger nachvollziehbaren Intimität. Mehr Stirnrunzeln erzeugt nun die Vorstellung, sich immer und immer wieder von mäßigen Musikern gespielte Musik anzuhören, sich schepperne, dröhnende, ins Unendliche ausgeweitete Improvisationen anzuhören und dabei subtilste Unterschiede zu markieren, wo Außenstehende nur das Gerumpel einer schlechten Band hören. Aber: Die kleine Tochter steht drauf, und daher muss ja was dran sein…
So verschroben das auch ist, so sehr wird Kermani im Verlaufe des Buchs immer sympathischer. Und selbst wenn er die Verschrobenheit stilisiert, ist es keine, um die man ihn wirklich beneidet, nein, als eitlen Posierer der Unzulänglichkeit kann man ihn nicht abtun. Denn dazu, so ahnt man, verläuft dessen Leben fiel zu ordentlich und erfolgreich und man ahnt, dass die wenigen Ausbrüche, die er sich neil-young-evoziert gönnt, stets täppisch oder unbeholfen wirken könnten. In der Tat ist er so sympathisch irgendwann, dass ich mir überlegte, warum er sympathischer sein könnte als ein Frank-Zappa-Fan beispielsweise, wie ich es bin,.
Frank-Zappa-Fan kann man gleichzeitig viel besseren und viel schlechteren Gewissens sein als ein Neil-Young-Fan. Besseren deswegen, weil Frank Zappa ein objektiv gesehen musikalisch vielfach begabterer Künstler war, weil sein Oeuvre umfangreicher, virtuoser und schillernder ist, weil er auch politisch klarer und aggressiver aufgetreten ist und stets darauf geachtet hat, nicht in einer überkommenen Freak-Pose alt zu werden, sondern den Weg des seriösen Außenseiters gegangen ist. Ein schlechtes Gewissen kann man deswegen haben, weil Frank Zappa zwar manch guten Text, geniale Melodien und überragende Instrumentalmusik geschrieben hat, aber kaum je einen richtigen Song. Weil er in seinem Bemühen, stets die Kontrolle zu behalten und nicht peinlich zu wirken dann doch manchmal ziemlich peinlich wirkt (und zwar nicht auf die „sexy“ Art peinlich wie Neil Young). Und weil er diesen verächtlichen Zug im Mundwinkel hat, von jemandem, der den Durchblick hat und diesen Anspruch dann nicht halten kann. Weil er jemand ist, der dann doch manchmal „nicht echt“ ist.
Es gibt auch Gemeinsamkeiten: Zappa bezeichnet sich selbst als alles andere als einen Gitarrenvirtuosen (was ihn nicht daran hindert, hinter Django Rheinhart die zweitaufregensten Gitarrensoli der Geschichte zu spielen, allen voran „Black Napkins“ und „St. Etienne“). Auch ist seine Stimme eher eigenartig als eine Gesangsstimme (doch wie viele seiner Fans fanden gerade diese tiefe „Sprech“-stimme besonders geil). Auch er zelebrierte bis zu seinem Abgang von der Bühne ausgeweitet improvisatorische Konzerte (wobei die Faszination meist doch mehr von den ungeheuer „schwierigen“ und oft clownhaften Arrangements ausging). Beider Karrieren war lang und – soweit ich das überblicken kann – nicht vom ewigen Aufhören-Comeback-Rhythmus gezeichnet.
Auch Zappa und Zappa-Fans stehen am Rande von Gruppenfotos, aber wenn Neil Young zwar nicht von Frauen toll gefunden wird, aber seine Fans vielleicht etwas Anziehendes haben, so ist Zweiteres bei Zappa-Fans nicht der Fall. Frauen mögen seine Musik selten, aber auch der Typ mit der kompletten Zappa-Sammlung ist ihnen mehr als suspekt. Er ist eine Mischung aus Technokrat und Stinker, er ist ein Frauennichtversteher, ein Stereoanlagenbastler, während der Neil Young-Fan auf der Party mit dem Bier auf der Matratze in der Ecke lag, verschanzte sich der Zappa-Fan hinter den Plattentellern und nervte alle, indem er „Catholic Girls“ auflegte.
Eine Zappa-Fan gerät nie überzeugend in Ekstase, da mag er sich noch so viele Joints reinziehen und zu „Yo’ Mama“ herumzappeln. Wer ständig seine Musik als „abgefahren“ bezeichnet, fährt nicht selber ab. Und so genial die Gitarrensoli und ihre Zusammenstellung auf „Yo’ Mama“ sein mögen, wirken sie doch eher wie eine dynamische Komposition, denn wie ein Teppich, auf dem abheben könnte.
Und wie steht’s mit Kindern? Nun, mit Einjährigen RezipientInnen habe ich noch keine Erfahrung. Allerdings sah ich mir neulich mit meinem Siebenjährigen das allerdings leider besonders peinlich Zappa-Video „Does humor belong in music?“ an, dass leider die Titelfrage nicht überzeugend einlöst. Nun, der kindliche Rezipient schrubbte die nächsten anderthalb Tage auf imaginären Gitarren herum und wälzte sich auf dem Boden wie Zappas Bassist Scott Thunes. Na immerhin…
 
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Kultrahmen

Als ich Frank Zappa das erste Mal hörte, daß war auf einer Party, wo die Mädchen auf dem Tisch tanzten und sich von den Jungs die Körper bemalen liessen. Daran muss ich immer denken, wenn ich heute die Musik höre.. so in lauen Sommernächten.. Die passte da ausgezeichnet. Diese Musiker gehörten in eine Zeit, dessen Ausmasse und Exzesse wir heute nur noch erahnen können... Gestehen wir ihnen das zu!

Matto
 
Matto schrieb:
Als ich Frank Zappa das erste Mal hörte, daß war auf einer Party, wo die Mädchen auf dem Tisch tanzten und sich von den Jungs die Körper bemalen liessen.
Wow! Erzähl mehr! Wann war das? Und wo?
Diese Musiker gehörten in eine Zeit, dessen Ausmasse und Exzesse wir heute nur noch erahnen können... Gestehen wir ihnen das zu!

Matto

Wie du sicher gemerkt hast, ist mein Beitrag in selbstironischen Ton abgefasst - also ich gestehe den Musikern alles zu.

(Gebe allerdings zu bedenken, dass Frank Zappa für Exzesse recht wenig übrig hatte, insbesondere für Drogen. Im Prinzip ein extrem disziplinierter Typ, ein Kontrollfreak, der sein Ding durchgezogen hat. Vom Freak zum Kontrollfreak . auch ne Karriere ;) )
 
Robin schrieb:
Wow! Erzähl mehr! Wann war das? Und wo?

Die Frage, "Wann war das?" trifft es gut...


Wie du sicher gemerkt hast, ist mein Beitrag in selbstironischen Ton abgefasst - also ich gestehe den Musikern alles zu.

Tja, hab mich wohl jetzt als Zappa-Fan geoutet.

(Gebe allerdings zu bedenken, dass Frank Zappa für Exzesse recht wenig übrig hatte, insbesondere für Drogen. Im Prinzip ein extrem disziplinierter Typ, ein Kontrollfreak, der sein Ding durchgezogen hat. Vom Freak zum Kontrollfreak . auch ne Karriere ;)

Ach, ja... hab noch nie etwas über ihn gelesen. Kontrollfreak ?!

Unterstellst du ihm jetzt eine selbstverliebte Ernsthaftigkeit ?

Matto
 
Matto schrieb:
Unterstellst du ihm jetzt eine selbstverliebte Ernsthaftigkeit ?

Matto

Ähh - ich unterstelle garnichts. Außer dass er ein bissi verrückt war. Aber so sind Genies eben.

Bin doch auch Zappa-Fan - hat man das etwa nicht gemerkt?

:jump1:
 
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Robin schrieb:
Ähh - ich unterstelle garnichts. Außer dass er ein bissi verrückt war. Aber so sind Genies eben.

Es gibt Persönlichkeiten, die recht unterschiedliche Facetten haben. Und es gibt Zeiten im Leben, wo das eine oder andere mehr an Gewicht gewinnt. Das könnte man verrückt nennen, aber wenn man es sich selbst zugestehen will, nennt man es lieber ver-rückt. Ver-rückt zu der einen oder anderen Neigung. wenn es niemanden anderem schadet. Musiker haben m.E. großen Spielraum.

Schön! hi Fan !

lg Matto
 
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