AW: Faschismus-Referat
1. Schwimmzug
in diesem "ersten Schwimmzug" wäre soetwas wie die beim Brustschwimmen oft zu beobachtende "Schere" im Beinzug zu korrigieren - die hier darin besteht, daß man die antireligiöseste aller politischen Bewegungen mit Religion überhaupt in so nahe Verbindung bringt. Das mag einem systemischen oder synchronistischen Theorieverständnis zu verdanken sein. In der Tat hatte man vor dem vorläufigen, weitgehenden Scheitern der Umsetzung faschistischer Ideologien noch nicht nach dem autoritären oder totalitären Anspruch von Religionen gefragt, sowenig wie der umfassende Anspruch der Nation und des Nationalstaats in seiner militaristischen Ausformung befragt wurde.
Nach dem Nationalsozialisten Hitler, der zu Unrecht als Teils fürs Ganze mit dem Schlagwort "Faschismus" gleichgesetzt wird, stehen genau die Kulturleistungen unter Verdacht, die - in welcher Form auch immer - auf einen Zusammenhalt des Volkes, meinetwegen auch eine Einigkeit des nationalen Projekts zielen, und sogar die Möglichkeit dessen Überwingung denkbar werden lassen - und hier gerät auch Israel endlich in den Fokus deutsch-antifaschistischen Politikverständnisses.
Wie es denn sein könne, daß ein ganzer Staat sich der angeblich so entscheidenden religiösen Doktrin (nämlich daß erst die Wiederkunft des Messias Israel begründen könne) widersetzen kann, kann aus deutsch-postfaschistischer Sicht offenbar nur zweifach beantwortet werden: entweder man läßt den Juden den orthodoxen Teil ihrer Religion und tröstet sich damit, daß irgendwelche Rabbis den Säkularstaat Israel ja auch nicht wollen, oder man projiziert das deutsche Trauma der Vertreibung auf eine Region - den "Nahen Osten" - in der man einen Täter ausfindig macht - die Israelis dann - die stellvertretend das deutsche Handeln im II. Weltkrieg unverdrossen fortsetzen.
Ob man Israel (oder Deutschland) lobt oder kritisiert - charakteristisch bleibt dieses Stellvertretertum, die Gleichsetzung deutscher und jüdischer Grausamkeit; ja, als wenn der gesamte Antisemitismus-Streit nur eine Fußnote im Gesamtzusammenhang deutschen und jüdischen kulturellen Einverständnisses wäre.