AW: Eva Herman
Liebe Kathi,
die Frage, wie hätte ich mich eigentlich damals vielleicht verhalten, ist außerordentlich schwer zu beantworten, eigentlich gar nicht. Aus diesem Grund habe ich auch etwas ein Problem damit, wenn z.B. Richard Wagner als geistiger Brandstifter und Vorläufer der Nazis dargestellt wird. Ich habe für seinen Antisemitismus bestimmt nichts übrig, aber weiß irgendwer, wie er sich ganz konkret im Ernstfall verhalten hätte? Eine Nuance Veränderung oder vielleicht nur eine etwas wenig differenzierte Betrachtung und schon wäre aus Oskar Schindler statt des Retters ein übler Kriegsgewinnler gemacht worden. Schuld und Nichtschuld können sehr eng beieinander liegen. Das macht auch den Umgang mit unseren Vätern und Großvätern so kompliziert, zumal wir ja die Details (besonders, wenn sie schrecklich waren) gar nicht erfahren. Dabei wäre vielleicht das so wichtig gewesen, und es geht mir dabei weniger um Schuldfragen, als um das Verstehen.
Für mich ist nur soviel klar bei einer solchen fiktiven Vorstellung: Dass es, wenn sich eine solche Walze erst einmal in Bewegung gesetzt hat, ziemlich schwer wird, moralisch zu handeln. Und es deshalb niemals erst soweit kommen darf, daß sie sich in Bewegung setzt.
Wir den Opfern gegenüber die Schuld unserer Ahnen einbekennen und abtragen? Das geht nicht, denn Schuld ist mMn. individueller Natur. Es macht auch niemanden mehr lebendig und die meisten Betroffenen sind längst tot. Vielleicht schulden wir es aber doch dem Gedenken und überhaupt allen um uns herum, es gar nicht erst jemals wieder so weit kommen zu lassen. Und da gebührt eben Frau Herman eine gewisse Aufmerksamkeit.
Zu den guten Seiten des Unrechtsregimes kann ich nochmals wiederholen, daß es unbeachtlich ist. Auch in Diktaturen werden Häuser gebaut, Sport getrieben, Autos gefahren, gibt es beizeiten Annehmlichkeiten, oft besonders für die Mitläufer. Davon leben die Regime ja schließlich auch. Umso bescheuerter ist aber doch die anheimelnde Nostalgie und das peinliche Suchen nach dem irgendwie auch Gutem ausgerechnet in der NS Zeit. Wie Zorro zu Recht ausführt, ist das blanke Zeitverschwendung und führt mMn. schlimmstenfalls gar zu Zerrbildern, die den Blick für das wesentliche verstellen.
Zudem war gerade die "Familienpolitik" der Nazis, was immer Frau Herman damit eigentlich meint, schlichtweg mit das perverseste, was dieser Erdball je erlebt hat.
Gruß
Zwetsche