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Auf Thema antworten

AW: Eva Herman




Gut gefochten, Zorro!


Du bringst es ganz schlicht auf den Punkt.


Irgendwie fällt es mir schon schwer, gerade Eva Herman als große braune Bedrohung zu empfinden, das geht wohl auch am Thema vorbei. Was die Dame betrifft, ist sie in der Tat einfach nur dämlich, sich derart plump und ohne Not auf so ein Glatteis zu wagen, daran haben sich schon viele, Nazi oder nicht, die Finger verbrannt. Da sie aber auch meint, unbedingt Bücher verkaufen zu müssen, weine ich ihr bestimmt keine Träne nach, wenn derartige Promotion in die Hose ging. Gefahren sehe ich da schon in Menschen, die in Schaltpositionen nach Macht streben oder auch durch rohe Gewalt rechte Ideale durchdrücken wollen. Und auch, wenn Politiker die Grenzen gar zum autoritären Staat nicht beachten.


Um aber den ganzen Unsinn der Hermanschen Äußerung einmal zu kommentieren:


Zur Frage, ob das NS Regime denn auch gute Seiten hatten, sollte man sich bewußt machen, daß das zwar sein mag, es aber einfach keine Rolle spielt.

Es scheint wohl Mechanismen gegeben haben, an die viele gute Erinnerungen haben. Sie haben keinen Sozialismus erzielen können. Den Nazis ist es offenbar gelungen, das Volk zu sozialisieren, freilich im Sinne des Regimes.


Wie soll denn Massenschunkeln, KdF Urlaub, Mutterkreuz, die Autobahn (deren Idee nicht einmal von Hitler stammt) irgendeine positive Rolle einem solchem Regime verschaffen?

Gerade in der durch diese "schönen" Seiten geschaffenen scheinbaren alltäglichen Normalität liegt doch  der Trugschluß und vielleicht eine Erklärung dafür, daß sich so wenige fragten, was mit den politischen Gegnern in den Folterkellern, mit den Juden, Homosexuellen geschah. Es war ja möglich, sich in diese Fassade der bürgerlichen Normalität zu flüchten, deutsches Bier und Zusammengehörigkeitsgefühl zu genießen, anstatt sich über das Leiden der Minderheiten zu echauffieren. Wen interessiert es da schon mehr als nötig, daß die Nachbarn eines Nachts abgeholt werden und nie mehr wieder kommen? Zumal man selbst auch nie abgeholt werden wollte.


Und die Familienpolitik, die Herman so lobt, sie beinhaltet nicht nur das Mutterkreuz (womit sich ja leben ließe), sondern z.B. auch das Ausspielen der eigenen Kinder gegen die Eltern, das sinnlose Opfern von Kindern und Alten in den letzten Kriegstagen und die Tötung sogen. lebensunwerten Lebens, eine Idee, die übrigens u.a. darauf zurückging, daß ein Vater eines behinderten Kindes im Überschwang nationalfamiliären Stolzes bei einer Behörde anfragte, ob er das Kind nicht töten dürfe. (übrigens: @ scilla, dort hat es von seiten des Bishoffs von Galen ja nun durchaus Widerstand gegeben).


Am Ende - während des Krieges - gab es dann auch ganz dubiose Pläne, für SS-Leute die Vielehe zuzulassen, denn es gab inzwischen Frauenüberschuß.


All dies zeigt einfach nur, wie abgrundtief dämlich Hermans Äußerung im Grunde war. Und das es doch nicht unwichtig ist, sich bei der Beurteilung erst gewahr zu machen, wovon man eigentlich redet.


Ich bin vorletzte Woche mit einem Mandanten zusammen über Land gefahren. Er wurde mit 16 nach Ostpreußen geschickt, konnte, nachdem die Füße erforen waren, übers kurische Haff entkommen (wo er mitansehen konnte, wie zahlreiche Menschen, auch Kinder im Eis ertranken), wurde dann mit der Verletzung von Norddeutschland nach Österreich geschickt, wo ihn die Franzosen gefangen nahmen. In der Auvergne mußte er mehrere Jahre in Kriegsgefangeschaft verbringen, auch dort war vor allem am Anfang das Sterben von Mitgefangenen Gang und Gebe. Auf meine Frage, wie er das alles rückwirkend verkraftet habe und sehe, antwortete er nur: Eigentlich, so daß mit dem ganzen Leben außerhalb des Krieges, das wär doch gar nicht so übel gewesen. Naja, ich weiß nicht recht.


Ehrlich gesagt, Céline, da würde ich mir auch eher Sorgen machen, wenn wir uns an den Aussagen von Frau Herman nicht stoßen würden. Mir scheint, daß die - vielleicht auch gelegentlich übertriebene - Sensibilität immer noch sehr wichtig ist. Schließlich sind es doch nun mal auch die Deutschen, die in zahlreichen Hollywood-Filmen als barbarische Monster dargestellt werden (leider oft ja auch zu Recht), von englischen, holländischen, auch französischen (vor allem im Norden) Menschen im Urlaub nicht selten und nicht immer höflich angesprochen wurden. Als meine Frau im Kibbuz in Israel gearbeitet hat, lernte sie einen sehr netten älteren Bewohner kennen, der im KZ war. Seine Höflichkeit machte nur eine Ausnahme. Er würde niemals einen Deutschen in sein Haus lassen...


Vielleicht ist so auch erklärlich, daß wir es besser machen wollen, vielleicht sind wir deshalb so empfindlich.


Viele Grüße

Zwetsche


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