AW: Esoterik
In meinen Augen drückt dieses riesige Bedürfnis nach allem möglichen, was man heute unter dem Begriff Esoterik versammelt, etwas aus. Im Grunde kann man es kaum leugnen, dass dieses Bedürfnis aus der Art und Weise kommen muss, wie wir leben. Es beschreibt unsere Lebensweise, unser Denken, die Wertesysteme... und die Widersprüche zwischen vielleicht fortschrittlichen Gedanken und der weit davon entfernten Verstrickung ins Alltagsleben. Tendenzen hin zum weichen, zum nachgebenden, zum liebevollen, zum sich öffnenden...die in so großem Widerspruch zum tatsächlichen gewaltvollen, kontrollierenden und gebundenen Leben der Menschen stehen. Diese Lebensweise, gepaart mit immer schnellerem Rasen, den Anforderungen und dem Glück hinterher, muss sich auswirken.
Esoterik sehe ich heute als Versuch, das unbestimmte Gefühl, dass etwas fehlt, etwas schief läuft, man sich von einem natürlichen Körpergefühl entfernt, dass die Idealvorstellungen der Gesellschaft nicht zu dem versprochenen Ergebnis führen und dass zwischen der Tätigkeit eines Menschen und dem tatsächlichen begreifbaren Ergebnis (meiner Hände Arbeit) immer mehr Mittler liegen... dieses unbestimmbare Gefühl in eine dem Denken verständliche (beantwortbare) Form zu bringen. Die jeweilige Teildisziplin (der Esoterik) scheint immer ein Fünkchen Inhalt zu haben, aber in erster Linie scheint sie mir ein Auffangbecken für das herumirrende Denken. Da das Denken schnell Erfolge will und alles, was es in die Hände bekommt für ein Motiv verwendet, wird Geschäftemacherei eine logische Folge sein.
Der Ernährungswissenschaftler versucht dem Denken des Kunden das zurückzuerklären, was der Körper einige Millionen Jahre länger entwickelt hat, als es die Ernährungswissenschaft bereits gibt. Erst die Entfremdung des Menschen von seinem eigenen Gefühl für die Geschwindigkeit des Essens, die Menge, die Vermischung der Nahrungsaufnahme mit anderen Bedürfnissen zur Ersatzbefriedigung (z.B.Kontrolle) und die Regulierungen der Essensaufnahme, schon durch die „gebildeten“ Eltern, scheinen dazu zu führen, dass die Menschen ein natürliches Verhältnis zum Essen verlernen...es jedoch über den Umweg des Denkens, über das „richtige Essen“ zurückbekommen wollen. Daher wird für mich die an sich sinnvolle Ernährungswissenschaft nicht anders eingesetzt, als die Esoterik. Sied die gar vergleichbar? Fast wie die Beichte in der Kirche, die es nicht gäbe, wenn man die Sünde nicht erfunden hätte.
Fast jeder, der über den Tellerrand seines Denkens kucken konnte, sich damit von den dringendsten Problemen befreit sah, wird in sich den Wunsch spüren, das weiter zu geben, anderen zu helfen. Zu heilen. Daher ist heute nicht nur das verkaufen von Seminaren oder Beratungsstunden zum Massengeschäft geworden, sondern selbst die Ausbildung zum Heiler boomt. Es werden Lebensberater, Heilpraktiker, NLP-Spezis und psychologische Berater ausgebildet, dass sich die Balken biegen. Wie die Menschen dann damit zurecht kommen, ob sie überhaupt Kunden finden, das ist sekundär. Selbst psychologische Institute sind inzwischen oft zu Weiterbildungszentren verkommen und widmen sich kaum noch der Forschung.
Ob man angesichts der Wirtschaftskrise von Esoterikkonsum abraten sollte, weiß ich nicht. Flachbildschirme und Notebooks braucht man ja nicht unbegrenzt viele. Die Sehnsucht aber, kann die Esoterik unbegrenzt aufrecht erhalten und füttern. Der Sucher kann jeweils von einem Gebiet zum anderen pilgern. Immer neue Autoritäten finden.
Die Relation von Leistung und Gegenleistung scheint mir gerade bei Heilberufen eins der wichtigsten Themen. Vielleicht noch wichtiger als die Lehre selbst. Der Heiler muss sich ein Denksystem erschaffen die aufkommenden Zweifel an der Angemessenheit auszuräumen. Ich finde das nicht verwerflich. Allerdings kommt man aus meier Sicht auch ohne Esoterik mit dem Leben in Berührung. Bohnen selber pflanzen und aufessen finde ich z.B. billiger.
Soweit
Bernd