Hallo fusselhirn,
ja, unseren Dialog finde ich ebenfalls spannend und bereichernd - gerade weil wir so verschieden sind. Und da wären wir schon bei deiner ersten Frage: Warum ich mich damit beschäftige? Ganz einfach: Ich bin keine Heilige und ich möchte mich darin üben, andere annehmen zu können, so wie sie nun einmal sind und sie so sein lassen zu können, ohne missionarisch auf sie einzuwirken (was ich früher immer getan habe).
Wenn du nicht an eine Seele oder das ewige Leben glaubst, sondern dass der Mensch geboren wird und stirbt, was ja offensichtlich auch so geschieht, dann verstehe ich deinen Denkansatz nicht, dass es seine Aufgabe sei, das Beste daraus zu machen. Ist es dann nicht egal, was er aus seinem Leben macht, da er sowieso stirbt? Wenn ich deine Gedanken auf mein ICH (das, was sich in der Außenwelt von mir manifestiert) übertrage, dann kann ich das auch so sehen. Dieses egoistische ICH muss sterben (und es ist im Prinzip egal welche Sünden es sich auflädt), damit der Mensch aus sich selbst heraus leben kann (meine Meinung: Da er erst aus dem Selbst heraus dazu fähig wird, auch das zu tun, was er will). Ja, dieses Innere, ich nenne es Herz oder dein Wesen, ist von Gott und unsterblich. Das Unvergängliche wird sichtbar im Vergänglichen, durch Handlungen oder körperlichen Erscheinungen - ist aber letztendlich nicht zerstörbar. Alles andere kommt und geht. Für mich gibt es einen Sinn des Lebens und der liegt in der Erkenntnis, wer ICH wirklich bin, nämlich ich-SELBST. Alles andere kommt dann von alleine dazu, also die Liebe, das Gute usw.
Du glaubst also meine Haltung der Welt gegenüber sei passiv. Nun, ich schreibe in Foren, ich veröffentliche meine Gedanken, ich lebe meine Vorstellung, andere können sich das ansehen und überlegen, ob das gleiche von ihnen auch so gesehen werden könnte. Ich finde das ist ein aktiver Beitrag. Einmal fragte mich ein Kassierer bei Edeka: Wie kommt es, dass sie immer lächeln, wenn ich Sie sehe? Und schon waren wir in einem wunderbaren Dialog, der sich später über email fortsetzte. Kein Small Talk, kein Bla-bla-bla, sondern richtig schön tief Eingemachtes. Oder ein anderer wundert sich, weil ich nicht mehr streite, wo ich doch früher so gerne provokativ gewesen bin und die Konfrontation gesucht habe. Das Licht lässt sich nicht verbergen, es strahlt in die Welt hinaus, ob du es willst oder nicht und es vertreibt die Gespenster der Dunkelheit - ganz sanft.
Wenn jemand eine Schnur in seinen Händen hält und ich soll diese verkürzen ohne sie zu berühren (also nicht aktiv an ihr handeln), dann kann ich eine längere Schnur danebenhalten und schon ist sie verkürzt. Ich kann Beispiel geben durch mein Leben und so dem anderen die Freiheit lassen, es anzunehmen oder abzulehnen. Das macht in meinen Augen mehr Sinn, als jemanden aktiv ändern zu wollen, weil Veränderung nicht von außen wirken kann, sondern nur von innen heraus (die Einsicht muss da sein).
Es ist gut, wenn du dich nicht nur aufregst, sondern deine Wut als Frage artikulierst, um den anderen verstehen zu wollen. Das machen viele Menschen nicht. Sie lieben ihren Zorn und gehen in ihrem Hass auf ohne den Dialog zu suchen, der die Dinge klären könnte. Manche halten sich für Heilige und allwissend und andere sollen sich nach ihnen richten. Das ist arroganter Größenwahn, denn zu wissen, wer man ist, macht demütig. Manche gehen mit ihrer Demut hausieren - eine Demut, die stolz auf sich ist, ist aber keine. Also die Dinge sind nicht einfach schwarz oder weiß, sie sind komplex und mit unserem kleinen Menschenverstand nicht zu überblicken. Triffst du einen Menschen, so weißt du nicht wo er steht und ob er weiß, wer er ist. Schöne Worte sagen sich leicht und manchmal trifft man auf Wölfe im Schafspelz. Ich glaube man erkennt einander an den Taten und wenn man deren Motivation hinterfragt.
Jesus hat erst auf Drängen seiner Mutter bei dem Hochzeitsfest das Wasser in Wein verwandelt. Tu doch was, sagte seine Mutter. Die leidenden Menschen kamen auf ihn zu und baten ihn, heile mich - er ging nicht einfach in die Häuser und heilte die Menschen, ohne dass sie es gewollt hätten. Wenn mich jemand um etwas bittet, so wäre das sehr böse von mir, ihm nicht zu helfen, es sei denn, ich habe einen eindeutigen Hinweis aus meinem Inneren heraus, es nicht zu tun. Selbstverständlich helfe auch ich anderen Menschen, wenn sie mich darum bitten oder ich frage: Darf ich dir helfen? Jemandem zu helfen, ohne dass er es möchte, kann fatal enden. Er fühlt sich dann vielleicht bloßgestellt, übergangen oder abhängig. Manche Menschen mögen es gar nicht hilfebedürftig zu sein, auch das muss man achten. Hilfe sollte kein Almosen sein oder dem anderen ewige Dankbarkeit abfordern.
Jesus hat die Sünden aller auf sich genommen. All das Böse, was sie ihm angetan haben, hat er nicht mit Rache quittiert, sondern er hat sie weiterhin geliebt - weil er wusste, dass sie nicht wussten, was sie taten. Auch heute wissen die Menschen nicht, was sie tun. Sie denken, sie würden aus freiem Willen handeln und sie denken, sie würden das richtige tun. Doch sie füttern nur ihr ICH. Die Motivation ist das Entscheidende, tue ich etwas, damit ICH Anerkennung bekomme, geliebt werde, gesehen werde usw. oder tue ich etwas einfach so aus mir selbst heraus ohne irgendetwas dafür zu wollen, allein zum Wohle aller?
Dein Satz *Nur durch Aktivität kann man etwas verändern* ist für mich also nicht stimmig, so in dieser reinen Form. Ich kann nicht am Grashalm ziehen (aktiv werden), damit er wächst. Wenn ich Samen setze, kann ich nichts weiter tun, als abwarten, bis dieser von alleine aufgeht.
Ja, ich träume von dieser heilen Welt und sie wird von alleine kommen, nämlich dann, wenn die Menschen aus ihrem Schlaf erwachen und erkennen, dass ihr Denken und ihre Handlungen egoistischen Gründen entspringen und das, was sie für Liebe gehalten haben, keine gewesen ist.
Jeder Kampf beinhaltet, dass es einen Sieger und einen Verlierer geben wird, am Ende des Kampfes. Da der Sieger (das Selbst) schon längst feststeht, ist es nicht mehr nötig zu kämpfen. Man kann einfach abwarten, bis das ICH von alleine stirbt, denn das ICH ist vergänglich.
Ja, ich bin ein liebender Mensch, aber eben nur ein Mensch - und mache genauso Fehler wie alle anderen auch. Ich bin nix besser. Doch ich spüre, dass die Dinge mir besser gelingen, wenn ich in mir selbst ruhe, dann kann ich gelassener sein, mein Herz öffnen und die Dinge und Menschen annehmen, dann muss ich nichts persönlich nehmen und nicht zu ernst, kann dem anderen Zeit und Raum lassen, um sich zu entwickeln (so wie andere auch mir Zeit und Raum gelassen haben). Kämpfen mit der Kraft der Liebe, heißt für mich abwarten. Manchmal müssen sich die Dinge erst einmal drastisch verschlimmern, damit sie besser werden können, z.B. ein Alkoholiker muss erst einmal ganz unten angelangt sein, um zu erkennen, was für ein Leben er führt und dann die Bereitschaft entwickeln zu können, es anders zu wollen. Der Wille des Menschen ist sein Himmelreich. Er muss wollen, die Bereitschaft muss da sein, sein Herz muss sich öffnen für diese Dinge.