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AW: Die Bibel: Märchenbuch oder Lebenshilfe?


Wer den nachfolgenden Artikel der Bayerischen Staatsbibliothek liest, weiß zumindest, was das "Buch der Bücher" im Mittelalter war.



Die Bibel - ihre Gestaltung und ihre Bedeutung im Mittelalter



Die christliche Bibel (griech. biblia: Bücher), eine über Jahrhunderte gewachsene Sammlung von Büchern als Wort Gottes, das im Alten und Neuen Testament schriftlich fixiert ist, bildet Ausgangspunkt und Grundlage der gesamten Kultur des Mittelalters. Ihre Bedeutung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

 


Das Buch der Bücher wurde in seinen Einzelbüchern oder als ganzes abgeschrieben, übersetzt und kunstvoll illustriert, exzerpiert, kommentiert, paraphrasiert, sogar parodiert; es war Ursprung und Quelle für Dichtung und Prosaliteratur geistlichen und weltlichen Inhalts, für historische Darstellungen, es war Grundlage gelehrter ethisch-didaktischer Abhandlungen, dem Laien wurde es in Erbauungsbüchern und Predigten erklärt, es diente durch seine bildhaften Passagen als Anregung für die bildende Kunst in Malerei und Plastik, es war Lehrbuch an den theologischen Fakultäten des mittelalterlichen universitären Lehrbetriebs und Quelle und Autorität bei Vorlesungen und scholastischen Disputationen, nicht zuletzt war es Grundlage der Ordensregeln und Norm der gesamtkirchlichen Liturgie. Unter den ersten Büchern, die Gutenberg mit beweglichen Lettern druckte, war die Bibel. So erfuhr sie durch die neue Kunst ihre weitere – weltweite – Verbreitung.

 


Die Abschrift und Gestaltung dieses aus 72 Einzelbüchern bestehenden Werkes stellte für das Mittelalter eine nicht geringe Herausforderung dar. Sie wurde in unterschiedlicher Weise gelöst. So wurden etwa nur einzelne Texte abgeschrieben. Die frühesten erhaltenen Exemplare der Bibel sind reichlich illustrierte Einzelbücher: Evangeliare (die vier Evangelien), Evangelistare/Perikopenbücher (Anordnung der Evangelientexte nach dem liturgischen Gebrauch, s.u.) und Psalter (also Sammlungen von Psalmen wie der  Windberger Psalter oder der  Serbische Psalter). Daneben gab es bereits in der Spätantike Bibelpandekten, einbändige Ausgaben. Prachtausgaben in einem Band mit Titelbildern und kunstvollen Initialen entstanden dann besonders in der karolingischen und romanischen Epoche. Im 12. Jahrhundert folgten Bücher, die Text und Kommentar miteinander verbanden. Diese Erklärungen wurden oft als Marginalien neben dem Bibeltext oder als Interlinearglossen zwischen den Zeilen angebracht und so mit dem Originaltext weitertradiert. Durch Anfügungen späterer Kommentatoren wuchsen die Kommentare zu einem riesigen Umfang an, der gelegentlich den Bibeltext weit übertraf.

 


Die wichtigsten Zierelemente der Prachtausgaben waren die Bilder der vier Evangelisten. Die Darstellung zeigt den Evangelisten meist an einem Schreibpult sitzend und schreibend, ihn begleitet sein Symbol (Engel, Löwe, Stier und Adler). Eine Initialzierseite bietet den Anfangsbuchstaben oder die ersten Worte eines Evangeliums. Weitere Ausstattungselemente können eine Maiestas Domini (Darstellung des thronenden Christus) oder ein Leben-Jesu-Zyklus sein. Diese Elemente zeigen sich besonders prachtvoll in den berühmten Codices der Bayerischen Staatsbibliothek, dem Evangeliar Ottos III. und dem  Perikopenbuch Heinrichs II. Diese Prachtausgaben waren nicht nur kostbarer Besitz einer Mönchsgemeinschaft, sondern dienten auch als Geschenke an weltliche und geistliche Würdenträger.

 


Unsere modernen handlichen Bibelausgaben gehen auf das 13. Jahrhundert zurück. Als die Studenten der jungen Pariser Universität sich mit dem Studium der Bibel beschäftigten, entstand ein großer Bedarf nach kleineren, leicht tragbaren, einbändigen Studienausgaben, den so genannten Taschenbibeln. Sie wurden zum Vorbild unserer modernen Bibelausgaben. Dadurch war es möglich, die gesamte Bibel bei sich zu haben. Der Text war in winziger Schrift auf dünnem Pergament in zwei Spalten geschrieben und mit roten und blauen Initialen sowie Seitenüberschriften versehen und hatte die von dem Theologen und Kanzler Stephan Langton gegebene Kapiteleinteilung, die heute noch gültig ist. Damit hatte die Bibel eine neue erweiterte Verwendung gefunden, sie war in der neuen handlichen Form auch zum häufig kopierten Studienbuch der theologischen Fakultäten geworden – noch in der lateinischen Sprache der Vulgata.

 


Mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern endete die Zeit der Bibel-Handschriften. Die in Textura, einer Variation der gotischen Minuskel, gedruckte  Gutenberg-Bibel, „das unbestrittene Meisterwerk des frühen Buchdrucks“ (V. Meid) steht an der Wende zur Neuzeit und ist ein Werk, dessen Qualität schon der kaiserliche Rat und spätere Papst Enea Silvio Piccolomini lobte: so sei es „in höchst sauberer und korrekter Schrift ausgeführt“. Farbige Zeichnungen sowie die Initialen wurden nachträglich von Illustratoren mit der Hand in den fertigen Druck eingefügt, so dass jedes Exemplar einen individuellen Charakter trug. Bereits 1455 war eine Auflage von 180 Exemplaren (davon etwa 30 Ausgaben auf Pergament) fast vollständig verkauft oder subskribiert. Gutenberg hatte damit beweisen, dass die nova forma scribendi die Aufgaben der Skriptorien nicht nur in wirtschaftlicher Weise, sondern auch im ästhetischen Aussehen übernehmen konnte. Vom gesamten Bibeldruck sind heute noch 48 Exemplare erhalten. Das Gutenberg-Museum in Mainz besitzt zwei, weitere zwei gelangten nach der Säkularisation des Klosters Andechs in die Bayerische Staatsbibliothek.


Quelle:

http://www.bsb-muenchen.de/Die-Bibel-ihre-Gestaltung-un.2532.0.html


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