AW: Dialektik
Nein, Auflösung, das würde ich nicht sagen. Eher, daß eine Differenz zunächst beobachtet werden muß, und der Beobachter kann sie festhalten, einebnen oder vergessen. Adorno zufolge wäre Erkenntnis das Festhalten und Weitertreiben dieser Differenz, auch wenn das Bewußtsein sich zunächst dagegen sträubt. Das kann man klar sagen: was Adorno die "Arbeit des Begriffs" nennt, ist das aktive Widerstreben des Denkens gegen die operative Schließung des Bewußtseinssystems.
Wenn Du es weniger "widersprüchlich" oder "destruktiv" haben willst, bietet Adorno Dir zwischen den Zeilen sogar die Aufhebung an (was das sein soll, würde ich bei Derrida nachlesen, nicht bei Hegel), die darin besteht, daß das eine das andere ist und das andere das Ganze und das Ganze das Unwahre etc. pp. Aber anstelle der Aufhebung steht bei Adorno ja die negative Utopie, die unmögliche Möglichkeit, auf die alles Denken sich anspannen möge, sofern es nicht in der bloßen Beschreibung von Tatsachen sich erschöpfen will.
Solche einfachen Gegensätze mögen in der strukturalen Anthropologie des Claude Levi-Strauss eine fundamentale Rolle gespielt haben, aber auch Levi-Strauss hatte die Gleichzeitigkeit des Gegensatzes gegenüber einer diachronen Kausalität betont.
Der Hedonist Adorno verzichtet auf gar nichts, schon gar nicht auf den Fortschritt. Der Idiosynkrat Adorno gerät dann eher mal in Wut, wenn es normative Regeln geben soll, die Verhalten bestimmen. Daher der Haß auf Kommunikation und Gesellschaft. Luhmann hat nur zutreffend (und zutreffender als alle anderen) benannt und analysiert, wogegen Adorno sich wehrte.
Der Gedanke der Autopoeisis eines selbstreferentiell operativ schließenden Gesellschaftssystems dürfte Adorno mit tiefster zynischer Zufriedenheit erfüllt haben. Das hat er doch immer gesagt. Und dann hat er sich noch einen Kirsch genehmigt und/oder etwas Mozart (oder Krenek) gespielt.
An anderer Stelle schreibt Luhmann von der "Zukunftslosigkeit", die Adornos Dialektik biete. Das kann nur eine Verbeugung sein: das Ende der abendländischen metaphysischen Identitätsphilosophie hat Adorno selbst markiert. Adorno schafft ihr den Übergang zum Differenzdenken an; und wer aufmerksam den Gedanken eines Jacques Derrida oder eines Niklas Luhmann nachhorcht, wird jenseits der aufdringlich neuen Begriffswerkzeuge eine negative Dialektik vernehmen.