AW: deutsch-türkisch als neuer Dialekt?
Danke Dir, Jérôme, "Pidgin" ist der korrekte Begriff, der mir nicht einfiel, ich war möglichen Gesellschaftswandelnwollenden gar zu entgegenkommend mit der Erhebung jenes deutsch-türkischen-Mischmasch zur "beginnenden Kreole".
Ach nee! Den starren Subjekt-Prädikat-Objekt-Satzbau in den Nebensätzen verdankt das Französische also dem Chinesischen, wie auch die verständnisnotwendige lautliche Differenzierung, während das Deutsche da mehr in japanischer Manier verfährt, Silben abstrakt jenseits der Lautung festsetzt und das Verb fein ans Ende setzt?
(Japanisch und Türkisch sollen übrigens in ihrer Syntax so eng verwandt sein, daß Interlinearübersetzungen zwischen beiden Sprachen möglich sind.)
Doch, Jérôme, soviel kannst Du bestimmt sagen, als jemand, der mindestens schriftlich das Deutsche nicht nur excellent beherrscht, sondern feinere Feinheiten der Grammatik expressiv zu pointieren weiß:
Im Deutschen sind (wie man aus dem Vergleich mit anderen europäischen Sprachen lernt) mindestens zwei casus überflüssig, Dativ und Genitiv könnten ohne erheblichen Bedeutungsverlust in den Akkusativ (die "Anklageform"
) überführt werden, und selbst der ist nicht nötig; die gesamte Konjugation der Verben kann wegfallen wie auch die Unterscheidung in Haupt- und Nebensätze. Höre Deinem Deutsch wie Deinen Gedanken zu, und Du wirst mir zustimmen: Um das auszudrücken, was wir eigentlich sagen möchten, bedürfen wir nicht einer so sinnentstellend umständlichen Sprache wie des Deutschen.
Also sind Bildungen wie "Wir lieben billig" etc. zu begrüßen und ein etwaiger Sprachkonservatismus, wie er allerorten, auch in Frankreich herrscht, zu geißeln, nicht wahr. Begütigend könnte man sagen, daß die Pidginisierung -grins breit- des Lateinischen in F so weit fortgeschritten ist, daß eine relativ simple Lautverschiebung von é zu è (etwa in "je suis ta mère", oder, was eher passieren kann, "je veux aller à Quimper") das französische Ohr vor grundsätzliche Verständnisprobleme stellt. Auf Erkennung grammatischer Strukturen kann sich der Fremdsprachler in Frankreich jedenfalls nicht stets verlassen. --- Aber welche Sprache war es denn, die das Lateinische so bereitwillig aufnahm, daß außer der Übernahme eines "Wortschatzes" und einer Handvoll grammatikalischer Verhältnisse kaum etwas übrigblieb?
Hier liegt nun der Hauptunterschied: Deutsch ist auch in lautlichen Entstellungen noch verständlich (die Dialekte wären ja sämtlich Deformationen gegenüber der künstlichen Hochsprache); im Französischen dagegen ist die korrekte Lautwiedergabe viel wichtiger, entsprechend ist der Spielraum für Dialekte begrenzt.
Wenn ich mich irre, Jérôme, berichtige mich: ich freue mich immer, wenn Du mit mir sprechen magst und wir dieses abgefahrene Deutsch weiter treiben, vielleicht sogar über die meinerseits allfällige Ironie hinaus.
Thorsten