• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Auf Thema antworten

Tja, mein lieber Onur, ich bin schon der Zweite – neben ^gaia^ - den deine Aussagen leicht irritieren. Ausgerechnet du, als Deutscher mit Migrationshintergrund, forderst Assimilation von den Migranten ein? Assimilation ist ein heftiger Begriff und bedeutet nicht viel weniger als Selbstaufgabe, samt kultureller Identität, Sprache und allem, was sonst einen geprägt hat. Die Kurden leben seit Jahrhunderten zusammen mit Türken, Syrern oder Irakern und haben sich bis heute noch nicht assimiliert, verurteilst du das?

Bereits Integration ist für Migranten schwierig genug, weil sie sowohl an Migranten als auch an Einheimischen Forderungen stellt, damit sie funktioniert. Ein Migrant ist erst dann bereit, sich zu integrieren, wenn er sich von den Einheimischen akzeptiert und respektiert fühlt, andernfalls sucht er seinesgleichen und isoliert sich vom Rest der Gesellschaft. Ihm wird von seinen Landsleuten eine Wohnung in einem Wohnblock vermittelt, in dem fast ausschließlich seine Landsleute wohnen; ein Arbeitsplatz in einer Firma, mit vielen Landsleuten als Arbeitskollegen, wo er die Sprache der Einheimischen gar nicht groß braucht usw. So entstehen Gettos, die dann der einheimischen Bevölkerung ein Dorn im Auge sind, aber die Schuld für diesen Zustand ist beiden Seiten zuzuschreiben.

Andererseits, das was du unter Assimilation verstehst, oder zumindest die Punkte, die du hier anführst, haben wenig mit Assimilation zu tun. Auch wenn man die Bräuche und Traditionen des Gastlandes kennt, auch wenn man die Kulturgeschichte des Landes kennt, dann sind es keine Merkmale von Assimilation, ja noch nicht mal von Integration. Ich bin kein gläubiger Mensch und halte nicht viel von Religionen, Bräuche und Traditionen sind für mich lediglich folkloristische Beilagen einer jeden Kultur. So gesehen dürfte ich nirgendwo integrierbar  sein, geschweige denn assimilierbar. Ich lasse die Menschen glauben, was sie wollen, ihre Bräuche und Traditionen pflegen, wie es ihnen passt und ich mache meine Zu- oder Abneigung ihnen gegenüber nicht davon abhängig, sondern davon, wie sie sich menschlich geben. Ich wende bei ihnen die gleichen Kriterien an, wie bei jedem Deutschen auch, wenn es darum geht, dass ich jemanden in mein Umfeld aufnehme.

Was das Thema Kopftuch angeht, es ist mir auch aufgefallen, dass es seit 10 – 15 Jahren viel häufiger auf der Straße zu sehen ist als früher. Ich habe meine Jugend in München verbracht und habe dort auch studiert. Unter meinen Kommilitonen gab es auch viele Muslime, ob Türken, Perser oder Araber. Es ist mir nie aufgefallen, dass in den Vorlesungen Studentinnen mit Kopftuch saßen. In der Fußgängerzone am Marienplatz hat man einige ältere Frauen mit Kopftuch gesehen, aber niemals jüngere Frauen wie heute. Ich war auch ein paarmal damals in der Türkei. In Istanbul war das Bild auf den Straßen nicht viel anders als in München, was das Kopftuch angeht. In ländlichen Regionen war es allerdings ganz anders. Heute sieht man auch in Istanbul auf den ersten Blick, dass es eine islamische Stadt ist. Es liegt offensichtlich an der Politisierung des Islam. Über die Gründe könnte man lange diskutieren. Es wird dir allerdings aufgefallen sein, dass in Deutschland die Trennung zwischen Kirchen und Staat auch noch nicht ganz vollzogen ist. Aktuelles Beispiel ist die Forderung Söders an alle Behörden in Bayern ein Kreuz am Eingang zu platzieren. Das Kirchenrecht steht auch in mancher Hinsicht in kirchlichen Einrichtungen und Organisationen über dem Staatsrecht. Da gibt es auch Nachholbedarf.


Was die Einbürgerung von Migranten angeht, mach dir keine Sorgen. Die Kriterien sind nicht viel anders, als so wie du es einforderst.


Zurück
Oben