• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Auf Thema antworten

Ich werde dich duzen, weil es in Foren so üblich ist und weil du die 80 noch nicht überschritten hast, so wie ein anderer User hier, bei dem ich eine Ausnahme machte.

Ich hatte dich für einen Österreicher gehalten, wegen der 5 Jahre Legislaturperiode, die du angegeben hattest und es passt mir ganz gut, dass du ein Deutscher bist, denn ich kenne mich natürlich in unserer Demokratie besser aus und ich setze mich auch lieber für sie ein als für die österreichische Demokratie.

Das Buch, das du gelesen hast, sagt auch was über dich aus, aber ich werde mich nicht damit befassen.

Du hast also in der DDR gelebt und zwar seit ihrer Gründung und du sprichst von "einer anderen Art Demokratie"? Warum eigentlich? Weil sie sich selbst so genannt hat? Mir würde es bei weitem nicht reichen. Was du da alles aufzählst und als volkseigen bezeichnest, war doch nur Makulatur, denn eigentlich war das nichts anderes als Staatseigentum und profitiert haben davon nur wenige, das hast du selbst geschrieben. Die eigentlichen Eigentümer - das Volk - haben Almosen bekommen. Dass du keinen SED-Genossen kennst, der sich bereichert hätte, ist nicht verwunderlich, denn in einem sozialistischen Land seinen Reichtum zur Schau zu stellen, wäre sehr dumm gewesen und die SED-Funktionäre waren alles andere als dumm.

[URL unfurl="true"]https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/sed-vermoegen-linkspartei-pds-gregor-gysi-100.html[/URL]

Sogar Putin verheimlicht sein Vermögen, obwohl die Sowjetunion längst aufgelöst wurde:

[URL unfurl="true"]https://www.fr.de/politik/wladimir-putin-gehalt-russland-praesident-kreml-rubel-news-91483002.html[/URL]

Euer System hatte einen gravierenden Fehler: es hat die menschliche Natur außer Acht gelassen und das ist ihm zum Verhängnis geworden. Der Mensch ist nie mit dem zufrieden, was er hat, ob es Vermögen, Freiheit, Demokratie oder sonst was Erstrebenswertes ist. Nach einer gewissen Zeit wird all das selbstverständlich und man fängt an zu suchen, wo man etwas verbessern könnte und wie man das Bestehende vermehren könnte.

Ein Staat, der seinen Bürgern nicht mehr als ein sicheres, normales Leben ohne Zukunftsängste ermöglicht, hat von vornherein ein Verfallsdatum und das kann er nur mit totalitärer Kontrolle hinauszögern.

Ich war vor einigen Jahren in China. Das Land soll angeblich kommunistisch sein, aber ich habe nirgendwo anders so viele Luxuslimousinen gesehen wie dort. Gleichzeitig habe ich alte Menschen gesehen, die in den Mülleimern nach brauchbarem gesucht haben und die Plastikflaschen von den Touristen sammelten. Ein Einheimischer sagte mir, dass er hart arbeiten muss, um das Geld zu sparen, das er für den Kauf einer Wohnung braucht, denn nur dann kann er eine Frau finden, die ihn heiraten will. Durch die Ein-Kind-Politik Chinas gibt es nämlich dort einen massiven Frauenmangel und die wenigen heiratsfähigen Frauen sind wählerisch. In China hat man also seit ein paar Jahrzehnten angefangen, die menschliche Natur zu berücksichtigen. Man genehmigt dem Volk Wohlstand, ja sogar Reichtum, dafür hält es aber die Füße still und lässt sich eine totalitäre Diktatur gefallen.

Der Kapitalismus ist für diejenigen, die dabei zu kurz kommen, ein Problem. Soweit gebe ich dir recht, aber er entspricht viel eher der menschlichen Natur als der Sozialismus, da musst du mir wiederum rechtgeben. Im Kapitalismus werden Vermögen aufgebaut und am Ende weitervererbt und wenn man Glück hatte und die richtigen Eltern erwischt hat, dann muss man nicht mehr viel tun, um das geerbte Vermögen zu vergrößern, denn im Kapitalismus herrscht das Prinzip: Geld zieht Geld an. Es wird also ein, zwei Generationen dauern, bis im Osten Deutschlands auch viel zu vererben geben wird und man wird sich leichter dem sozialistischen Ideal entledigen können. Vorerst haben wir das Problem, dass die Unzufrieden im Osten Deutschlands sich dem Gegenteil zuwenden.

Dass der Kapitalismus auch irgendwann an seine Grenzen stoßen wird, weil unser Planet diese Grenzen setzt, das will ich nicht bestreiten, aber der Kommunismus ist auch nicht besonders pfleglich mit unserem Planeten umgegangen und das, was die Chinesen uns als Kommunismus zu verkaufen versuchen, hat diesbezüglich auch nichts Besseres vorzuweisen - ganz im Gegenteil, sie holen die Fehler nach, die wir längst gemacht haben.

Gleichheit ist im Übrigen auch ein Ideal, das einen anderen Menschen voraussetzt und den gibt es zum Glück nicht, denn niemand will dem Anderen gleichen, sobald man alle seine Umstände kennt. Wir sind Individuen mit individuellen Ansprüchen und Präferenzen und wir verstehen genau das als Freiheit, dass wir unsere Individualität ausleben dürfen. Deshalb gibt es mehrere Parteien, in denen wir uns temporär wiederfinden und hoffen, dass sie unsere Interessen vertreten werden. Unsere Demokratie ist also nicht die Herrschaft des Volkes, sondern die Herrschaft einer Gruppe, die stellvertretend die Interessen einer Mehrheit temporär durchzusetzen versucht. Das ist mir persönlich viel lieber, als wenn ein Einzelner mit viel Macht ausgestattet, sich irgendwann herablässt, auch einen Blick auf meine Interessen zu werfen. Manche träumen von einem solchen.

Was die Gerechtigkeit angeht, wir haben immerhin eine unabhängige Justiz. Das ist nicht überall selbstverständlich.

Wie dem auch sei, wir sind Menschen, denn wir können nichts Anderes sein und das wird uns vermutlich irgendwann zum Verhängnis. Ob es am Ende  mit dem Kapitalismus sein wird oder mit einem anderen System, das wird nicht entscheidend sein, sondern die Tatsache, dass wir Menschen sind.


Zurück
Oben