Ich versuche mal, zum ursprünglichen Thema zurückzukommen:
Das was wir heute als Globalisierung bezeichnen ist ein ganz normales Phänomen des Zusammenwachsens zu immer größeren Einheiten. Auch die Entwicklung des Handels und der Wirtschaft in Europa oder im Mittelmeerraum zu früheren Zeiten erfologte nach ähnlichen Gesetzmäßigkeiten. Jetzt sind wir es von den letzten Jahrhunderten gewohnt, daß mit dem wirtschaftlichen Zusammenwachsen auch ein politisches Zusammenwachsen einhergeht. Als man z.B. in Deutschland begann, leistungsfähige Bahnverbindungen für den Handel zu errichten und Handelshemmnisse abzubauen, waren auch schon staatliche Institutionen vorhanden, die auch die politischen Entscheidungen auf eine höhere Ebene brachten.
Leider fanden die Zusammenschlüsse im 19. Jahhundert meist auf der Basis nationaler Gedanken statt. Die Nationalstaatsidee hat zwar eine unglaublich starke vereinende Kraft, aber sie inkludiert auch die Abgrenzung von allem was sich außerhalb der willkürlich definierten "Nation" befindet. Da diese Idee quasi wie eine Religion wirkt und ihre Glaubenssätze daher von den meisten Leuten nicht hinterfragt werden stellt uns der Nationalstaat heute vor ein Problem: Die Wirtschaft hat sich weiter vereinigt, aber die Politik, die bisher damit mitzog tritt auf der Stelle und ist hilflos gefangen im nationalen Käfig, dessen Dogmen gerade von denen am heftigsten verteidigt werden, die in den letzten Jahrzehnten am meisten unter dem Nichtvorhandensein von effizienten politischen Institutionen auf der übernationalen Ebene gelitten haben.
Ein Blick auf den derzeitigen Zustand der EU sagt schon alles: Sämtliche Schritte, die nötig wären um die Union demokratischer zu machen (also z.B. 100% Mitbestimmung des Parlamentes bei der Gesetzesgebung und in der Außenpolitik) würden einen Souveränitätsverlust der nationalen Regierungen bedeuten. Wer ist in den einzelnen Staaten am vehementesten dagegen? Vor allem der selbsternannte "Kleine Mann von der Straße", der am Meisten davon profitieren würde, wenn europäische Gesetze von seinen gewählten Vertretern beschlossen werden würde anstelle vom europäischen Rat in dem europäische Gesetze von den Exekutiveorganen der nationalen Regierungen gemacht werden. Im Klartext: Die Exekutive der Mutgliedsstaaten macht sich auf EU-Ebene als Legislative die Gesetze, die sie dann auf nationaler Ebene selbst ausführt. Gewaltenteilung ist da ein Fremdwort.
Daß die Machthaber in Wirtschaft und Politik kein Interesse an Volksvertretung auf übernationaler Ebene kein Interesse haben ist logisch. Die Frage, die wir uns stellen sollten ist: Warum sitzt die nationale Idee so fest in den Köpfen der Leute, daß sie sie sogar gegen ihren eigenen Vorteil verteidigen und was kann man machen, um diese Einstellung zu ändern?
Erst wenn ein großer Teil der Bevölkerung in der Lage ist, diese selbstauferlegte Denkblockade zu überwinden, kann man auf wirkliche übernationale Demokratie hoffen.