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Ein Aspekt, der vielleicht auch noch mit zur Debatte gezogen werden könnte:  Eh klar. Ein feministischer “

Vor ein paar Jahren las ich:Sauer, Birgit: Die Asche des Souveräns. Staat und Demokratie in der Geschlechterdebatte. Frankfurt/M., New York: Campus, 2001.





Hier eine ( ich gebe es zu, abgekupferte) Rezension:



Eine feministische Analyse von Staat und Demokratie



In ihrer Arbeit führt die Politikwissenschaftlerin Birgit Sauer verschiedene Aspekte politikwissenschaftlicher Staats- und Demokratiedebatten unter Einbeziehung der Kategorie Geschlecht zusammen und analysiert „Facetten multipler Maskulinismen“ (S. 24) in demokratischen Verfahren und staatlichen Strukturen. Die Autorin zielt zum einen darauf ab, einen Satz von Begriffen und Kategorien für eine empirische Staatsanalyse zu entwickeln. Zum anderen sollen ihre Überlegungen auch einen Beitrag zu einer Neupositionierung von Frauen- und Geschlechterpolitik in Zeiten der Globalisierung leisten. Obwohl, so Sauer, der Staat nicht geschlechtsneutral ist, hat die Politikwissenschaft das Geschlechterverhältnis als strukturierendes Ordnungsprinzip der Politik bislang ignoriert. Diesem Defizit möchte die Verfasserin in ihrer Studie begegnen und im Rahmen einer feministischen Staatsdebatte die Konzepte Staat, Demokratie und Geschlecht kritisch beleuchten.




Nachdem im ersten der sieben Kapitel das Forschungsvorhaben skizziert und Leitfragen aufgeworfen worden sind, formuliert Kapitel 2 einen politiktauglichen Geschlechterbegriff sowie einen geschlechtersensiblen Politikbegriff, der einen kulturalistischen und diskursiven Zugang zu Politik ermöglicht. Kritisch wird von der Verfasserin angemerkt, dass feministische Politikwissenschaft in Folge poststrukturalistischer Dekonstruktion ihren weitgefassten Politikbegriff zunehmend zu verlieren droht. Geschlecht ist für Sauer eine gesellschaftliche und politische Strukturkategorie. Da Geschlecht und Politik sich gegenseitig konstituieren, sind Staat und Geschlecht komplex miteinander verwoben (vgl. S. 50).




Im dritten Kapitel untersucht Sauer unterschiedliche staatstheoretische Ansätze, wie die von Max Weber, Michel Foucault und Charles Bourdieu, aber auch neo-marxistische, systemtheoretische und neo-institutionalistische Ansätze auf deren Anschlussfähigkeit an eine geschlechtersensible Politikkritik (vgl. S. 69). Die Ansätze weisen trotz kontroverser Zielsetzungen laut Sauer mehrere Gemeinsamkeiten auf, darunter ihre Geschlechtsblindheit. Dennoch finden sich für die Autorin in diesen Staatstheorien potentielle Anknüpfungspunkte an feministische Staatskonzepte (vgl. S. 114).




Kapitel 4 sichtet feministische Theoretisierungen des Staates, wie beispielsweise Konzepte von Nancy Fraser, Rosabeth Moss Kanter, Wendy Brown und Eva Kreisky, und plädiert dafür, diese mit den zuvor diskutierten staatstheoretischen Ansätzen zu verbinden, um so den Blick zu erweitern (vgl. S. 157). Sauer entwirft einen umfassenden Staatsbegriff, der den Staat als Geschlechterverhältnis und als „ein diskursives Feld mit institutionellen Sedimenten“ begreift (S. 166).




In Kapitel 5 werden feministische Staatskonzeptionen mit demokratietheoretischen Überlegungen zusammengeführt und drei exemplarische Fragmente moderner Demokratietheorie vorgestellt, die sich auf die zentralen Konzepte Öffentlichkeit versus Privatheit, politische Partizipation und bürgerschaftliche politische Kultur beziehen (vgl. S. 169). Die Autorin strebt zwar nicht die Entwicklung einer umfassenden, geschlechtersensiblen Demokratietheorie an, sie will jedoch wesentliche Bestandteile einer Demokratietheorie reformulieren.




Die in Kapitel 5 dargelegten Kategorien werden im sechsten Kapitel auf die Politikfelder direkte Demokratie und Gleichstellungspolitik in Deutschland und Österreich angewandt. Bei den Überlegungen zu direkter Demokratie werden feministische Demokratiekritik und direktdemokratische Diskussion miteinander verknüpft. Sauer sieht auch hier eine Notwendigkeit in der Verbindung der beiden Debatten, da diese für sich genommen zentrale Aspekte vernachlässigen, miteinander verbunden jedoch wertvolle Anregungen liefern (vgl. S. 252). Sauer systematisiert Gleichstellungspolitik im Kontext einer staatskritischen Debatte und aus einer institutionenkritischen Perspektive und argumentiert, dass bei diesem Politikfeld Staat und Frauenbewegung in einem komplexen Verhältnis verwoben sind (vgl. S. 255).




Kapitel 7 gibt Diskussionen über die Transformation von Staatlichkeit in Zeiten ökonomischer Globalisierung und politischer Internationalisierung wieder und bezieht diese auf Überlegungen zu Chancen für Geschlechtergerechtigkeit (vgl. S. 283). Sauer verweist auf „die Notwendigkeit einer Neu-Erfindung des Raums frauenbewegter Intervention“ (S. 304) und einen potentiellen politischen Handlungsspielraum, der aus der Krise der Erwerbsgesellschaft resultiert. Abschließend formuliert sie vier Hinweise zur Neupositionierung von Frauenpolitik als aktiven Faktor im globalen Wandel: Erstens müsse der Geschlechterkonflikt wieder gegenhegemonial politisiert werden, zweitens sei es notwendig, einen strategischen frauenpolitischen Wechsel hin zu neuen Bündnissen und Handlungsformen zu entwickeln. Als dritten Aspekt nennt Sauer, dass sowohl Frauenbewegung als auch Gleichstellungspolitik Ungleichheiten zwischen Frauen als politisches Faktum verstehen und deshalb differenzierte Strategien entwickeln müssten. Viertens biete die sogenannte Glokalisierung, d.h. eine gleichzeitige Globalisierung und Lokalisierung, die Option, dezentrale Bewegungsnetze zu mobilisieren (vgl. S. 305-306). 




Sauers Verbindung staatstheoretischer Konzepte des politikwissenschaftlichen Malestreams mit Ansätzen aus der feministischen Theorie ist spannend und anregend zugleich. Sauer zeigt in ihrer Analyse sowohl Stärken als auch Schwächen der beiden Forschungsrichtungen auf und benennt in einer konstruktiven Vorgehensweise Schnittpunkte, die diese anschlussfähig machen. Positiv hervorzuheben ist, dass Sauer es nicht bei (staats-)theoretischen Überlegungen belässt, sondern sich zudem mit der politischen Partizipation von Frauen in Deutschland und Österreich auseinandersetzt und politische sowie politikwissenschaftliche Konsequenzen zur Optimierung der Partizipationsmöglichkeiten von Frauen formuliert. In ihrem abschließenden Kapitel setzt sich Sauer kritisch mit der Frage nach Geschlechtergerechtigkeit und Staatlichkeit in Zeiten der Globalisierung auseinander und entwickelt Thesen zu Grenzverschiebungen zwischen Markt und Staat, Öffentlichkeit und Privatheit und deren Implikationen für eine feministische Handlungsperspektive.


Dem eigenen Vorhaben, neben der Formulierung eines Erklärungssystems für Staatlichkeit auch einen Beitrag zur politischen Strategiebildung der Frauenbewegung zu leisten, wird die Autorin gerecht. Es ist jedoch fraglich, ob es möglich ist, wie Sauer poststrukturalistische Konzepte bzw. die Dekonstruktion des Subjekts einerseits zu kritisieren und andererseits Ansätze dieser Denkrichtung in die eigenen Überlegungen zu integrieren, wie der explizite Bezug auf Foucault und ein Verständnis von Staat als diskursive Praxis verdeutlichen.



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Wir werden sehen, dass wir ohne Foucault bei dieser Debatte nicht herum kommen. - Feministischer Ansatz hin  oder her.





Vor allem die Inhalte ab Kapitel 7 wären total themenspezifisch.



frdl. G.


Marianne


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