AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?
Hallo Lilith,
liebe Miriam,
ich glaube, der Knackpunkt der zwischen Euch bestehenden Kontorverse liegt darin, wie man das Bestehen von Freiheit hinterfragt, theoretisch oder praktisch:
Um noch einmal Kant zu bemühen: Sofern ich Teile seiner Erkenntnistheorie richtig verstanden habe (was ich mir nicht unbedingt anmaßen möchte) gehört Freiheit ebenso wie die Seele und Gott zu den transzendentalen Ideen, die sich dem Erkenntisvermögen entziehen, d.h. nicht beweisbar sind.
Freiheit gehört für Kant ins Reich der Ideen, die seiner Ansicht nach "gedacht" werden müssen (ebenso wie Seele und Gott seiner Ansicht nach auch, was aber für unsere Frage mir nicht von Bedeutung erscheint).
So ganz kann ich als blutiger Anfänger in Sachen Philosophie Kant zwar in seiner Logik nicht folgen, denn mir scheint, daß er eigentlich in dem Moment seine klare Linie verläßt, in dem er sich auf Ideen zurückzieht. (Ich bin zuversichtlich, daß mir das jemand vom Fach im Verlauf der künftigen Diskussionen eingehender erläutert).
Bedenkt man aber, daß in der Philosophie des Königsbergers mehr und mehr der Zielpunkt der praktischen Vernunft/ Ethik in den Fokus geriet, wird deutlich, daß ohne Freiheit die Moral auf wackeligen Füßen steht. Wie soll selbstbestimmtes Handeln gefordert werden, wenn Freiheit als Voraussetzung gar nicht existiert? In der Tat wäre ohne jedem Straftäter die Ausrede der schweren Kindheit, miesen Gesellschaft oder gar des Befehlsnotstandes immer offen. Der Mensch als Opfer seiner Verhältnisse.
Die "Streitfrage" wird sich daher schlecht entscheiden lassen.
Vom theorethischen Standpunkt wird sich Freiheit in der Tat nie beweisen lassen. Vom praktischen Standpunkt erscheint mir der sich mir momentan noch nicht ganz logische Kants Verweis auf Freiheit als notwendige Idee durchaus nachvollziehbar. Freilich enthebt dies den einzelnen nicht der Verantwortung, wie er mit dieser Freiheit umgeht.
Viele Grüße
Zwetsche