AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?
Wenn ich nun nur Lilith anspreche, geschieht dies weil ich mich auf die Beantwortung einiger ihrer Fragen beschränken möchte.
Spannend, liebe Lilith, aber auch schwierig, denn so widersprüchlich dies auch klingen mag: mein freier Wille ist etwas eingeengt durch die Erkenntnisse der Neurobiologie, die mich irgendwie zwingen mich für die eine oder die andere ihrer Richtungen zu entscheiden.
Nun verschiebe ich erneut den Wunsch darüber etwas zu schreiben, werde aber versuchen es spätestens morgen zu tun.
Ich denke, dass man zwischen Freiheit (im absoluten Sinne) und freien Willen unterscheiden müsste. Nein, eine absolute Freiheit gibt es sicher nicht. Lass es mich so definieren: wir verfügen über unseren freien Willen innerhalb eines Gefängnisses das wir uns paradoxerweise selber errichtet haben – auch wenn dieses Gefängnis keine (sichtbaren) Wände besitzt.
Wieso wir uns dieses Gefängnis erbaut haben? Nun, hauptsächlich wegen unseres Bedürfnisses nach Sicherheit. Dazu gehört auch der Wunsch nach materieller Absicherung. Ich schreibe dies nicht ohne zu wissen, dass mir selber dieses Sicherheitsbedürfnis gar nicht fremd ist und, dass ich mir auch einige Gefängniszellen deswegen errichtet habe.
Insofern sind wir ja auch geprägt durch eine Gesellschaft in der man sich das Fehlen existentieller Sicherheit sicher nicht leisten kann.
Aber innerhalb dieser Existenz gibt es m.E. genügend Freiraum um sich zwischen unterschiedlichen Optionen entscheiden zu können.
(musste mich selber zitieren um deine Frage in den Kontext zu stellen)
Durch deine Frage erst habe ich darüber nachgedacht – und ich denke, dass es da zwei entscheidende Lebensphasen gegeben hat: die erste war mein Leben in einer Diktatur (Rumänien) – sowohl meine Freunde als auch ich wären sicherlich da zugrunde gegangen, hätten wir uns nicht wesentliche Freiräume, zum Teil innerliche, geschaffen. Da war vielleicht das Gefängnis als Bedrohung richtig spürbar und hatte sogar für einigen meiner Freunde, Wände.
Doch das Unterscheiden zwischen Freiheit und freier Wille (wie gesagt: eher begrenzt auf innere Freiräume), war jeden Tag gegenwärtig. Sich von den äußeren Umständen unabhängig zu machen, bedeutete auch sich des eigenen freien Willens bewusst zu sein, auch wenn unter diesen Umständen der Abstand zwischen freien Willen (innerer Freiraum) und Freiheit (äussere Einschränkung), besonders groß war.
Der zweite Moment der persönlichen Erfahrung mit Freiheit bzw. freien Willen, war die Auswanderung in den Westen, und die Feststellung, dass hier eine Selbsteinschränkung der eigenen Freiheit (siehe oben – das Sicherheitsbedürfnis) auch stattfindet.
Ich stimme dir zu – aber wir sollten eines nie vergessen: das Individuum ist nur ein kleines Detail in der Landschaft. Dies nicht um Verantwortung von uns weg zu schieben, aber einfach nur um uns nicht zu überschätzen. Und auch weil ich denke, dass ein übersteigertes Gefühl der Verantwortung nicht unbedingt förderlich ist.
Zum Schluß möchte ich noch Henri Bergson zitieren: "Als freies Handeln bezeichnen wir das, was unsere ganze Perönlichkeit zum Ausdruck bringt".
Kann es nicht sein, dass auch durch die Unterschiedlichkeit unserer Persönlichkeiten der Begriff freies Handeln bzw. freier Wille so unterschiedlich verstanden wird?
Liebe Grüße
Miriam