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Tanja Krienen
Guest
Das schöne Geld der Arbeitswelt
– Der DGB, die Tradition und die große Pleite
Sie waren in allen Medien und freuten sich über ihre vermeintliche Stärke. Sie sind noch immer in allen Medien – aber dort wollen sie nun gar nicht mehr hin. Die Rede ist von den deutschen Gewerkschaften, die das Nachwahljahr 2003 zur großen Wende erklärten und diese nun zu spüren bekamen. Endgültig, wie es scheint, ist der DGB politisch ins Abseits geraten.
„Wir wollen die Arbeitswelt humanisieren“ tönten die Gewerkschaften. „Wir wollen mehr Lohn“, schrie die Belegschaft. Wie sollte das zusammen passen, dort, im Osten, wo die Gier und der populäre Werbe-Geiz schon vor Dekaden mehr umwälzte, als alle politischen Programme zusammen genommen? Als ein unter diesen Umständen künstliches Aufbegehren trotz des Versuches eigene Erfolge zu organisieren - in der aber auch die Parteien des „Aufstandes“ nicht mehr zustande brachten, als aktionistisch anmutende Medienspielereien - brach das Fundament, die Basis, politisch weg, taumeln die Gewerkschaften seitdem ideologisch am Abgrund entlang. Die IG Metall erlitt mit dem Streikabbruch im Sommer 2003 ihre größte Niederlage der Geschichte – schon seit Anfang des Jahres rollte die Austrittswelle, verließen pro Tag 400 Menschen die Einzelgewerkschaft. Anschließende Personal- und Organisationsdebatten ließen die Handlungsfähigkeit gänzlich erstarren, trotz der demonstrativ gezeigten Einheit der IGM auf ihrer jüngsten Bundesversammlung.
Widerspruch in der zunehmend cool durchdachten Arbeitswelt wäre wünschenswert – debattiert wird jedoch wohl kalkuliert an der Oberfläche mit Stimmungen und dem alten Bart, den viele der Agierenden im Gesicht zur Schau und spazieren tragen, denn -…
Es wird der Status Quo zementiert; notwendige Veränderungen - möglich und sinnvoll - durch Geldzahlungen befriedet. Eine Diskussion darüber findet nicht statt! Paul Lafargues Müßiggang – abzüglich idealistischer Schwärmereien – wird unter den Proletariern verachtet. Wenn er stattfindet, dann als billiges Spektakel, als simple Belustigung, gedacht und bemessen wird dabei: Nichts!
Man nimmt sie hin, die Hatz, die Einfalt des tagtäglichen Einerleis, auch Stumpfheit, welche durch immergleiche Handlungen, die schöpferischen unter den Menschenmaschinen, fast bis in den Wahnsinn treibt. Unterordnung herrscht vor, weil Fragen stören; Initiativen Einzelner werden skeptisch beäugt, da sie eine Autoritätsverschiebung darstellen; Misstrauen wird gesät, weil es zur Differenzierung der Belegschaft beiträgt.
Der Laden brummt. Die Lautsprecher dröhnen. Sie blöken unentwegt das Lied im Stil der Pressmusike. Der Rhythmus klebt im Raum. Er sickert in die Gemüter. Hier und dort strömt Duft aus einem Plastikgehäuse. Tag für Tag, Stunde für Stunde, - Pausen werden nervös abgesessen. „Für den Lärm muss es 10 Cent Zuschlag in der Stunde geben“, poltert der Betriebsrat. Alle nicken. Guter Mann, der schonungslos sagt, was Sache ist. Sie klopfen ihm auf die Schulter. Die Wiederwahl ist ihm sicher. Seine Schritte werden länger und breiter.
Es wird gehn. Das billige Glück, der breiteste Fernseher, die funktionellste Uhr, die Anlage mit noch dunkleren Bässen (für noch mehr nichts sagende Töne als je zuvor), das Auto mit allen Schikanen. Hat man es nicht, heißt man das Armut. Um nicht arm zu sein, werden die Rahmen-bedingungen jeden Morgen taxiert und verschämt begrüßt. Sonne fehlt sowieso.
Früher war alles besser. Die Bergmannskappelle spielte so schön. Jawoll, da wurde im Pütt malocht (Staublunge ab 45 garantiert), vor dem Hochofen um die Wette geglüht, mit heißer Schlacke getanzt, Plaste und Elaste durch die Nasen direkt ins Hirn gesogen. An diese Tradition erinnert man sich, schwelgt, beschwört – es hat das kleine Häuschen gebracht. Die Enkelkinder können nicht „Synagoge“ buchstabieren. Und fragt jemand doch mal: „Opa, wieviel Juden habt ihr puttemacht?“ sagt der: „Hamas Lexikon denn wieder verlegt?“
Die Arbeiterbewegung findet nicht statt. Sie hockt auf dem Campingplatz und schmort Würste, große Würste; sie klopft sich auf die breiten Schenkel, im Schunkel-Takt; sie hört die Lieder der „Geschwister Weißwäscher“; sie liest manchmal, die Frauen das „Bunte Blatt“ und die Männer jetzt auch ein Buch: „Die Dieter Bohlen-Biographie“ – dann diskutiert man bis spät in die Nacht, ob Naddel es mehr bringt als Verona. Geprügelt wird selten. Die Frauen werden nicht angesehn. Ihre übel riechenden Hunde fressen die Reste.
Ja, gesungen wird oft, doch sind darunter keine politischen Mailiedchen und schon gar nicht das von Erich Weinert aus dem Jahre 1923:
Sozialdemokratisches Mailiedchen
Stell auf den Tisch das Bild von Vater Bebel,
Den Vorwärts, Jahrgang 13, hol herbei,
Und klirre wieder mit dem Schutzmannsäbel
Wie einst im Mai
Lies mir noch mal die alten Manifeste,
Der ersten Jugend holde Schwärmerei,
Und reich mir wieder die gestrickte Weste
Wie einst im Mai
Noch einmal singt die INTERNATIONALE,
Doch macht nicht wieder solchen Krach dabei,
Und nicht mit so pathetischem Finale
Wie einst im Mai
Noch einmal tragt die feierlichen Fackeln
Die Reichswehr mit Musik ist auch dabei.
Wer weiß, ob uns nicht doch die Ärsche wackeln
Dereinst im Mai
Tanja Krienen
– Der DGB, die Tradition und die große Pleite
Sie waren in allen Medien und freuten sich über ihre vermeintliche Stärke. Sie sind noch immer in allen Medien – aber dort wollen sie nun gar nicht mehr hin. Die Rede ist von den deutschen Gewerkschaften, die das Nachwahljahr 2003 zur großen Wende erklärten und diese nun zu spüren bekamen. Endgültig, wie es scheint, ist der DGB politisch ins Abseits geraten.
„Wir wollen die Arbeitswelt humanisieren“ tönten die Gewerkschaften. „Wir wollen mehr Lohn“, schrie die Belegschaft. Wie sollte das zusammen passen, dort, im Osten, wo die Gier und der populäre Werbe-Geiz schon vor Dekaden mehr umwälzte, als alle politischen Programme zusammen genommen? Als ein unter diesen Umständen künstliches Aufbegehren trotz des Versuches eigene Erfolge zu organisieren - in der aber auch die Parteien des „Aufstandes“ nicht mehr zustande brachten, als aktionistisch anmutende Medienspielereien - brach das Fundament, die Basis, politisch weg, taumeln die Gewerkschaften seitdem ideologisch am Abgrund entlang. Die IG Metall erlitt mit dem Streikabbruch im Sommer 2003 ihre größte Niederlage der Geschichte – schon seit Anfang des Jahres rollte die Austrittswelle, verließen pro Tag 400 Menschen die Einzelgewerkschaft. Anschließende Personal- und Organisationsdebatten ließen die Handlungsfähigkeit gänzlich erstarren, trotz der demonstrativ gezeigten Einheit der IGM auf ihrer jüngsten Bundesversammlung.
Widerspruch in der zunehmend cool durchdachten Arbeitswelt wäre wünschenswert – debattiert wird jedoch wohl kalkuliert an der Oberfläche mit Stimmungen und dem alten Bart, den viele der Agierenden im Gesicht zur Schau und spazieren tragen, denn -…
Es wird der Status Quo zementiert; notwendige Veränderungen - möglich und sinnvoll - durch Geldzahlungen befriedet. Eine Diskussion darüber findet nicht statt! Paul Lafargues Müßiggang – abzüglich idealistischer Schwärmereien – wird unter den Proletariern verachtet. Wenn er stattfindet, dann als billiges Spektakel, als simple Belustigung, gedacht und bemessen wird dabei: Nichts!
Man nimmt sie hin, die Hatz, die Einfalt des tagtäglichen Einerleis, auch Stumpfheit, welche durch immergleiche Handlungen, die schöpferischen unter den Menschenmaschinen, fast bis in den Wahnsinn treibt. Unterordnung herrscht vor, weil Fragen stören; Initiativen Einzelner werden skeptisch beäugt, da sie eine Autoritätsverschiebung darstellen; Misstrauen wird gesät, weil es zur Differenzierung der Belegschaft beiträgt.
Der Laden brummt. Die Lautsprecher dröhnen. Sie blöken unentwegt das Lied im Stil der Pressmusike. Der Rhythmus klebt im Raum. Er sickert in die Gemüter. Hier und dort strömt Duft aus einem Plastikgehäuse. Tag für Tag, Stunde für Stunde, - Pausen werden nervös abgesessen. „Für den Lärm muss es 10 Cent Zuschlag in der Stunde geben“, poltert der Betriebsrat. Alle nicken. Guter Mann, der schonungslos sagt, was Sache ist. Sie klopfen ihm auf die Schulter. Die Wiederwahl ist ihm sicher. Seine Schritte werden länger und breiter.
Es wird gehn. Das billige Glück, der breiteste Fernseher, die funktionellste Uhr, die Anlage mit noch dunkleren Bässen (für noch mehr nichts sagende Töne als je zuvor), das Auto mit allen Schikanen. Hat man es nicht, heißt man das Armut. Um nicht arm zu sein, werden die Rahmen-bedingungen jeden Morgen taxiert und verschämt begrüßt. Sonne fehlt sowieso.
Früher war alles besser. Die Bergmannskappelle spielte so schön. Jawoll, da wurde im Pütt malocht (Staublunge ab 45 garantiert), vor dem Hochofen um die Wette geglüht, mit heißer Schlacke getanzt, Plaste und Elaste durch die Nasen direkt ins Hirn gesogen. An diese Tradition erinnert man sich, schwelgt, beschwört – es hat das kleine Häuschen gebracht. Die Enkelkinder können nicht „Synagoge“ buchstabieren. Und fragt jemand doch mal: „Opa, wieviel Juden habt ihr puttemacht?“ sagt der: „Hamas Lexikon denn wieder verlegt?“
Die Arbeiterbewegung findet nicht statt. Sie hockt auf dem Campingplatz und schmort Würste, große Würste; sie klopft sich auf die breiten Schenkel, im Schunkel-Takt; sie hört die Lieder der „Geschwister Weißwäscher“; sie liest manchmal, die Frauen das „Bunte Blatt“ und die Männer jetzt auch ein Buch: „Die Dieter Bohlen-Biographie“ – dann diskutiert man bis spät in die Nacht, ob Naddel es mehr bringt als Verona. Geprügelt wird selten. Die Frauen werden nicht angesehn. Ihre übel riechenden Hunde fressen die Reste.
Ja, gesungen wird oft, doch sind darunter keine politischen Mailiedchen und schon gar nicht das von Erich Weinert aus dem Jahre 1923:
Sozialdemokratisches Mailiedchen
Stell auf den Tisch das Bild von Vater Bebel,
Den Vorwärts, Jahrgang 13, hol herbei,
Und klirre wieder mit dem Schutzmannsäbel
Wie einst im Mai
Lies mir noch mal die alten Manifeste,
Der ersten Jugend holde Schwärmerei,
Und reich mir wieder die gestrickte Weste
Wie einst im Mai
Noch einmal singt die INTERNATIONALE,
Doch macht nicht wieder solchen Krach dabei,
Und nicht mit so pathetischem Finale
Wie einst im Mai
Noch einmal tragt die feierlichen Fackeln
Die Reichswehr mit Musik ist auch dabei.
Wer weiß, ob uns nicht doch die Ärsche wackeln
Dereinst im Mai
Tanja Krienen