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Hier die "10 Thesen für ein weltoffenes Deutschland" von


Richard Schröder ist Philosoph und Theologe. Er war 1990 SPD-Fraktionschef in der DDR-Volkskammer und danach Mitglied des Bundestages.

Eva Quistorp ist Theologin und eine Mitgründerin der Grünen, für die sie im Europaparlament war.

Gunter Weißgerber ist Ingenieur, er war Mitgründer der SPD in der DDR und für die Sozialdemokraten im Bundestag.


https://www.amazon.de/Weltoffenes-Deutschland-Thesen-unser-verändern/dp/3451381877


Hatte die Deutsche Regierung  entsprechend dieser 10 Thesen gehandelt, wäre Chemnitz für die meisten Menschen in dieser Welt noch immer die unbekannte Stadt irgenwo im Osten von Deutschland. Und an diesen 10 Thesen sieht man, dass es auch Menschen aus dem Linken Spektrum gibt, die denn Bezug zur Realität noch nicht gänzlich verloren haben.



These 1


Da der Migrationsdruck auf Europa vor allem durch den Geburtenüberschuss in Nahost, Mittelost und Afrika bedingt ist, wird er auf absehbare Zeit nicht abnehmen. Wenn wir Erfolge in der Bekämpfung des Hungers in Afrika erlangen, wird er sogar zunehmen, weil dann mehr Menschen sich die Reise nach Europa leisten können.


Hochrechnungen aufgrund von Befragungen haben ergeben, dass ca. 500 Millionen Menschen aus diesen Gegenden nach Europa kommen möchten, wenn sie könnten. Daraus ergibt sich zwingend, dass Europa die Immigration regulieren muss. Wir können nicht alle aufnehmen, die zu uns kommen wollen. Zudem verbreiten Schlepper illusionäre Erwartungen, die Enttäuschungen und Aggressionen programmieren.


These 2


Wir müssen klar unterscheiden zwischen drei Gruppen.


a) Asylsuchende und Flüchtlinge gemäß Genfer Konvention. Sie sind individuell verfolgt aufgrund ihrer Ethnie, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.


b) Kriegsflüchtlinge, die der allgemeinen Kriegsgefahr wegen geflüchtet sind. Diese beiden Gruppen sollten in Europa für die Dauer der Gefahr Schutz finden. Wir finanzieren sie mit Steuergeldern, da es um ihr Leben geht.


c) Einwanderer, auch Wirtschaftsflüchtlinge genannt, die zu uns kommen, um hier bessere Lebenschancen wahrzunehmen. Denen gegenüber dürfen wir Bedingungen stellen: dass sie von ihrer Berufstätigkeit leben können und den Sozialstaat nicht belasten; dass sie also einen Beruf erlernt haben, der auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachgefragt ist, und dass sie über gute Deutschkenntnisse verfügen. Für Einwanderer könnte man eine Obergrenze festlegen. Das wäre derzeit aber sinnlos, da trotz der vielen Flüchtlinge qualifizierte Einwanderer fehlen. Auch die Medien haben dazu beigetragen, dass diese Unterschiede verwischt werden.


Für die beiden ersten und für die dritte Gruppe sollten zwei verschiedene kooperierende Institutionen zuständig sein. Die die Einwanderung betreffenden gesetzlichen Bestimmungen sollten in einem Einwanderungsgesetz zusammengefasst werden.


Dann könnte auch dem Missstand begegnet werden, dass diejenigen, die in Wahrheit einwandern wollen, sich als Asylsuchende oder Flüchtlinge ausgeben und die Verfahrenswege bei Behörden und Gerichten verstopfen. Wenn Migranten gegenüber den Behörden ihre Identität verschleiern, muss das rechtsstaatlich geahndet werden.


Die Standards für die Aufnahme und Versorgung von Antragstellern müssen innerhalb der Europäischen Union angeglichen werden. Aufnahmezentren müssen endlich in ganz Europa humanitären Anforderungen entsprechen. Anreize, die außereuropäische Migranten aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland locken, sollten abgebaut werden.


These 3


Vor dem Fall der Mauer mussten Flüchtlinge aus der DDR sich zunächst in eines der Aufnahmelager begeben, bis alle Formalien geklärt waren. Warum sollen Migranten von weiter her nicht auch zunächst in Aufnahmelagern unterkommen, bis geklärt ist, ob sie bleiben dürfen? Es ist zumutbar, dass Antragsteller zunächst in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigt sind im Unterschied zu denen, denen ein Aufenthaltstitel bereits zugesprochen ist.


Der Staat muss Vorsorge treffen, dass seine Anordnungen auch durchgesetzt werden. Er ist berechtigt, zu verhindern, dass abgelehnte Asylbewerber untertauchen, also illegal im Lande bleiben – und irgendwann auch noch legalisiert werden. Dadurch macht sich der Staat lächerlich und darf sich nicht darüber beschweren, dass er von vielen Migranten nicht mehr ernst genommen wird. Sie denken dann: „Die Deutschen kann man leicht betrügen.“


These 4


Nach dem Fall der Mauer haben manche gemeint, nun eröffne sich die Möglichkeit einer Welt ohne Grenzen. In Wahrheit kann ein moderner Staat die in ihn gesetzten hohen Erwartungen ohne Grenzkontrollen gar nicht erfüllen.


Wenn zwischen Staaten die Grenzkontrollen aufgehoben werden wie in der EU, ist das sehr angenehm und erfreulich, hat aber unausweichlich zur Konsequenz, dass die Kontrollen an die Außengrenzen verlegt werden. Das ist bei Seegrenzen nicht ganz einfach. Bei völlig offenen Grenzen ist ein Sozialstaat unmöglich, denn das bedeutete: unbegrenzte Ausgaben bei begrenzten Einnahmen. Und das funktioniert nie.


Aber auch die soziale und innere Sicherheit sowie der Schutz vor Kriminalität sind nur möglich, wenn die entsprechenden Behörden wissen, wer sich im Lande aufhält.


Und auch diejenigen, die erklären, der homogene Nationalstaat habe ausgedient, haben zwar darin recht, dass Zuwanderung jetzt europaweit etwas Normales ist, aber trotzdem werden alle europäischen Staaten bei ihren Amts- und Verkehrssprachen bleiben, wie auch bei ihren nationalen Feier- und Gedenktagen und den schwer zu definierenden, aber umso hartnäckiger bestehenden nationalen Traditionen und Üblichkeiten.


Wenn ein Regierungsmitglied – und ausgerechnet die Integrationsbeauftragte – erklärt, außer der deutschen Sprache gebe es keine deutsche Kultur, sollten wir sie bitten, auch mal in Frankreich oder Polen lautstark zu behaupten, es gebe keine französische oder polnische Kultur. „Die Bestimmung unserer nationalen Identität dürfen wir nicht extremen politischen Kräften überlassen.“ (Helmut Schmidt)


These 5


Für die Wahrnehmung eines Grundrechts, wie etwa der Meinungsfreiheit, kann es keine Obergrenze geben. Dasselbe gilt für das Asylrecht. Es gibt aber bei der Aufnahme und Integration von Migranten Kapazitätsgrenzen. Diese Grenze wird gewahrt, solange die Zuwanderung die üblichen Abläufe in öffentlichen Einrichtungen, Kitas, Schulen, Krankenhäusern, nicht stört oder gar zerstört.


Die Migrationswelle von 2015/16 hat diese Kapazitätsgrenze überschritten. Unsere staatlichen Institutionen und ihr Personal sind erheblich überfordert worden. Erst nach und nach werden Kommunen und Jobcenter davon betroffen. Denn erst nachdem Flüchtlinge in ihrem Status anerkannt sind, drängen sie auf den Wohnungs- und Arbeitsmarkt.


Billige Wohnungen und Arbeitsplätze für niedrig Qualifizierte sind aber ohnehin knapp. Es gibt diejenigen Alteingesessenen mit und ohne Migrationshintergrund, die die Neuankömmlinge als Konkurrenten auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt betrachten, und zwar nicht ganz zu Unrecht. Es ist abwegig und unanständig, sie deshalb als Nazis oder Rassisten zu beschimpfen.


Kapazitätsgrenzen können in Notsituationen überschritten werden, wie bei Naturkatastrophen oder Bürgerkriegen nebenan. Dafür bringt die Mehrheit Verständnis auf, wie wir beim wunderbaren, wenn auch vielleicht zunächst sehr naiven Willkommen 2015 erlebt haben.


Wenn aber die Überschreitung der Kapazitätsgrenzen unabsehbar oder „normal“ wird, führt das zu fatalen Reaktionen, nämlich zu entfesselten Ängsten, die sich in Fremdenhass transformieren, zu Nationalismus und Rassismus, bis hin zur Gefährdung der Demokratie.


Wenn wir das verhindern wollen, müssen wir auf die Kapazitätsgrenzen achten. Der zusätzliche Personalbedarf in den Bereichen Kita, Schule, Sozialarbeit, Pflege, Gesundheit, Polizei muss endlich ehrlich beziffert werden. Kinder sollen nicht spüren, was sie kosten.


Erwachsene müssen bei allem, was sie ins Werk setzen, die Kosten bedenken. In allen Bereichen der Gesellschaft sind zudem entsprechende Weiterbildungen nötig. Deutschland verträgt Zuwanderung gut – aber nicht übermäßig große Zuwanderung in kurzer Zeit. Das verträgt überhaupt kein Land dieser Erde gut.



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