Die Frau taugt nicht zum Lehrerberuf:
Geschichte lehrt uns nicht selten, dass Menschliches einerseits höchst wandelbar erscheint, andererseits manche Dinge offenbar von Generation zu Generation wiederkehren und das schon seit es Geschichtsschreibung gibt.
Die Schule ist in ihrer modernen Gestalt (als staatlich regulierte und verbindliche Einrichtung) noch keine 200 Jahre alt. Seither hat sich nur oberflächlich betrachtet wenig verändert (nimmt man die bloße äußerliche Gestalt als Bestimmungshilfe), tatsächlich passt sich Schule und Bildung den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen an - wenn auch meist mit etwas Abstand. Die Schule ist ein Subsystem der Gesellschaft; ohne Zweifel ein bedeutendes, aber kein - das zeigt die Geschichte sehr deutlich - maßgeblich bestimmendes.
Was hat das mit der Frau zu tun? Im Ausgehenden 19. Jahrhundert sah man es nicht gerne, wenn Frauen lehrten, man hielt sie für untauglich und wollte diese Domäne den Männern vorbehalten wissen. Nun könnte man meinen, dies sei eben eine altmodische, unmoderne und eben rückständige Zeit in jeglicher Hinsicht gewesen. Betrachtet man historische Situationen etwas präziser, stellt man allerdings schnell fest, dass dies so einfach nicht ist - man argumentierte gegen die Frau, indem man ihr einen altmodischen und primitiven Unterrichtsstil unterstellte.
Die Maßgaben hierbei muten just dem an, was man in heutigen Reformvorschlägen 1:1 wiederfindet. Man könnte nun den Schluss ziehen, dass bisherige Schulreformen eben nicht recht umgesetzt wurden, sie aber im Grunde völlig zurecht Generation für Generation in der ein oder andern Spielart auf dem Plan stünden. Das wäre jedoch wiederum zu einfach gedacht, da die geäußerten Absichten damals wie heute Konsens sind. So scheint es also letztlich der Mensch zu sein, der nicht so kann, wie er eigentlich möchte; oder anders: Der vielleicht gar nicht recht weiß, was er eigentlich erwartet, vom Umstand abgesehen, dass die Praxis selten den eigenen und persönlichen Harmonievorstellungen entspricht, da sie von Heterogenität wesentlich gekennzeichnet ist.
Zurück zur Frau und (Schul-)Geschichte.
Wilhelm Cremer (königlicher Kreisschulinspektor) kommt 1884 zu folgendem Ergebnis:
"Danach leisten 18% der Lehrerinnen in Unterricht und Erziehung nur Befriedigendes (höchstens 10% kommen einem tüchtigen Lehrer ‚in etwa‘ gleich), 22% genügen mäßigen Anforderungen, 60% bleiben hinter dem Minimum zurück. Große Mängel findet er in Lehrgeschick und methodischer Auffassung vor. Er vermißt vor allem strenge geistige Zucht, die sich über Ziele und Wege des Unterrichts im Klaren ist. Im Leseunterricht z.B. herrsche ein sinnloses Lautieren und Buchstabieren. Im Anschauungsunterricht ließen Frauen ‚ohne sachlichen und poetischen Reiz ..., der das kleinste und alltäglichste für Kinder interessant macht, ... Stuhl- und Tischbeine, die Füße der Tiere und die Gliedmaßen der Menschen ... der Zahl nach aufzählen ... ein bloßes Nachsagen aber regt weder die Denkfähigkeit noch die Sprachfähigkeit des Kindes genügend an, ... das Gemüth geht dabei vollständig leer aus. ... Freude, Interesse, aufmerksame Hingabe empfindet das Kind nicht, weil alle Beziehungen zum eigenen Leben, zu der eigenen realen oder dichtenden Gedankenwelt des Kindes ferne bleiben.‘ In der älteren Lehrerin sieht er die Enttäuschte, die mit ‚kalter Rücksichtslosigkeit‘ natürliche Schwächen der Kinder straft, ‚maßlose Anforderungen an den häuslichen Fleiß‘ stellt, mangelnden sozialen Sinn, ‚weibliches Keifen, ... schulmeisterliche Herrschsucht und Pedanterie‘ an den Tag legt und aus ‚bitterem Kampf ums Dasein‘ der Schule zum Ärgernis wird. Cremer zieht den Schluß ‚Bei allen Lehrerinnen ist das Bewußtsein vorherrschend – sie mögen es sich eingestehen oder nicht, die Thatsachen beweisen es – daß sie ihren Beruf verfehlt haben.‘"
(Zitiert in: Helmut Fend, "Neue Theorie der Schule", 2008, VS: Wiesbaden, S. 23 f.)
Ist hier die geforderte "strenge geistige Zucht" im Widerspruch zur von mit fett hervorgehobenen Zielsetzung des Unterrichts? Mitnichten! Die freie Entfaltung des Kindes findet nämlich stets in der jeweiligen Gesellschaft und damit orientiert an Wertvorgaben statt, das gilt für den Nationalsozialismus ebenso wie für die Kaiserzeit.
Schule ist ein Spiegel (resp. Knecht) der Gesellschaft, sie war nie und ist bis heute nicht ihr Taktgeber.
Und das ist gut so!
Gruß
Phil