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Hallo Robin.




Jein bis nein. Für mich ist Bewusstsein primär einfach ein Konglomerat von Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen. Oder anders gesagt: Bewusste Erlebnisse. Aber was genau determiniert jetzt, welche bewussten Erlebnisse die meinen sind, und welche die deinen? Von meinen Erlebnissen jetzt bekommst du subjektiv nichts mit, höchstens indirekt. Du kannst bezweifeln, dass ich überhaupt subjektive Erlebnisse habe. Umgekehrt gilt das gleiche für mich und deine Erlebnisse. Was wir in einem bestimmten Moment erleben, ist zudem nur eine kleine Teilmenge aller Erlebnisse zu einem bestimmten Moment. Wie gesagt, man muss annehmen, dass es die Situation des jeweils eigenen Selbstes in der Welt ist, welche determiniert, welche Erlebnisse jeweils uns zukommen. Und was ermöglicht, dass ich nicht nur jetzt Erlebnisse habe, sondern auch in Zukunft und in der Vergangenheit (was jedenfalls der Fall zu sein scheint, und was wir einfach mal als wahr angenommen haben)?

Das genau wäre das Selbst.


Gut, man könnte z.B. (um Aspekt zwei aufzugreifen) verkürzend fragen: Ist dieses Bewusstsein (dieses Menschen da) identisch mit dem Bewusstsein (dieses Menschen) vor 5 Minuten? Aber das wäre etwas unklar ausgedrückt. In welchem Sinn soll es dasselbe Bewusstsein sein, schliesslich haben sich die Inhalte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit gewandelt.


Und ich bestreite ja nicht, dass es Zustände vorübergehender Bewusstlosigkeit geben kann - wenn das Selbst das Bewustsein wäre, hiesse das, dass in so einem Zustand das Selbst einer Person aufgehört hat zu existieren. Aber was, wenn sie wieder zu sich kommt? Kann es dann noch dieselbe Person sein? Wie? Warum? Was ist die Verbindung, die Kontinuität? Man muss sich das mal aus der eigenen subjektiven Perspektive vorstellen, damit das Problem in seiner ganzen Tragweite bewusst wird: Wenn ich mal bewusstlos werde, unter welchen Bedingungen kann ich später wieder bewusst sein? Oder bin ich unwiderruflich seelisch tot, nur wenn ich mal kurz bewusstlos werden sollte? Das Selbst ist meiner Definition nach unter anderem der Träger dieser Identität. Wenn es im bewusstlosen Zustand nicht existieren täte, könnte es diese Funktion natürlich nicht übernehmen.


Diese beiden Funktionen des Selbst, so wie ich es definiere, legen doch oberflächlich betrachtet wirklich den Schluss nahe, dass es mit dem Körper, bzw. Gehirn zu identifizieren ist. Solange mein Gehirn existiert und funktionstüchtig ist, solange kann ich wieder zu Bewusstsein kommen. Und ich bin die Person, die die Erlebnisse hatte, die ich mich erinnere gehabt zu haben, weil ich dasselbe Gehirn bin. Und meine Erlebnisse sind einfach die Erlebnisse meines Gehirns, während die Erlebnisse jedes anderen Gehirns mir logischerweise subjektiv nicht zugänglich sind. Genau diese Identifikation des auf diese Weise definierten Selbstes ist es aber, was ich zu widerlegen versucht habe.


Wenn es nun kein substanzielles Selbst geben sollte, was wir empirisch wie gesagt nicht entscheiden können, dann ist das Selbst, oder Pseudo-Selbst wie ich es genannt habe, in der Tat ein Aspekt jedes Bewusstseins. Sozusagen die spezifisch individuelle Färbung eines bestimmten Bewusstseins, oder des Bewusstseins einer bestimmten Person.


Falls jemand diesen Gedankengang schon beschrieben und veröffentlicht haben sollte, wäre ich natürlich interessiert und dankbar, davon zu erfahren. Also; hat jemand schon mal eine Identifikation des in meinem Sinne (!) verstandenen Selbstes mit materiellen Objekten widerlegt? Dazu müsste natürlich schon mal jemand auf die Problematik hingewiesen haben, die durch meinem Selbst-Begriff ausgedrückt wird, was mir nicht selbstverständlich erscheint. Aber möglich wäre es schon. Unter anderem deshalb schreibe ich auch hier. ;)





Naja, soweit ich das beurteilen kann, ist von den physikalistischen Modellen schon der Funktionalismus die plausibleste Variante. Käme der der Systemtheorie nicht nahe?


Allerdings, wenn ich annehme, dass Menschen ein unphysikalisches Selbst haben, bin ich wohl ein Substanz-Dualist, wenn auch nicht ganz im cartesischen Sinne.

Ansonsten, wenn ich nicht ein Selbst annehme, dann akzeptiere ich nur mentale Eigenschaften.

Trotzdem wäre ich wahrscheinlich ein Substanz-Dualist, aber einer, der nur eine einzige geistige Substanz annimmt.





Je nun, ich habe schon von den Split-brain Patienten gelesen. Ich würde sagen, das ist von einigen (Nagel) etwas überinterpretiert worden, imho. Wie du schon gesagt hast, gibt es dann nicht plötzlich vorübergehend zwei voneinander unabhängige Bewusstseine oder Selbste, sondern die Hirnhälften sind mit ihren spezifischen Fähigkeiten in bestimmten Situationen auf sich allein gestellt. Die linke Hälfte kann zwar ein Wort lesen, sich aber keine Form darunter vorstellen, die rechte Hälfte kann eine Form erkennen, kann sie aber nicht benennen. Wenn also ein Objekt nur mit der linken Hand wahrnehmbar ist, ist es für die Patienten nicht benennbar. Das linke Auge kann Wörter nicht lesen, aber Bilder verstehen. Wenn man dann beiden Augen eine Aufgabe zu lesen gibt, und ein dazu gehörges Bild nur dem linken Auge zeigt, dann ergibt sich manchmal ein etwas seltsames Verhalten, das aber nicht durch die Annahme zweier unabhängiger Bewusstseine oder Selbste erklärt werden muss. Wir kennen ja auch Situationen, wo wir zwischen zwei Fakten keine Verbindung herstellen können, wo uns eine Lösung einfach nicht einfällt, oder wo uns ein Wort auf der Zunge liegt, aber nicht einfällt.

Dass die kognitiven Funktionen von den Hirnstrukturen abhängen, würde ich im übrigen nicht bestreiten. Darum gings mir in meinem Beitrag auch gar nicht.




Ich glaube nicht, dass ich dich hier vollständig verstehe. Aber ich habe das Gefühl, da liegt tatsächlich ein Knackpunkt nahe. Wie ist das Momenthaft zu verstehen, bzw. kannst du diesen Satz etwas erläutern?


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