Real existierender oder imaginierter Antisemitismus ?
Bei Abhandlungen über den Antisemitismus wird dieses Phänomen häufig
nach verschiedenen Kriterien in Teilphänomene untergliedert; z.B. in
religiöser, politischer, rassistischer, völkischer, antizionistischer,
struktureller, sekundärer, funktionaliserter, klassischer, moderner, etc..
Generell mag ja die feingliedrige Unterteilung eines Phänomenes dessen Analyse
erleichtern, im konkreten Fall zieht sie allerdings auch die Notwendigkeit nach sich,
für jedes postulierte Teilphänomen eine solide und nachvollziehbar begründete
Antwort auf die obligate und alles entscheidende Frage zu liefern, die da lautet:
Liegt hier tatsächlich ein Antisemitismus vor ?
Wird in einer Abhandlung über das Phänomen Antisemitismus für die postulierten
Teilphänomene keine solide und nachvollziehbar begründete Antwort auf diese
obligate Frage geliefert, oder diese Frage gleich gar nicht erst gestellt,
dann bleibt unklar, ob ein real existierender Antisemitismus abgehandelt wird.
In solchen Analysen wird möglicherweise ein imaginierter oder halluzinierter
Antisemitismus abgehandelt, und damit einer weitestgehenden Kritik-Immunisierung
von jüdischen Institutionen oder Personen Vorschub geleistet, indem sie Denkfiguren
bereitstellen, mit denen jegliche Kritik an jüdischen Institutionen oder Personen
als eine von vielen möglichen Manifestationen von Antisemitismus gebrandmarkt
werden kann.
Solche Abhandlungen fungieren dann primär als Propaganda-Instrumente.
Auf die Spitze getrieben könnte das dazu führen,
dass man den Gauner und Großbetrüger Bernard Madoff,
der bekanntlich rund 60 Milliarden US-Dollar seiner Kunden veruntreut hat,
nicht einen "Gauner und Großbetrüger" nennen darf,
weil der ja Jude ist und folglich jederzeit so ein Spinner daherkommen kann,
der daraufhin lauthals und hysterisch "du Antisemit!" plärrt.
Solche Spinner laufen anscheinend ja in großer Zahl frei herum.
Wenn in solchen Abhandlungen über Antisemitismus für die postulierten Teilphänomene
keine solide und nachvollziehbare Antwort auf die obligate Frage geliefert wird,
oder diese Frage gleich gar nicht erst gestellt wird, dann entsteht der Eindruck,
dass durch die feinziselierte Darstellung der Teilphänomene die eigentlich
entscheidende Frage in den Hintergrund gedrängt werden soll.
Eine Beantwortung der alles entscheidenden Frage
"Liegt hier tatsächlich Antisemitismus vor ?"
setzt eine möglichst allgemein gehaltene Definition von Antisemitismus voraus.
Definitionsgemäß müssen also zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein,
damit von real existierendem Antisemitismus die Rede sein kann:
1.) ein feindseliger Akt gegen Juden, und
2.) dieser feindselige Akt ist nicht durch das vorangegangene Verhalten
der betroffenen Personen gerechtfertigt.
Wenn Günter Grass die Kriegsdrohungen Israels gegen den Iran unmissverständlich
verurteilt, dann kann von Antisemitismus nicht die Rede sein.
Diese Sichtweise bzw. Definition passt recht gut zu einer Klarstellung
des seinerzeitigen Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland,
Ignaz Bubis, der vor etlichen Jahren einmal sinngemäß gemeint hat ...
Unter Berufung auf Ignaz Bubis schreibe ich also jetzt:
"Bernard Madoff ist ein Gauner und Großbetrüger."
Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.