AW: "An Kindes Statt"
Danke für Deinen Denkanstoß.
Ich war ein unerwünschtes Kind von Eltern, die nie Kinder haben wollten. Ein gehasstes Kind, das nie geboren werden hätte werden sollen.
Ein Kind mit einer unsäglich qualvollen Kindheit, das u. a. wegen der verwahrlosten Eltern schon früh ausgestoßen von der Gemeinschaft war. Und das zusehen musste, wie die viel, viel jüngeren Geschwister z.T. wesentlich besser behandelt wurden. Sie wurden nicht verantwortlich gemacht für all das Schlechte in der Familie.
Wie oft habe ich mir gewünscht, meine Eltern hätten mich zur Adoption freigegeben.
Von den ca. fünfzig Kindern im Kinderheim war nur eines ein Adoptivkind, und das wurde von den Adoptiveltern weder weggeben noch weggenommen, sondern es fuhr selbst ins Heim, weil es von seinem ebenfalls adoptierten leiblichen Bruder sexuell missbraucht worden war.
Ich hatte mir immer vorgestellt, wie schön es (gewesen) wäre, wenn ich (Adoptiv)Eltern (gehabt) hätte, die mich lieben. Die meine Existenz nicht als unerträgliche Katastrophe empfanden.
Nach Deinem Beitrag sehe ich die Sache etwas differenzierter. Das Gefühl, den Leuten dankbar sein zu müssen, weil sie mir die "Gnade" einer Adoption zukommen ließen. Das Gefühl, dass die Eltern vielleicht bereuen "ausgerechnet mich" adoptiert zu haben. Das Gefühl, wenn mich schon meine eigenen Eltern nicht annehmen konnten, wie sollten es die Adoptiveltern können? Was muss ich für ein schlechtes, minderwertiges, der Mutterliebe nicht würdiges Wesen sein.
Eigentlich unterscheidet sich das Gefühl nicht wesentlich von dem Gefühl, das ich als Kind (und bis heute) hatte. Nur mit dem Unterschied, dass es bei Adoptiveltern zwei Elternpaare gibt, denen man nicht gerecht werden kann.
Mein Vater hat immer wieder gesagt, dass er mich am liebsten gleich nach der Geburt "mit der Kotbürste zerdrückt und ins Klo geworfen" oder "mit dem nassen Bodenfetzen erschlagen und im Häus’l runtergespült" hätte.
Sein Morddrohungen "einmal erschlage ich Dich und dafür, dass Du nicht mehr existierst, setze ich mich gerne für zehn Jahre ins Häf’n", klangen immer weniger nach leeren Drohungen. Zumal er mich immer brutaler, immer lebensbedrohlicher misshandelte. Meine Mutter war nicht besser, nur körperlich misshandelte sie mich nicht. Dazu war sie zu träge. Das ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt an Grausamkeiten, die ich hier erwähne.
Nach Deinem Gedankenanstoß weiß ich, dass meine Kindersorgen nicht geringer, sondern nur anders gewesen wären, denn die Kombination meiner Erbanlagen mit dem Trauma, das ich als kleines Kind erfahren hatte, hätten aus mir sicher auch bei Adoptiveltern kein glückliches Kind gemacht.
So ähnlich hätte wahrscheinlich auch ich empfunden.