Lieber Gisbert, das was ich schrieb, bezog sich auf deine Bemerkung, dass die Bibel "im Jahre 1200 nach der ersten Niederschrift kanonisiert wurde". Und das ist eine fragwürdige Äußerung.
Hinsichtlich des Zeitraumes der Entstehung der biblischen Schriften habe ich nicht dem Entstehungszeitraum von ungefähr 1100 Jahren widersprochen, sondern vergeschlagen zwischen AT und NT zu unterscheiden. Das AT ist vermutlich in einem solchen Zeitrahmen entstanden und ca 100 n.Chr. von jüdischen Pharisäern kanonisiert worden. Die kurz danach in Umlauf gebrachte Septuaginta - die erste lateinische Ausgabe der hebräischen Schriften - wurde ungefähr vom 4. Jahrhundert an als verbindlicher Kanon angesehen. Anders liegt der Sachverhalt beim NT. Diese Schriften entstanden in einem Zeitraum von ungefähr 100 Jahren und wurden um den gleichen Zeitpunkt herum für verbindlich erklärt wie das AT.
Es ist daher zumindest grob vereinfachend, zu behaupten, dass die Bibel in einem Zeitrum von 1100 Jahren entstanden sei und auch deine Äußerung, sie sei "im Jahre 1200 nach der ersten Niederschrift" kanonisiert worden, ist zumindest missverständlich. (Ist nun das Jahr 1200 gemeint oder sind 1200 Jahre nach... gemeint?)
Dies nur noch einmal zur Richtigstellung und Klärung. Deine Hinweise auf angeblich menschenverachtende Stellen, sind nicht überzeugend, da in ihnen teilweise historisch Überholtes enthalten ist - was kein vernünftiger Theologe bestreiten wird - und zum anderen, Theologie umfasst von der nur jemand etwas versteht, der fromm genug ist.
Ich finde es nicht sinnvoll mit dir über die Bibel zu diskutieren, zumal sie für mich nicht - und für die beiden großen Kirchen nicht - die von dir behauptete Verbindlichkeit hat, nämlich buchstabengetreu alles für wahr zu halten, was darin steht, sondern Theologie ist. D.h. es sind Texte über Gottesbegegnungen und die daraus sich ergebenden Konsequenzen für das Leben.
Viel grundlegender aber - und das habe ich immer wieder betont - ist die Frage nach Gott selbst, völlig unabhängig von der Bibel und Jesus. Ich erinnere mich noch gut, dass ich mich vor ungefähr eineinhalb Jahren eigentlich gegen meine Überzeugung mich auf eine Jesus-Diskussion mit dir eingelassen habe, obwohl ich auch aus eigener Erfahrung weiß, dass das zu dem führt, was schließlich daraus geworden ist, nämlich nichts. Ich habe deshalb den Agape-Text ausgewählt, um über die Liebe - vielleicht heute noch das einzige über das man gemeinsam sprechen kann - ins Gespräch darüber zu kommen, was eventuell über dem Menschen steht. Dass du dann an dieser Stelle wieder eine uralte Diskussion zur Historizität, die weder von mir noch von den Kirchen geleugnet wird, ist schade, weil wir so keinen Schritt vorankommen. Viel sinnvoller ist es, über deine Meinung zum Thema Liebe selbst zu reden. Wie z.B. folgendes:
Agape ist Liebe zu Gott und zum Nächsten, das lässt sich nicht trennen. Die Nächstenliebe Jesu hatte ihren Grund in seiner Gottesliebe und nicht in seiner Menschlichkeit, wie man aus dem Begriff Solidarität, den du fälschlicherweise mit Nächstenliebe verwechselst, entnehmen könnte. Dein Liebesverständnis deckt sich insofern, keineswegs mit dem christlichen. Es entstammt einem ausschließlich materialistischen Weltbild. Diesen Materialismus aber Jesus in den Mund zu legen ist harmlos gesagt eine Verkürzung.
gruß
manni
PS: Du missverstehst meine Äußerungen über Gott ebenfalls seit wir uns hier kennengelernt haben. Ich mache mir kein Bild von Gott, sondern ich begegne diesem Gott. Das ist keine Poesie, wie viele Leute gerne glauben möchten, auch kein Hirngespinst, sondern philosophisch begründbare Erkenntnis.