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Man sieht, was man sehen möchte.


Was machen AgnostikerInnen oder gar AtheistInnen, wenn sie ein Buch

mit religiösem Inhalt in die Hand kriegen ?


Richtig geraten, sie suchen nach Bestätigung ihrer Zweifel !


Mir ist kürzlich "Das Neue Testament"

(Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, herausgegeben im Auftrag der

Bischöfe des deutschen Sprachgebietes) in die Hände gefallen.


Lange musste ich nicht suchen, um meine Skepsis bestätigt zu finden.


Schon die Vorbemerkungen zu den eigentlichen Bibeltexten haben es in

sich.


Einen deutlichen Bezug zur Überschrift haben schon die Vorbemerkungen

zum Evangelium nach Matthäus (Seite 13), wenn es dort etwa heisst:


"Durch das ganze Evangelium hindurch wird gezeigt, daß sich an Jesus

die messianischen Weissagungen des Alten Testamentes erfüllt haben.

Jesus handelt und spricht so und erfährt ein solches Los, wie es die

Propheten im voraus verkündet haben."


Wer sagt's denn,

man sieht eben das, was man sehen möchte.



Die zweite Bestätigung meiner Skepsis kam schon eine Seite davor,

in den generellen Vorbemerkungen, wo es heisst:


Was die Evangelisten über die Taten und Worte Jesu aufgeschrieben haben,

ist schon einen langen Weg gegangen, ehe es schriftlich festgelegt wurde.

Die Evangelienforschung spricht von drei Schichten, die sich in den

Evangelien finden:

der Schicht Jesu (seine Worte und Taten), der Schicht der mündlichen

Überlieferung (des Weitergebens in den christlichen Gemeinden) und der

Schicht der letzten Fassung durch den Evangelisten (Redaktionsschicht).

Das 2. Vatikanische Konzil sagt:

"Die Apostel haben nach der Auffahrt des Herrn das, was er selbst gesagt

und getan hatte, ihren Hörern mit jenem volleren Verständnis überliefert,

das ihnen aus der Erfahrung der Verherrlichung Christi und aus dem Licht

des Geistes der Wahrheit zufloß. Die biblischen Verfasser aber haben die

vier Evangelien redigiert, indem sie einiges aus dem vielen auswählten,

das mündlich oder auch schon schriftlich überliefert war, indem sie

anderes zu Überblicken zusammenzogen oder im Hinblick auf die Lage in

den Kirchen verdeutlichten, indem sie schließlich die Form der

Verkündigung beibehielten, doch immer so, daß ihre Mitteilungen

über Jesu wahr und ehrlich waren."


So weit also der von den Bischöfen approbierte Text.


Eine Bewertung der Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der in

den Evangelien enthaltenen Aussagen auf dieser Grundlage erfordert

eine zusätzliche Anwendung der allgemeinen Lebenserfahrung.


Hiezu drängen sich zwei Erfahrungen auf:


a) die Erfahrungen mit der "stillen Post",

b) die Erfahrungen mit propagandistischen Verzerrungen  (Weglassungen,

Ausschmückungen, Übertreibungen, Lügen) von Aussagen aus ideologischen

Beweggründen.


Das beliebte Spiel mit der "stillen Post" illustriert sehr deutlich, welche

starken Veränderungen eine Aussage erfährt, wenn sie über mehrere Stufen

mündlich weitergegeben wird (Roda Roda hat diese Erfahrung in eine Satire

über die Befehlskette in einer Kaserne anlässlich des bevorstehenden

Erscheinens des Halley'schen Kometen eingepackt).


Die Verzerrung der Berichterstattung über ein Geschehen aus ideologischen

Beweggründen konnten wir gerade in jüngster Vergangenheit sehr deutlich

an dem Vorfall beobachten, bei dem Cheibani Wague zu Tode gekommen ist.


Obwohl die Erhebungen unmittelbar nach dem Vorfall begonnen haben,

und obwohl es von diesem Vorfall sowohl mehrere Augenzeugen als auch

teilweise eine Video-Aufzeichnung gibt, wurden sehr stark voneinander

abweichende tendenziöse Darstellungen des Vorfalles verbreitet. Ein

Augenzeuge hat sogar zu verschiedenen Zeiten diametral entgegengesetzte

Tendenzen bei seinen Darstellungen in TV-Interviews eingebracht.



Wie verlässlich und vertrauenswürdig kann man bei Berücksichtigung

dieser Erfahrungswerte dann eine Berichterstattung über Ereignisse

einstufen, die


.- sehr stark durch Heilserwartungen (Prophezeiungen) geprägt ist,


.- etwa 40 Jahre nach dem Geschehen begonnen hat,


.- weitgehend auf mündlicher Überlieferung über mehrere Stufen beruht ?


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Qed.


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