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Re: Liebe haben




Lieber Gysi,


ich verstehe deine Probleme mit meinem Gottesbild durchaus, denn für dich existiert Gott nicht. Gott ist Liebe, bedeutet für mich nicht, dass er ein lieber Gott ist. Sondern er liebt den Menschen so ähnlich, um ein Bild zu benutzen, das dir vielleicht mehr sagt, wie Eltern ihr Kind. In dieser Liebe – wenn sie recht verstanden wird - ist alles enthalten, was das Kind braucht, um erwachsen zu werden. Diese Liebe riskiert auch Tränen und Wut des Kindes, wenn es z.B. entgegen seinem Willen nicht das bekommt, was es möchte. Sie leistet diesem Trotzkopf aber auch aus tiefstem Verständnis heraus Trost und Zuneigung, selbst dann noch wenn er schreit: „Ich hasse euch!“ Elterliche Liebe zeigt dem Kind wie es bestimmte Dinge selbst tun kann, vertraut ihm im Rahmen seiner schon erworbenen Selbständigkeit Eigenes zu, hält zu ihm, ohne wenn und aber, aber weist es auch zurecht und lässt es die Konsequenzen aus selbst zu verantworteten Handlungen tragen. Und vieles andere mehr, dass du sicher aus deinem Elternhaus kennst.


Dieses Bild kann dir eine ungefähre Vorstellung vermitteln von dem, was mein Gottesbild angeht. Es ist kein aus der Bibel angelesenes, sondern ich finde dort nur Erkanntes wieder, das mir durch die Begegnung mit dieser Liebe widerfährt.  Der Mensch braucht Gott, so wie jedes Kind liebende Eltern braucht. Genauso selbstverständlich wie liebende Eltern lässt er sich finden, allerdings muss man sich dazu auf den Weg der Selbsterkenntnis in sein eigenes Inneres machen. Da führt kein Weg dran vorbei!


Entsprechend dieser Gottesliebe, die in einem umfassenden Sinne Dasein für den Menschen bedeutet, ist auch der Sündenfall – darüber haben wir uns glaube ich schon einmal ausgetauscht – kein Verhängnis mit „Sippenhaft“. Sondern eine bildhafte Beschreibung dafür, wie es dem Menschen ergeht, wenn er selbst Gott sein will. Er verliert diesen paradiesischen Zustand, der durch Vertrauen und Nähe mit Gott gekennzeichnet ist. Kindern, die sich selbst an Stelle ihrer Eltern setzen, wird es kaum anders gehen. Auch sie verlieren den Raum, in dem sie beschützt und geborgen erwachsen werden können. Mit entsprechenden Risiken und  leidvollen Konsequenzen. D.h. aber nicht, dass die ursprüngliche Gott-Mensch-Beziehung nicht wieder hergestellt werden kann. Ich erinnere dich nur an das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Die „Sippenhaft“, die du meinst entsteht aus ganz anderen Gründen, nämlich aus der Beibehaltung des hochmütigen „Ich-Will-Gott-Sein“ über Generationen, was dann in der Tat zu einem Schuldenberg anwächst, unter dem dann wieder die schwächsten Glieder besonders zu leiden haben.


Wenn Gottesliebe eine durch nichts zu erschütternde Zugewandtheit und einen immerwährenden Beistand meint, dann trifft dies in ähnlichem Maße –soweit wir Menschen dazu in der Lage sind – auf die Nächstenliebe zu und sie gelingt nur, wenn der Mensch in der Liebe zu Gott ausharrt. Dies unterscheidet die Nächstenliebe grundsätzlich von Solidarität. Mit diesem Begriff wird in der Regel ein unbedingtes Zusammenhalten meist auch im Interesse einer gemeinsamen Sache bezeichnet, das aber eher eingeschlossen in die Nächstenliebe ist, als eine wirkliche Alternative zu dieser. Denn auch Liebende halten zusammen oder sollten es zumindest tun. Die Alternative ist - wie auch scilla meint - Egoismus. Dazwischen ist nichts. Wie es in der Korintherstelle heißt: Ohne Liebe nützte mir die beste Absicht nichts.

 

Aber in einem kann ich dir unbesehen zustimmen, lieber Gysi. Liebe ist auch Anziehung. Gott ist anziehend und auf Beziehung aus. Dass du der Liebe materialistisches Humanität entgegensetzt ist zwar verständlich, wie sich aus deinen  verschiedenen Postings ohne Probleme ablesen lässt, dies Humanität ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Sie führt -  wie du selbst beschreibst - dazu, dass der Mensch ständig die Kontrolle darüber haben muss, das auch alle Triebe und Bedürfnisse die er hat, zu ihrem Recht kommen. Die Agape macht solches unnötig, weil sie weiß, was der Mensch braucht.


Herzlichst

manni


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