Adrenalin
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Mit weht eine Duftwolke entgegen, es verschlägt mir förmlich den Atem. Dabei ist er noch nicht einmal aus seiner Karre ausgestiegen und das Fenster ist nur einen Spaltbreit geöffnet. Ohne Scheiß jetzt.
Bei der Begrüßung latscht er mir auf einen meiner Füße, merkt es aber augenblicklich. Sein ganzes Sein überfordert mich spontan. Er sieht so unfassbar gut aus, dass mir ganz schlecht wird. Und dann geht es auch schon los und wir auch. Eine Runde um den See. Es ist Herbst, allerdings erst seit zwei Tagen, und ich bin froh, dass ich nicht auch noch ins Schwitzen gerate.
Auf dem Marsch berühren sich immer wieder unsere Arme, das erscheint mir verdächtig, ich versuche Abstand zu schaffen, indem ich nach links ausweiche. Er zieht immer wieder nach. Na gut. Der halbe Wanderweg riecht inzwischen nach seinem Parfüm, mir scheint, als würden die Bäume zurückweichen, nicht die Bäume vielleicht, aber die Schwäne definitiv. Und ich beneide nicht die, die hinter uns gehen. Ich kann ja in mein Halstuch atmen.
Er redet von Hölzchen und Stöckchen und von sich. Als wir den See zur Hälfte umrundet haben, läuft er sich verbal erst warm. Ich befürchte ernsthafte Tinnitus Probleme, damit kenne ich mich aus. Es kostet mich jeden Tag eine Menge Selbstbeherrschung, das Getöse zu ignorieren, leider habe ich auch meine Grenzen, die gerade überschritten werden.
Seine Lebensgeschichten nehmen kein Ende, er ist in seiner Kindheit angekommen, die ja erst 55 Jahre zurückliegt, verständlich sie jetzt zu thematisieren, ist ja gerade erst gewesen. Ich glotze mir die Augen aus, suche das Ende dieser Reise, einen Anhaltspunkt, einen Strohhalm an den ich mich klammern kann, irgendetwas. Stille. Endlich erreichen wir eine Art Platz, um diesen herum drängen sich Gasthäuser, Kneipen, Biergärten. Er hält kurz inne, um mir mitzuteilen, dass wir hier irgendwo etwas trinken könnten. Ein Funke der Hoffnung bricht sich in mir Bahn, endlich hört diese elendige Latscherei auf; und vielleicht auch der Monolog, mit dem er versucht, sein Trauma zu pulverisieren.
Aber nein, er möchte noch weiter neben mir herschwadronieren, es gibt ja noch andere Runden, die wir drehen können, bevor einer das Handtuch wirft.
So langsam vergeht mir die Lust an dieser Exkursion, ich sacke innerlich ein bißchen zusammen, versuche aber Haltung zu bewahren. Er ist mittlerweile bei seinem sterbenden Vater angekommen und sitzt händchenhaltend an dessen Totenbett. Ich fühle mich selbst dem Tode nahe und halte nach sterbenden Schwänen Ausschau. Ich denke, dass es immer dasselbe ist mit mir und ziehe mein Halstuch über die Nase. Er bekommt davon nichts mit, verteilt wie selbstverständlich seine Duftwolke im Wald und bemüht sich um Armberührungen, die wie zufällig wirken sollen, und währenddessen arbeitet er sich an seiner Geschichte ab, die unbedingt erzählt werden muss. Wir stapfen jetzt eine Stunde oder so durch die Gegend, mein Hals ist dermaßen trocken, dass es sich anfühlt, als würde er zusammenkleben. Ich mutmaße, der Geruch, den ich unfreiwillig einatme, reizt meine Schleimhäute.
Wir kommen zum zweiten Mal am Marktplatz an, dieses Mal aus einer anderen Richtung. Ich bestelle einen Kräutertee, er Cappuccino mit Gesicht im Schaum. Als ich ihm gegenüber sitze, fällt mir wieder auf, wie gut er aussieht. In einem Porsche würde er nicht auffallen, auch nicht auf dem Golfplatz oder in einem Hochglanzmagazin. Als er an seinem Kaffe trinkt ergreife ich meine Chance und sage ihm, dass er nicht mein Typ ist. Das bringt ihn aus der Fassung. Er stellt mir tatsächlich eine Frage, aber als ich zu einer Antwort ansetze fällt er mir ins Wort und reißt das Gespräch an sich, gerade so, als hätte er Angst, ich wollte es in meinem Tee ertränken.
Er spricht von Menschen, die ich nicht kenne und, ich schwöre, auf gar keinen Fall kennenlernen werde. Mir ist so grausam langweilig, dass ich im Kopf ein Gedicht aufsage - Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland- , das Vater Unser bete und Lieder singe und dann denke ich an Berlin, an Kinos und Flohmärkte, an die U-Bahn und den Landwehrkanal, daran, dass die Spree rückwärts fließt, an Lavendel und Musik. Ich denke daran, dass mir nie langweilig war und ich den Eindruck hatte, am Leben zu sein.
Auf dem Weg zum Parkplatz hüpft er neben mir her, ausgelassen und auf mich wirkt er seltsam euphorisiert. Klar, er ist sein Zeug losgeworden, da kann man auch schon einmal neben einem fremden Menschen herumhüpfen, leicht wie eine Feder. Während ich mit Bleischuhen unterwegs bin, hör- und schluckgeschädigt versuche ich durchzuhalten und einen sicheren Hafen zu erreichen. Mein Auto. Er ist glücklich, sagt er und würde an Liebsten schreien. Ich teile nichts davon, mir fehlt die Energie zum Herumschreien, Innerlich krieche ich auf allen Vieren und schleppe mich nach Hause, um die Projektionen abduschen und endlich zu schlafen.
Bei der Begrüßung latscht er mir auf einen meiner Füße, merkt es aber augenblicklich. Sein ganzes Sein überfordert mich spontan. Er sieht so unfassbar gut aus, dass mir ganz schlecht wird. Und dann geht es auch schon los und wir auch. Eine Runde um den See. Es ist Herbst, allerdings erst seit zwei Tagen, und ich bin froh, dass ich nicht auch noch ins Schwitzen gerate.
Auf dem Marsch berühren sich immer wieder unsere Arme, das erscheint mir verdächtig, ich versuche Abstand zu schaffen, indem ich nach links ausweiche. Er zieht immer wieder nach. Na gut. Der halbe Wanderweg riecht inzwischen nach seinem Parfüm, mir scheint, als würden die Bäume zurückweichen, nicht die Bäume vielleicht, aber die Schwäne definitiv. Und ich beneide nicht die, die hinter uns gehen. Ich kann ja in mein Halstuch atmen.
Er redet von Hölzchen und Stöckchen und von sich. Als wir den See zur Hälfte umrundet haben, läuft er sich verbal erst warm. Ich befürchte ernsthafte Tinnitus Probleme, damit kenne ich mich aus. Es kostet mich jeden Tag eine Menge Selbstbeherrschung, das Getöse zu ignorieren, leider habe ich auch meine Grenzen, die gerade überschritten werden.
Seine Lebensgeschichten nehmen kein Ende, er ist in seiner Kindheit angekommen, die ja erst 55 Jahre zurückliegt, verständlich sie jetzt zu thematisieren, ist ja gerade erst gewesen. Ich glotze mir die Augen aus, suche das Ende dieser Reise, einen Anhaltspunkt, einen Strohhalm an den ich mich klammern kann, irgendetwas. Stille. Endlich erreichen wir eine Art Platz, um diesen herum drängen sich Gasthäuser, Kneipen, Biergärten. Er hält kurz inne, um mir mitzuteilen, dass wir hier irgendwo etwas trinken könnten. Ein Funke der Hoffnung bricht sich in mir Bahn, endlich hört diese elendige Latscherei auf; und vielleicht auch der Monolog, mit dem er versucht, sein Trauma zu pulverisieren.
Aber nein, er möchte noch weiter neben mir herschwadronieren, es gibt ja noch andere Runden, die wir drehen können, bevor einer das Handtuch wirft.
So langsam vergeht mir die Lust an dieser Exkursion, ich sacke innerlich ein bißchen zusammen, versuche aber Haltung zu bewahren. Er ist mittlerweile bei seinem sterbenden Vater angekommen und sitzt händchenhaltend an dessen Totenbett. Ich fühle mich selbst dem Tode nahe und halte nach sterbenden Schwänen Ausschau. Ich denke, dass es immer dasselbe ist mit mir und ziehe mein Halstuch über die Nase. Er bekommt davon nichts mit, verteilt wie selbstverständlich seine Duftwolke im Wald und bemüht sich um Armberührungen, die wie zufällig wirken sollen, und währenddessen arbeitet er sich an seiner Geschichte ab, die unbedingt erzählt werden muss. Wir stapfen jetzt eine Stunde oder so durch die Gegend, mein Hals ist dermaßen trocken, dass es sich anfühlt, als würde er zusammenkleben. Ich mutmaße, der Geruch, den ich unfreiwillig einatme, reizt meine Schleimhäute.
Wir kommen zum zweiten Mal am Marktplatz an, dieses Mal aus einer anderen Richtung. Ich bestelle einen Kräutertee, er Cappuccino mit Gesicht im Schaum. Als ich ihm gegenüber sitze, fällt mir wieder auf, wie gut er aussieht. In einem Porsche würde er nicht auffallen, auch nicht auf dem Golfplatz oder in einem Hochglanzmagazin. Als er an seinem Kaffe trinkt ergreife ich meine Chance und sage ihm, dass er nicht mein Typ ist. Das bringt ihn aus der Fassung. Er stellt mir tatsächlich eine Frage, aber als ich zu einer Antwort ansetze fällt er mir ins Wort und reißt das Gespräch an sich, gerade so, als hätte er Angst, ich wollte es in meinem Tee ertränken.
Er spricht von Menschen, die ich nicht kenne und, ich schwöre, auf gar keinen Fall kennenlernen werde. Mir ist so grausam langweilig, dass ich im Kopf ein Gedicht aufsage - Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland- , das Vater Unser bete und Lieder singe und dann denke ich an Berlin, an Kinos und Flohmärkte, an die U-Bahn und den Landwehrkanal, daran, dass die Spree rückwärts fließt, an Lavendel und Musik. Ich denke daran, dass mir nie langweilig war und ich den Eindruck hatte, am Leben zu sein.
Auf dem Weg zum Parkplatz hüpft er neben mir her, ausgelassen und auf mich wirkt er seltsam euphorisiert. Klar, er ist sein Zeug losgeworden, da kann man auch schon einmal neben einem fremden Menschen herumhüpfen, leicht wie eine Feder. Während ich mit Bleischuhen unterwegs bin, hör- und schluckgeschädigt versuche ich durchzuhalten und einen sicheren Hafen zu erreichen. Mein Auto. Er ist glücklich, sagt er und würde an Liebsten schreien. Ich teile nichts davon, mir fehlt die Energie zum Herumschreien, Innerlich krieche ich auf allen Vieren und schleppe mich nach Hause, um die Projektionen abduschen und endlich zu schlafen.
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