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AW: Abhandlung Traurigkeit


Das „daran denken“ schafft eine kleine Trennung zwischen Gefühl und Gefühlswahrnehmung. Je stärker das Denken dabei eine Rolle spielt, etwa, wenn man sich das Problem „schön redet“ oder von sich weist oder aufgrund „wichtigerer“ Tagesaufgaben oder anderer akuterer Sorgen nicht trauern kann, desto mehr Abstand entsteht zwischen Gefühl und dessen Wahrnehmung. Der Abstand bedeutet, dass die Trauer aufgeschoben wird. Da jeder Mensch aufgrund seiner Charakterstruktur einen anderen Umgang mit Gefühlen hat, wird das bei jedem anders sein, manche können auch die Trauer fast perfekt einbetonieren, indem die ICH-Abwehr im Extremfall das gesamte Gefühl unterdrückt (rigide Tendenz) oder trennt (schizoide Tendenz) noch ein extreemerer Fall, eher bei anderen Schmerzarten anzufinden, sich die Persönlichkeit „spaltet“ (multipel wird), also mehrere teilweise sogar nicht von einander wissende ICH´s entstehen.


Der Mensch scheint so zu „funktionieren“, dass das Gefühl, hier die Trauer, möglichst sofort und in voller „Stärke“ erlebt werden muss. Jegliche Störung scheint das Gesamtsystem zu stören, wenn auch erstmal kaum erkennbar. Konstruktive Trauer wäre hier vielleicht solche, die einfach nur da ist. Ohne die Bewertung des Gefühls oder der zugrundeliegenden Tatsachen. Wenn ich einen traurigen Menschen tröste, sage ich nicht „das wird schon“ oder „ist schon gut“ , sondern halte meine Klappe und lass ihn/sie so lange weinen, wie er / sie mag.


Sollte der Betroffene aus irgendeinem Grund offensichtlich nicht zur Trauer „bereit“ sein, ist als Außenstehender immer Vorsicht geboten und eine behutsame, schützende Art. Der Mensch befreit sich mit dem Gefühlsausdruck von etwas ganz normalem, menschlichem. Destruktiv wäre daher m.E. jede Behinderung dabei, die dann auch zum „im Schmerz baden“, also im eigentlichen Wortsinne „intelektualisieren“ führen kann. Dabei entsteht auch wieder das, was manchmal als „psychologische Zeit“ bezeichnet wird. Damit ist eine künstlich entstandene Zeitdifferenz gemeint, die entsteht, indem das ICH das Gesamtsystem vom Impuls, hier also der Trauer, andernfalls auch vom Wunsch, vom Ziel, von Freude usw., trennt. „Psychologische Zeit“ ist bei jeder menschlichen Regung das Gegenteil von Spontaneität und in meinem Weltverständnis grundsätzlich bedenklich, das System belastend.


Liebe Grüße

Bernd


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