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Zarathustras Mitleid

Das Mitleid der Regierung

Die Erkenntnisse wollen allerdings auch ins alltägliche Leben integriert werden, sonst bleiben sie Schall und Rauch.
Hallo Lilith!
Die Umsetzung der Erkenntnisse in den Alltag ist wohl das Wichtigste, wenn man wirkliche Bereicherung erfahren will (und nicht nur Nietzsche bewundern will).
Ich habe zwar nicht das beste Beispiel dafür, aber eines, dass mir persönlich momentan zu schaffen macht: Die Pflegehilfe!
Du kennst ja dieses aktuelle Problem bei uns in Österreich, aber ich will es auch für Bernd und andere kurz skizzieren:

Die Pflegehilfe für unsere Eltern und Großeltern ist ein riesiges Probleme: Öffentliche Heime sind entweder viel zu teuer oder es ist sehr oft sowieso kein Platz frei, legale Betreuung rund um die Uhr (was oft nötig wäre) ist aber durch einheimisches Personal nicht möglich.
In der Praxis werden daher von den Familien ausländische Hilfen (aus Ungarn, Slowakei, Rumänien...) herangezogen, die leistbar sind (1000 - 1200 € bei uns).
Doch leider ist das illegal, weil man durch die übergroße Ausländerphobie in der Bevölkerung es in der Regierung verabsäumt hat, die nötigen Schritte zu setzen und etwas zu tun. Ein Sohn wurde deshalb zu mehr als 5000 € Strafe verdonnert (sie wurde dann auf über 2000 € herabgesetzt), weil er für seine Mutter eine solche Hilfe organisiert hatte!

Die Regierung hat Mitleid und zeigt Verständnis. Da fühlen sich aber besonders die Betroffenen ziemlich gefrotzelt, wenn der Bundeskanzler nur lapidar dazu meint: Nicht immer gleich nach dem Staat rufen!

Nietzsche: "Merket aber auch dies Wort: alle große Liebe ist noch über all ihrem Mitleiden: denn sie will das Geliebte noch -schaffen!"
Nicht bemitleiden, sondern etwas schaffen!

"Mich selber bringe ich meiner Liebe dar, und meinen Nächsten gleich mir - so geht die Rede allen Schaffenden."
Aktiv sein, etwas schaffen. Wenn es schon nicht die Liebe ist, dann im engeren Sinn doch die Verantwortung für die Mitmenschen, die uns dazu auffordert, etwas zu tun.

"Alle Schaffenden aber sind hart".
Das verstehe ich als die Konsequenz und Durchsetzungskraft, die die Schaffenden, Aktiven besitzen müssen.

lg
Andreas
 
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AW: Zarathustras Mitleid

wenn jemand Mitleid hat,
so wurde er zum Mitleiden verhext
(bspw. durch verklemmte Moralvorstellungen:
bedeckt die Scham des nackten Eingeborenen!)

Nietzsche gehört nicht der (falsch verstandenen) Mitleid-, sondern der Leid-Fraktion an
im übertragenen Sinn
geht es ihm weniger um Einsicht, als vielmehr um Absicht

Mitleid/Leid ist dualistisch
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Zarathustras Mitleid

von scilla:
Nietzsche gehört nicht der (falsch verstandenen) Mitleid-, sondern der Leid-Fraktion an
im übertragenen Sinn
geht es ihm weniger um Einsicht, als vielmehr um Absicht


Hallo scilla.

Diese Wortgruppe versteh ich nicht. Was bedeutet, er gehöre der „Leid-Fraktion“ an?

Es ginge ihm weniger um Einsicht als um Absicht? Wie was wann wo wobei? Bei Mitleid? Bei seinen Werken, als Vertreter der Leid-Fraktion? Ich versteh sowas nicht, brauche Bindewörter zwischen den einzelnen Wortgruppen.

Auch wenn es nicht deine Art ist, kannst du (wenigstens für mich) mal etwas mehr reden, ich weiß wirklich nicht, was du meinst.

Soweit
Bernd
 
AW: Zarathustras Mitleid

Hallo Bernd

Nietzsche ist kein Anhänger einer verklemmten 'christlichen' Moral

Nietzsche liefert andererseits auch keine Ethik menschlichen Verhaltens ab
(ist mir zumindest nicht bekannt)

bleibt für die Nietzsche die Maxime:

handle mit voller Absicht!
(gemäß Deinem Willen)
mißtraue vermeintlicher Einsicht,
die Dir Mitleid aufzwingen möchte,
um Dich und Deine Größe auszubremsen

daher war Nietzsche ein Vordenker der Nazis

........

soweit verstanden?

........

wenig später kamen dann die Phänomenologen (= Neo-Buddhisten)
und sagten:

Handle einsichtig,
verzichte auf Deinen Willen,
habe Mitleid mit den Tieren!
(werde Vegetarier)!

.........

der Witz ist nun,
daß es eine Ethik gibt,
die nichts mit Verklemmtheit zu tun hat
(und auch nichts mit Leid)

Stichwort: FKK, Glaube-Liebe-Hoffnung
 
AW: Zarathustras Mitleid

Hallo scilla.

von scilla:
Nietzsche ist kein Anhänger einer verklemmten 'christlichen' Moral

Nietzsche liefert andererseits auch keine Ethik menschlichen Verhaltens ab
(ist mir zumindest nicht bekannt)

Ja. Er ist ein sogar erklärter Gegner der Religion und der Tugend (gut sein wollen).

handle mit voller Absicht!
(gemäß Deinem Willen)
mißtraue vermeintlicher Einsicht,
die Dir Mitleid aufzwingen möchte,
um Dich und Deine Größe auszubremsen

daher war Nietzsche ein Vordenker der Nazis

soweit verstanden?

Ihn als Vordenker zu verwenden, das ist leicht möglich, aber da mangelt es m.E. am Verständnis. Ich will nicht sagen bei dir, da ich deine Meinung nie wirklich erkenne oder veretehe, aber wenigstens bei den Nazis. Nietzsches Held kommt nicht durch Willenskraft zum Übermenschen, sondern durch das Gegenteil. Auf dem Weg dahin durchschreitet er die Phase des „Wolfes“, HIER könnte man ihn missverstehen (oder mißbrauchen!), aber das Wolfsein dient m.E. der Befreiung vom Erlernten [ausbrechen] und vorerst dem Entdecken und Ausdrücken des eigenen [Willens].

Der Übermensch aber, entsteht erst, indem das agieren des Willens (der Wolf) von seiner Schuld befreit wurde. Denn der verbildlichte Wolf ist noch nicht frei, wenn er Schuld, Gier usw. mit sich schleppt. Zarathustra beschreibt es so, dass der Wolf später zum Kind werden muss. Das Kind ist unschuldig und handelt aus innerem Antrieb, der befreit von äußeren Einflüssen ist. Das Kind hat keine Persönlichkeit in unserem Sinne, es ist noch unschuldig. Der Machtanspruch eines Menschen ist ausschließlich in seiner Persönlichkeit zu sehen. Der „Wille“ mit dem das Kind handelt ist frei von Schuld und Machtgier (u.a.), daher bezeichne ich diesen Willen als das Gegenteil, was auch nicht ganz korrekt ist. Aber. Wie sollte man das als Vorbild für Krieg und die Weltherrschaft verwenden?

Ich glaube, der Wille wird bei Nietzsche falsch verstanden. Die Macht, zu der der Wille führen soll, ist m.E. keine nach außen wirkende.

So wie du es beschreibst, kann man ihn verstehen, aber das ist m.E. gefährlich. Dann versteht man den Über[gehenden] Menschen, den Hinübergehenden oder Vergehenden, als Über[großen] Menschen. Als Nazi. Ich denke Nietzsche würde sich schlaflos in seinem Grabe wälzen, wenn er das hören würde.

Auch bei Nietzsche ist der Zarathustra ein kindlicher friedvoller Alter geworden,...wie die „Weisen“ eigentlich allerorts beschrieben werden. Er merkt, dass all sein agieren nichts bringt, selbst die höchsten (die Runde in seiner Höhle), verstehen ihn nicht.

Das Kind wird keinen Krieg beginnen, da es weder Gier, Schuld noch Rache kennt. Dies entwickelt sich erst mit der Persönlichkeit, dem Abbild der Außenwelt. Was hier „vergeht“ [beim Übergehenden], ist zumindest im übertragenen Sinne auch die Persönlichkeit.

Die ganze Nazisymbolik vom Wolf, "Wolfsschanze", Stärke, Macht... ist m.E. entweder eine bewußte Fehlinterpretation oder einfach die Dummheit der Nazis gewesen. Ich tippe hier, da ich mich ein bisschen mit Hitler beschäftige, eher auf letzteres.

Viele Grüße
Bernd
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Zarathustras Mitleid

ich habe Nietzsche bisher immer nur quergelesen
(am meisten in der 'fröhlichen Wissenschaft')
mit 'Zarathustra' konte ich nie was anfangen,
deshalb sind meine Gedanken allgemeinerer Art:

das naive Kind, der junge Wolf, der weise Alte

das ist klassische Dreifaltigkeit,
die ist älter als Nietzsche
(zunehmender Mond, Vollmond, abnehmender Mond)

ich bin aber der Meinung,
daß dieser Dreisprung für jede Altersklasse gilt
(es gibt demzufolge mehr als diese drei Altersklassen)

jede Altersklasse tut etwas Spezielles und treibt dieses bis zum Exzess,
um dann schlagartig reifer und besonnerer geworden zu sein
(denjenigen, die sich nicht ausgetobt haben, fehlt im späteren Leben etwas)


2. momentan drückt die israelische Propaganda auf die Tränendrüse
das Ziel ist,
das stark einseitige Schadensverhältnis Israel-Libanon zu verschleieren
und in allgemeines Mitleid zu verwandeln
(Krieg ist schlecht, die armen Opfer)

Andreas61 hat zum Beispiel von einem prominenten israelischen Kriegsgegner berichtet,
dessen Sohn kurz vor Waffenstillstand gefallen ist
 
AW: Zarathustras Mitleid

ich habe Nietzsche bisher immer nur quergelesen
mit 'Zarathustra' konte ich nie was anfangen,

Andreas61 hat zum Beispiel von einem prominenten israelischen Kriegsgegner berichtet,
dessen Sohn kurz vor Waffenstillstand gefallen ist
Die Nazis haben den Übermenschen von Nietzsche nicht nur nicht verstanden, sondern in das Gegenteil verkehrt. Nietzsche war entschieden gegen die Strömung seiner Zeit, wo man mit Antisemitismus bessere Aufstiegschancen hatte. Richard Wagner hängte sich an diesen (Un-) Geist der obersten Gesellschaftsschicht jener Zeit an, um davon zu profitieren. Das anfangs gute Verhältnis zu dem kritisch eingestellten Nietzsche, der den Künstler Wagner bewunderte, kühlte nicht zuletzt deshalb stark ab.

Dass Dir ein gefallener Jude so nah ans Herze geht, dass Du Dein Leid sogar in einen anderen Thread mitträgst, spricht für Deine Fähigkeit des Mitgefühls.
Auf ein Missverständnis sei aber dennoch hingewiesen: Mit diesem aktuellen Beispiel wollte ich auch zum Ausdruck bringen, dass solche Betroffenen anders empfinden und anders reagieren als Leute wie unsereins, die hinter dem Computer sitzend Entrüstung über zivile Opfer heucheln und ihre gut gemeinten Ratschläge abgeben.
 
AW: Zarathustras Mitleid

Hallo Andreas61

Auf ein Missverständnis sei aber dennoch hingewiesen: Mit diesem aktuellen Beispiel wollte ich auch zum Ausdruck bringen, dass solche Betroffenen anders empfinden und anders reagieren als Leute wie unsereins, die hinter dem Computer sitzend Entrüstung über zivile Opfer heucheln und ihre gut gemeinten Ratschläge abgeben.

ich muss gestehen,
daß ich beim Schreiben des Mitleid-Beispiels an einen Fernsehbericht* gedacht habe,
und nur Dein Beispiel gebracht habe,
weil es einfacher zu formulieren war

*eine Mutter kehrt mit ihrem Jungen in eine israelische Stadt zurück,
alle sind ganz aufgeregt,
der Taxifahrer zeigt die Einschußlöcher,
der Junge mutmaßt aufgrund des fehlenden Straßenbelags über einen Raketentreffer,
danach schauen sie sich den ausgebrannten Lebensmittel-Laden an,
gehen schließlich in die intakte Wohnung ...

sicher,
ein bewegendes Schicksal,
aber harmlos im Vergleich zu den heimkehrenden Libanesen bestimmter Dörfer/Straßenzüge)​
 
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einen Knicks für Fritz

"Wahrlich, ich mag sie nicht, die Barmherzigen, die selig sind in ihrem Mitleiden: zu sehr gebricht es ihnen an Scham."

"Denn dass ich den leidenden leiden sah, dessen schämte ich mich um seiner Scham willen; und als ich ihm half, da verging ich mich hart an seinem Stolze."

"Merket aber auch dies Wort: alle große Liebe ist noch über all ihrem Mitleiden: denn sie will das Geliebte noch -schaffen!

"'Mich selber bringe ich meiner Liebe dar, und meinen Nächsten gleich mir' - so geht die rede allen Schaffenden
Alle Schaffenden aber sind hart. -
Also sprach Zarathustra."

Ich versuch's auch mal.

Eine nervenzerfetzende aber trotzdem typische Begriffsumprägung von Fritz. ("Umwertung aller Werte".) Es geht m.E. um eine (Selbst-)Prüfung der "Motivation" beim "Helfen". Adressat ist der schaffende Mensch, nicht jedermann. (Ein Buch für alle und keinen.) Nietzsche wertet das "Mitleid" ab. Aus einer Vielzahl von Gründen:

- Mitleid ist Symptom einer falschen Weltanschauung (Jammertalphilosophie -> Arthur)
- Mitleid deutet auf ein falsch verstandenes Christentum hin (Sklavenmoral -> Schamlosigkeit des "schlichten" = schlechten Menschen -> Aufstand der Massen -> heute)
- Mitleid ist Ausdruck autosuggerierter Überlegenheit, die letztlich das wahrhaft Große kleinhalten soll (Ressentiment, "Helfersyndrom", Über-Mama, Über-Schwester)
- Mitleid ist bloß anerzogen (quasi nicht authentisch)
- Mitleid beschämt den, dem man helfen will (Blick von oben anstatt aus gleicher Höhe)
- Mitleid beschämt einen selbst (Schuldgefühle statt Verantwortungsgefühl, beim Schaffenden)
- Mitleiden betrügt den schaffenden Menschen um seine Möglichkeiten (Arzt der Kultur statt eines einzelnen Menschen)

Wichtig ist aber, dass Fritz das Mitleid zugunsten der LIEBE abwertet: "Mich selber bringe ich in meiner Liebe dar." So ist alles wieder im Lot, denke ich. Jede Wette: Fritz ist im Himmel.

Bonus: Der schaffende Mensch ist in zweierlei Hinsicht Adressat. (Sehr spirituell.)

Eigentlich für Frauen geschrieben das ganze! Mich würde interessieren, was Adolf für eine MUTTER hatte.

pergola
 
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