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sind die Österreicher Deutsche?

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Claus

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5. August 2005
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3.673
Hallo Leute,


der user Ludwig P. hat in seiner Signatur einen link auf die DBA in Österreich, den ich mal angeklickt habe,
und bin dort beim Lesen wieder auf eine Frage gestoßen, die mich früher schon mal beschäftigt hat, nämlich in Urlaubszeiten in den Alpen. Und da dies ein österreichisches Forum ist, will ich sie hier auch anbringen:

Vorrede:
Wir haben in Deutschland Minderheiten, zum Beispiel die Dänen in Schleswig oder die Sorben im Spreewald.
Sie haben die Staatsangehörigkeit: deutsch
und die Nationalität: sorbisch oder dänisch.
Deutsche haben beide male: deutsch.

In Südtirol haben mir meine Gastgeber erklärt, sie seien italienische Staatsangehörige, von Nationalität aber Deutsche.

Wie ist es nun bei den deutschen Österreichern?
Da gehen wohl die Meinungen auseinander. Einer hat mir gesagt, er sei österreichischer Nationalität, ein ander erklärte er sei zwar österreichischer Staatsbürger, aber deutscher Nationalität.
So etwa wie es auch österreichische Staatsbürger slovenischer Nationalität gibt.

sehen sich nun die Österreicher als Deutsche?

gruß von Claus
 
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Ich verstehe mich als Österreicherin und sonst nichts. Meine Vorfahren lebten schon seit vielen Generationen in Österreich, es kamen immer wieder Verbindungen mit diversen anderen Nationalitäten zustande, Böhmen und Kroaten und auch Polen und Italiener zählen dazu, die in unsere Gegend kamen und sich hier niederließen. In meinem Heimatort gibt es seit mehr als hundert Jahren eine große Papierfabrik, die immer wieder sog. "Fremdarbeiter" einstellte.

Diese Menschen verstehen sich nach einigen Generationen genauso als Österreicher wie ich, auch wenn ihre Urgroß- oder Großeltern noch anders fühlten.

Das Nationalitätsbewusstsein ist mMn sehr unterschiedlich ausgeprägt. Wenn jemand zur Integration gezwungen wird, muss er seine ursprüngliche Abstammung wahrscheinlich besonders stark verteidigen und daran festhalten. Ich kann mich erinnern, dass die Eltern von einigen meiner Schulkollegen noch kaum Deutsch sprachen, deren Kinder sind aber heute "echte" Österreicher. Da gibts keine erkennbaren Unterschiede.

herzlich
lilith
 
Hallo Claus !

Nein, so kann man das nicht sagen. Die Österreicher sind keine Deutschen. Die große Mehrheit der Einwohner Österreichs haben auch ein (österreichisches) Nationalbewusstsein.

Ich empfinde aber eine (vorwiegend schriftliche) Sprachgemeinschaft.

Liebe Grüße

Zeili
 
Diese Sache mit der Deutsch-Nationalität der Österreicher ist nicht so einfach.

Unmittelbar nach dem Zerfall der k.u.k. Monarchie hiess die neugegründete Republik
noch "Deutsch-Österreich".

Auch während der gesamten Zwischenkriegszeit war das Gefühl einer Zusammengehörigkeit
mit Deutschland quer über alle Partei-Lager weit verbreitet, auch wenn das heute von so
manchen Geschichtsklitterern gerne unter den Teppich gekehrt wird (Hitler hat bekanntlich
heutzutage nicht den besten Ruf).

Als illustratives Beispiel für dieses weit verbreitete Zusammengehörigkeitsgefühl kann der
Sozialist und spätere erste Bundespräsident der Zweiten Republik Dr Karl Renner genannt
werden, der sich im Jahre 1938 öffentlich für den Anschluss an Deutschland ausgesprochen hat.

Diese Empfehlung des Sozialisten Renner hatte glaubwürdig überhaupt nichts mit Sympathien
für den Nationalsozialismus zu tun, sondern drückte schlichtweg das damals eben sehr weit
verbreitete Bewusstsein einer Zusammengehörigkeit aus.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Republik Österreich II
parteienübergreifend als ein eigenständiger und lebensfähiger Staat begriffen,
und so der Grundstein für eine "österreichische Nation" gelegt.

Wenn heute darüber diskutiert wird, ob Österreich eine eigene Nation ist, so läuft das auf
einen Streit um des Kaisers Bart hinaus, weil für eine Beantwortung dieser Frage in beide
Richtungen die Geschichte als Beleg herangezogen werden kann, je nachdem, wie weit man
in der Geschichte zurückgeht.

Für die Nachkriegsgenerationen ist Österreich ganz selbstverständlich eine eigene Nation,
denn schliesslich hat ja Österreich in Cordoba Deutschland aus dem Bewerb gedrängt
(ich glaube das war 1978, und ich glaube auch, dass es dabei um Fussball ging, aber mit
Sicherheit könnte ich das jetzt auf die Schnelle nicht sagen). Ausserdem ist die
österreichische Aussenministerin ja viiiel grösser als dieser runderneuerte Joschkafischer.


Das musste auch einmal mit aller Klarheit gesagt werden.
 
Um nicht mißverstanden zu werden will ich meine Frage etwas ergänzen:

Wir sind und fühlen uns ja alle zunehmend als Europäer, nationale Zugehörigkeiten werden immer weniger von Bedeutung sein. Trotzdem hat jeder seine Wurzeln und sollte sich da einordnen können.

Wieder ein Beispiel aus Deutschland:
Die Sorben sind ein kleines slawisches Volk in Sachsen, sie sprechen zu Hause Sorbisch und pflegen ihre Eigenständigkeit, aber sie sind deutsche Staatsangehörige.
So ähnlich wird es bei einem Slowenen in Österreich sein.

Also ein solcher Slowene ist Slowene und Österreicher. Wie ist es nun mit einem deutschsprachigen Österreicher, ist er Deutscher und Österreicher, oder ist er Österreicher und Österreicher?

Mir ist diese seltsame Einordnung aufgefallen in Tirol.
Der deutschsprachige Südtiroler sagt von sich: ich bin kein Italiener, ich bin Deutscher.
Der deutschsprachige Nordtiroler aber will kein Deutscher sein?

Für einen Norddeutschen ist das alles etwas verwirrend.
Ich kenne die Geschichte Österreichs einigermaßen und weiß, daß nach dem Ende des Habsburger Kaiserreichs sich das Kernland, das heutige Österreich, dann Deutschösterreich nannte. Diese Bezeichnung wurde aber von den Siegermächten verboten.
Wenn sich also die Deutschösterreicher heute lieber nur als Österreicher sehen, dann nehme ich das so zur Kenntnis. Aber, wie schon gesagt, ich habe auch andere Ansichten gehört, es gibt offensichtlich auch noch Österreicher, die sich als Deutsche sehen. Deshalb habe ich hier mal nachgefragt.

Gruß von dem Europäer Claus
 
As ich 1959 nach Österreich kam und die ganzen Passformularitäten abgewickelt wurden, gab es Formulare. auf denen dann stand: Staatsangehörigkeit Österreich, Nationalität deutsche ( oder so)


Sehr bald ist das dann aufgehoben worden - .
Neugier hat ja deutlich gemacht, wie das österreichische Nationalitätsbewusstsein sich in den letzten 5o Jahren verfestigte.
Heute , lieber Claus, wird Dir jeder Österreicher ins Gesicht lachen bei der Frage nach der Nationalität - bis auf den braunen Heimatrest v.a. in Kärnten - .



Der Ausdruck Nation - der dann in der Politsprache zu Nationalität mutierte - kommt eigentlich aus dem Mittelalter aus dem Bereich der Universitäten. Diese waren - mit Mauern umgeben - eigene Rechtskörper, da eben die Studentenschaft aus ganz Europa überall studierden konnten - Latein war die Sprache, die das möglich machte - . Die Studenten wohnten auch auf dem Gelände der Universität,und zwar in so genannten Bursen.
Diese Bursen waren nach "nationes" eingeteilt. Da gab es dann deutsche Nationen ( usw - alles auf Latein).


Herder griff dann mit dem Erstarken des - das ganze gebildete Volk umfassenden - Nationalbewusstseins diesen Gedanken auf und verquickte ihn mit dem Sprachgedanken.
Und da es nun mal unbestritten ist, dass die Mundarten, die in Österreich gesprochen werden ( Mittel - und südbairisch und Allemannisch) deutsche Dialekte sind, konne sicht so eine "unheilige" Allianz bilden.
Das ist aber Geschichte, wie ich weiß.
Heute fühlt sich kein Österreicher mehr eins zu eins als Deutscher.
Die "Braunen/Blauen/ Orangenen" berufen sich in ihren besten Köpfen auf eben den starken Zusammenhang der - v.a. - schriftlichen Kultur in der Vergangenheit. Heute hat aber auch die moderne österreichische Literatur eine durchaus eigenständige Position innerhalb der deutschsprachigen Literaturen,

soviel als Nachtrag zu Neugiers Grundsatzposting

Marianne
 
Claus schrieb:
Der deutschsprachige Südtiroler sagt von sich: ich bin kein Italiener, ich bin Deutscher.

Gruß von dem Europäer Claus

:nein: ganz so ist das nicht mehr !

Mittlerweile sind die Südtiroler in der jetzigen Generation bereits durch und durch Italiener und sprechen auch vorwiegend italienisch ! Nur in den Touristengebieten wird aus freundlichkeit dem Gast gegenüber deutsch gesprochen ( übrigens perfekt )
Die Südtiroler sehen sich viel mehr als stolze *NORD-Italiener*, die den größten Teil des Bruttosozialproduktes in ganz Italien liefern.

Ich persönlich sehe mich als österreichischer Österreicher mit einer eigenständigen Spache ( österreichisch ist NICHT deutsch ) und bin verdammt stolz darauf ! Ich kann es sogar noch weiter eingrenzen indem ich sage ich bin mit Leib und Seele stolzer Salzburger.
 
wenn sich die meisten Leute bei euch also als Österreicher österreichischer Nationalität fühlen, so seid ihr wahre Vorreiter des europäischen Gedankens.
Bei uns sind insbesondere die Minderheiten darauf bedacht, ihre Nationalität zu betonen, weil sie dadurch auch gewisse Vorteile haben, etwa die Dänen in Schleswig.

Auch in anderen europäischen Ländern spielt die Nationalität noch eine große Rolle. In Belgien möchten die Flamen nicht für Wallonen gehalten werden, und umgekehrt.
Obwohl ein Staatsbürger dort eben ein Belgier ist, so wie bei euch ein Österreicher.
Und die Reiseführerin in Strassburg auf dieses Thema angesprochen betonte: ich bin Deutsche mit französischem Pass.

Nun ja, ich bin Deutscher in Deutschland und danke euch Österreichern in Österreich für die Antworten,
aber es wird wohl noch dauern, bis wir alle ohne Rücksicht auf Sprache und Volkszugehörigkeit sagen:
wir sind Europäer!

gruß vom deutsch-europäer claus
 
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Lieber Claus,

ohne irgendjemandem auf die Füße treten zu wollen, muss ich dennoch sagen, das ich ein absoluter Gegner des vereinten Europas war und bin !
Ich halte ein Nationalbewusstsein jedes einzelnen Staates für sehr wichtig und als mahnendes Beispiel kann ja wohl die USA nennen, wenn man zwanghaft versucht verschiedene Staaten unter einen Hut bringen zu wollen.

Dieser Europäische Groß-Staat dient doch wohl nur wirtschaftlichen Interessen und ist mir SIcherheit nicht im Interesse des Normalbürgers gemacht. ( zu schön wäre diese Vorstellung wenn Politiker im Sinne des Bürger handeln würden )
Gleiche Währung, keine Passkontrollen mehr im Schengen-Raum - DAS IST ZU EINFACH !
 
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