jetzt ergreife ich die Gelegenheit, eine Neurose von mir einmal loszuwerden:
wenn ich das Wort "grammatisch" lese oder höre, kann ich 10 Sekunden danach nicht mehr inhaltlich verstehen sondern muss einfach daran denken, dass "grammatisch" einfach nur 'schriftlich' bedeutet, doch "grammatikalisch", also den Verknüpfungsregeln zwischen Worten entsprechend, gemeint ist.
Vor etwa 15 Jahren habe ich ein Buch über die Geschichte von Sprachen gelesen. Trotz größten Interesses für den Gegenstand des Buches ist mir nur in Erinnerung geblieben, dass der Verfasser immer "grammatisch" geschrieben hat. Das übertrifft an neurotischer Wirkung sogar "die Stiege hoch gehen" oder wenn jemand ein Versprechen abgeben "würde", anstatt einfach abzugeben. "Macht Sinn" oder "hinterfragen" reizen mein Sprachgefühl auch oft bis zum Kollaps meiner Vernunft. Einen österreichischen Politiker, der immer "macht Sinn" gebraucht hatte (1990er), habe ich auf diese Sprachverunstaltung aufmerksam gemacht, da eine Sache einen Sinn hat und keiner dazugemacht werden darf, wenn eine Sache sinnlos ist. Er meinte, das wäre einfach aus dem Englischen so übernommen. "It makes sense" hat aber eher ein Sprachbild in sich von "da hat man ein Verständnis für ..." - einen "Sinn" also Aufnahmefähigkeit für etwas. Im Englischen würde man sagen "there is a reason for it". "Hinterfragen" wurde so etwa 1962 als Wort während eines Symposions (Zusammenliegens) in einer Uni in Wien geprägt, als Gäste aus München über bedeutsame Fragen mit Österreichern diskutieren wollten. Ein Student ist während der Veranstaltung einfach eingeschlafen. Wahrscheinlich hat er mit irgendeinem Schlafgeräusch auf sich aufmerksam gemacht, weswegen man ihn um seine Wortmeldung gefragt hatte. Der Student ist urplötzlich ins Geschehen eingebunden gewesen, ohne zu wissen, um was es gerade gegangen ist. Anstatt zu stottern und herum zu eiern hat er einfach gesagt, dieses ganze Thema wäre einmal zu "hinterfragen". Den deutschen Teilnehmern ist bei dieser Wortschöpfung einfach die Kinnlade herunter gefallen und das Gespräch hat echt deutsche Tiefe bekommen. Zwei Jahre später ist dieser Student nach München ausgewandert und hat dort in seinem Fach öfters "hinterfragen", gefolgt von einem gewissen Grinsen oder sogar Gelächter, gehört. 10 Jahre später konnte kein Akademiker ohne "hinterfragen" in einer Diskussion mehr auskommen. Es wirkt so kryptisch und doch so wissend - einfach kühn