Konzeptualismus
Im Universalienstreit hatte Abaelard (1079–1142) die konträren Positionen bei seinen Lehrern kennen gelernt – zunächst den radikalen Nominalismus bei Roscelinus und danach den entschiedenen Realismus bei Wilhelm von Champeaux. Abaelard rückte bei seiner Untersuchung dieser Frage in seinen Schriften Logica Ingredientibus und Logica Nostrorum Petitioni Sociorum neben dem rein ontologischen Aspekt auch die sprachlogische Perspektive in den Vordergrund. Zunächst kritisierte er die vorhandenen Argumente. Für ihn konnten die Universalien nicht eine je einheitliche Entität sein, weil sie nicht verschiedenen, getrennten Dingen zugleich innewohnen könnten. Auch konnte das Universale nicht etwas Zusammengefasstes sein, weil jedes Einzelne dann das Ganze enthalten müsse. Ebenso wies er die These zurück, Universalien seien zugleich individuell und universell, da der Begriff der Individualität als Eigenschaft des Universellen durch sich selbst widersprüchlich definiert werde. So könnten z. B. Begriffe wie Lebewesen nicht existieren, weil diese nicht zugleich vernunftbegabt (Mensch) und nicht-vernunftbegabt (Tiere) sein könnten.
Da die Argumente für die Realität der Allgemeinbegriffe nicht zu einem haltbaren Ergebnis führten – Wilhelm von Champeaux musste sich verärgert korrigieren –, schloss Abaelard, dass die Universalien Wörter (voces) sind, die vom Menschen zur Bezeichnung festgelegt werden. Soweit sie sich auf sinnlich konkret Wahrnehmbares beziehen, sah Abaelard in ihnen nur Benennungen, also uneigentliche Universalien (appellatio). Soweit sie sich auf sinnlich nicht Wahrgenommenes beziehen, handele es sich um echte Allgemeinbegriffe (significatio). Solche Begriffe würden vom Menschen konzipiert, um das Gemeinsame und nicht Unterscheidende verschiedener gleichartiger Gegenstände zu bezeichnen. Die Erkenntnis hierüber entstehe nicht durch körperliche Sinneswahrnehmung (sensus), sondern durch gedankliches Begreifen (intellectus) der Seele, indem der Geist (animus) eine Ähnlichkeit (similitudo) herstelle. Stoff und Form existierten verbunden und würden nur durch die Einbildungskraft (imaginatio) der Vernunft (ratio) im Wege der Abstraktion (forma communis) getrennt.
Universalien seien damit weder Ideen „vor den Dingen“ (platonischer Universalienrealismus), noch Gattungsformen „in den Dingen“ (aristotelischer Universalienrealismus), sondern begriffliche Abstraktionen im Verstand, die jedoch aus dem Vergleich der wirklichen Einzeldinge entstanden seien. Sie entstünden damit erst „nach den Dingen“ (post res). Das Wort als Naturlaut (vox) sei Bestandteil der Schöpfung. Aber das Wort als Sinn (sermo) sei eine menschliche Einrichtung, ein menschlicher Gebrauch (institutio hominum). Dadurch, dass Allgemeinbegriffe eine eigene Bedeutung hätten, stünden sie zwischen den realen Dingen (res) und den reinen gedanklichen Bezeichnungen (ficta). Universalien seien damit semantisch existent und mental wirklich. Diese Auffassung, die ähnlich von Gilbert De La Poirée, Adelard von Bath und John von Salisbury vertreten wurde, wurde später als Konzeptualismus bezeichnet. Ein klassisches Beispiel Abaelards ist der Name der Rose, der sich auf keinen Gegenstand bezieht, wenn es keine Rosen mehr gibt, dennoch seine Bedeutung behält.