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Lieblingsgedichtssammlung

Ginsi

Member
Registriert
18. Mai 2006
Beiträge
298
Ich bin grade dabei schöne Gedichte zu sammeln und möchte mal erfragen, welche ihr so wirklich mögt, welche euch beim Lesen einfach (entweder vom Inhalt, von der Lyrik, oder beidem) vom Hocker hauen. Ich präsentiere hier mal meine bisherigen:

Der Ew'ge herrscht

Der Ew'ge herrscht auf Erden,
Über Meere herrscht sein Blick;
Löwen sollen Lämmer werden,
Und die Welle schwankt zurück.

Blankes Schwert erstarrt im Hiebe,
Glaub' und Hoffnung sind erfüllt;
Wunderthätig ist die Liebe,
Die sich im Gebet enthüllt.

Goethe



Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir,
hält's nicht aus,
hält's nicht aus mehr bei mir.

Legt sich dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu dem deinen hinein.

Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt auf dem Grund
seines ewigen Du.

Christian Morgenstern



Die Schildkrökröte

Ich bin nun tausend Jahre alt
Und werde täglich älter;
Der Gotenkönig Theobald
Erzog mich im Behälter.

Seitdem ist mancherlei geschehn,
Doch weiß ich nichts davon;
Zur Zeit, da läßt für Geld mich sehn
Ein Kaufmann zu Heilbronn.

Ich kenne nicht des Todes Bild
Und nicht des Sterbens Nöte:
Ich bin die Schild ich bin die Schild
Ich bin die Schild krö kröte.

Christian Morgenstern



Stern ist in des Himmels Saal
Leuchtend eingezogen,
Stromgefäll im tiefen Tal
Schwingt den Perlenbogen.
In des Auges Äther dir
Ist mein Blick geflogen,
Aber tief im Herzen mir
Ringt's in schönen Wogen.

Johann Fercher von Steinwand
 
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AW: Lieblingsgedichtssammlung

Ich bin grade dabei schöne Gedichte zu sammeln und möchte mal erfragen, welche ihr so wirklich mögt, welche euch beim Lesen einfach (entweder vom Inhalt, von der Lyrik, oder beidem) vom Hocker hauen.

Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir.................

Christian Morgenstern

Das ist das allerschönste Liebesgedicht, was ich je gelesen habe.....

Hier mein liebstes Frühlings-Gedicht:



Der Mai


Im Galarock des heiteren Verschwenders,
ein Blumenzepter in der schmalen Hand,
fährt nun der Mai, der Mozart des Kalenders,
aus seiner Kutsche grüßend, über Land.

Es überblüht sich, er braucht nur zu winken.
Er winkt! Und rollt durch einen Farbenhain.
Blaumeisen flattern ihm voraus und Finken.
Und Pfauenaugen flügeln hinterdrein.

Die Apfelbäume hinterm Zaun erröten.
Die Birken machen einen grünen Knicks.
Die Drosseln spielen, auf ganz kleinen Flöten,
das Scherzo aus der Symphonie des Glücks.

Die Kutsche rollt durch atmende Pastelle.
Wir ziehn den Hut. Die Kutsche rollt vorbei.
Die Zeit versinkt in einer Fliederwelle.
O, gäb es doch ein Jahr aus lauter Mai!

Melancholie und Freude sind wohl Schwestern.
Und aus den Zweigen fällt verblühter Schnee.
Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute Gestern.
Auch Glück kann weh tun. Auch der Mai tut weh.

Er nickt uns zu und ruft: "Ich komm ja wieder!"
Aus Himmelblau wird langsam Abendgold.
Er grüßt die Hügel, und er winkt dem Flieder.
Er lächelt. Lächelt. Und die Kutsche rollt.


Erich Kästner
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Schade, das Gedicht von Erich Kästner hätte an den Anfang gesollt. Es fängt so schön leicht an (wie der Frühling :reden: ) und wird erst am Ende schwer, so wie die anderen.

Eins meiner Lieblingsgedichte ist dieses von Rilke...

Wird mir nichts Nächstes? Soll ich nur noch verweilen?
(Öfter mein Weinen verstörts und mein Lächeln verzerrts)
Aber manchmal erkenn ich im Scheine der heilen
Flamme vertraulich mein inneres Herz.
Jenes, das einst so innigen Frühling geleistet,
ob sie es gleich in die Keller des Lebens verbracht.
O wie war es sofort zu dem größten Gange erdreistet,
stieg und verstand wie ein Stein die gewordene Nacht.
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Eine der Balladen, die mich beim Ersten Lesen sofort berührt haben, war "Die Bürgschaft" von Schiller.
Sie ist sehr lang und würde hier zu viel Platz in Anspruch nehmen
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die so singen, oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben
Und in die Welt wird zurückbegeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit wieder gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.


Novalis
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Höhe des Sommers

Das Blau der Ferne klärt sich schon
Vergeistigt und gelichtet
Zu jenem süßen Zauberton,
Den nur September dichtet.

Der reife Sommer über Nacht
Will sich zum Feste färben,
Da alles in Vollendung lacht
Und willig ist zu sterben.

Entreiß dich, Seele, nun der Zeit,
Entreiß dich deinen Sorgen
Und mache dich zum Flug bereit
In den ersehnten Morgen.

Hermann Hesse (aus "Die Gedichte", Suhrkamp-Verlag).

Der Vogel

Du bist vom Wind erlöste Ackerkrume,
du bist ein Kind von Fisch und Blume.
Aus allem aufgehoben,
bist du der Wunsch der Seele,
daß sie im tollsten Toben
sich nicht mehr quäle.
Du bist vom Stern geboren
in einer großen Nacht.
Pan hat sein Herz verloren
und dich daraus gemacht!

Wolfang Borchert

Gefunden

Ich ging im Walde
so für mich hin,
und nichts zu suchen,
das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
ein Blümchen steh'n,
wie Sterne leuchtend,
wie Äuglein schön.

Ich wollt' es brechen,
da sagt es fein:
soll ich zum Welken
gebrochen sein?

Ich grub's mit allen
den Würzlein aus,
zum Garten trug ich's
am hübschen Haus.

Und pflanzt es wieder
am stillen Ort;
nun zweigt es immer
und blüht so fort.

Johann Wolfgang von Goethe :blume1:

Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg' deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß' die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

Er ist's

Frühling läßt sein blaues
Band
Wieder flattern durch die
Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das
Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
-Horch, von fern
Ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab' ich vernommen!

Eduard Mörike

Das sind nur einige meiner Lieblingsgedichte. Ich habe die ursprüngliche Orthographie beibehalten und auch andere Jahreszeiten gewählt, nicht nur den kommenden Frühling.

Grüße - FirstDay
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Johann Wolfgang von Goethe - ich liebe ihn....!!!

Eigentum

Ich weiß, daß mir nichts angehört
Als der Gedanke, der ungestört
Aus meiner Seele will fließen,
Und jeder günstige Augenblick,
Den mich ein liebendes Geschick
Von Grund aus läßt genießen.


Den Absolutisten


Wir streben nach dem Absoluten
Als nach dem allerhöchsten Guten.
Ich stell' es einem Jedem frei;
Doch merkt' ich mir vor andern Dingen:
Wie unbedingt uns zu bedingen
Die absolute Liebe sei.


:blume1::blume1::blume1:

D A N K E ! ! !

:blume1::blume1::blume1:
 
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AW: Lieblingsgedichtssammlung

Da ich noch zu einer Generation zähle, die Gedichte auswendig gelernt hat, habe ich so ca. dreißig Texte im Kopf, die ich mir immer wieder bei Gelegenheit aufsage (ob das nun wirklich meine Lieblingsgedichte sind, weiß ich nicht einmal, sie haben sich nur eingeprägt).
Dazu zählen Rilkes "Panther" ebenso wie sein "Herbsttag", einige von Benn, Ringelnatz' kleines Gedicht "Im Park", Trakls "Winterabend" und "Rondel", ein Gedicht "Bootsfahrt" von H. Piontek, "Die große Fracht" von I. Bachmann u.a.m.
 
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